Kritik des Parteiverbotssurrogats Teil 6

Teil 6: Ursache für die Rückkehr des linken Antisemitismus: der bundesdeutsche „Kampf gegen rechts“

Josef Schülburner

(Stand: 30.06.2023) Die Geschichte des Sozialismus zeigt, daß er „je nach den politischen oder sozialen Umständen sich dem Antisemitismus ebenso gut nähern und mit ihm liebäugeln wie ihn ablehnen und bekämpfen kann. Sie lassen auch, sofern man überhaupt von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen darf, eine neuerliche Annäherung von Sozialismus und Antisemitismus als durchaus möglich erscheinen. Das fiele jedenfalls nicht aus dem Rahmen sozialistischer Tradition … Dazu bedarf es keiner Änderung der sozialistischen Theorie“ (so zusammenfassend Silberner in seiner umfassenden Abhandlung zur Position des klassischen Sozialismus zur „Judenfrage“; genauerer Nachweis im Text).   

Vorliegend wird aufgezeigt, daß der bundesdeutsche „Kampf gegen rechts“ als wesentliche Ursache für die Rückkehr des linken Antisemitismus ausgemacht werden kann. Dies ergibt sich daraus, daß die Vorwürfe „gegen rechts“, nämlich Nationalismus zu propagieren und dabei einen ethnischen Volksbegriff zu vertreten, sich relativ schnell gegen Juden richten ließen und sich gegen Juden richten müßten, wenn die politische Linke nur konsequent wäre: Bei Anwendung der gegen die AfD gerichteten Methodik von (antiparlamentarischer) Ausgrenzung und Kündigungskultur müßte die politische Linke angesichts der jüngsten Regierungsbildung in Israel zum Boykott dieses Staates ausrufen, dessen Staatsangehörigkeitsrecht vom deutschen Verfassungsgericht bei Zugrundelegung des „gegen rechts“ gerichteten Nichtverbotsurteil mit Verbotsbegründung im 2. NPD-Verbotsverfahren sicherlich für verfassungswidrig erklärt werden müßte.  

Der Antisemitismus der politischen Linken ergibt sich automatisch, wenn der „Kampf gegen rechts“ zum wesentlichen politischen Anliegen wird, welcher dabei durch seine Verknüpfung mit dem Parteiverbotssurrogats der ideologiepolitischen Bekämpfung des sog. „Rechtsextremismus“ einen massiv diskriminierenden politischen Unterdrückungscharakter erhält. Der politischen Rechte wird nämlich von der linken Seite und damit auch von der ideologie-politisch ausgerichteten bundesdeutschen Staatssicherheit („Verfassungsschutz“) im wesentlichen vorgeworfen, was Antisemiten seit der Antike den Juden vorgeworfen haben, wozu insbesondere der Nationalismus gehört, also der Wunsch, sich die Identität als ein eigenes, im wesentlichen durch Abstammung bestimmtes Volk zu erhalten und es deshalb abzulehnen, sich universalistisch und multikulturell abschaffen zu lassen. Dementsprechend führt der bundesdeutsche „Kampf gegen rechts“ bei einigermaßen stringenter Handhabung zur Rückkehr des linken Antisemitismus.  

Die bundesdeutsche Situation, einerseits nachhaltig einen „Kampf gegen rechts“ zu befürworten und andererseits gleichzeitig Antisemitismus als besonders verfassungsschlimm zu halten, obwohl diesbezüglich vielleicht nur eine bloße Meinungsbekundung vorliegt (die selbst in der nicht freien, aber doch freiheitlichen BRD als solche nicht strafbar ist), ist nämlich äußerst paradox, wenn man sich vor Augen führt, was der auf die hellenistische Antike zurückführende Antisemitismus den Juden vorgeworfen hat:  „Die griechisch-römische Feindschaft … ist geprägt von Judenhaß aufgrund einer wirklichen jüdischen Eigenschaft, nämlich daß die Juden darauf beharrten, ihre jüdische Identität als ein abgesondertes Volk aufrechtzuerhalten“ (Nachweis im Text). Damit wurde dem Judentum seit der Zeit des Hellenismus, als das antike Griechentum universalistisch wurde und einen Multikulturalismus gebot, übersetzt in die Sprache des bundesdeutschen „Verfassungsschutzes“, d.h. von Parteiverbotsbegründungen und des Parteiverbotsersatzsystems „Rechtsextremismus“ vorgeworfen!

Auch die Kritik, die schließlich das Christentum gegenüber dem Judentum geltend machte, bestand darin, daß die Juden nicht das erlösungsbedürftige Individuum zum maßgeblichen Wert erheben, bei dem es nicht mehr darauf ankäme, ob jemand Jude oder Grieche sei, sondern das (durch einen Priesterkönig der Endzeit = Messias) befreiungsbedürftige Volk! Der bundesdeutsche Vorwurf der Polizeiministerien / Inlandsgeheimdienste / Ideologiebehörden gegen den „Rechtsextremismus“ lautet in einer ähnlichen Weise, wenn dessen „antiliberale“ Haltung staatlich bekämpft wird, die nicht auf das Individuum und seine Menschenwürde ausgerichtet wäre, sondern auf das für eine Demokratie (Volksherrschaft) maßgebliche Volk als kollektive Größe.

Dies sollte deutlich machen, daß der „Kampf gegen Rechts“, welcher den Volksbezug des Demokratiegedankens unter Berufung auf universalistisch ausgerichteten Individualismus und Menschenwürde bekämpft, sich als latent antisemitisch darstellt: „Kampf gegen rechts“ ist Antisemitismus, weil sich die „Argumentation“ (um den Begriff „Haß“ zu vermeiden) „gegen rechts“ ziemlich schnell gegen Juden und Israel richten läßt. Diese Erkenntnis ist dabei nicht auf die klassische Antike beschränkt, sondern hat, vermittelt durch den bewältigungsbedürftigen Antisemitismus des traditionellen Sozialismus (welcher der bundesdeutschen Zivilreligion weitgehend unbekannt ist), seine maßgebliche Bedeutung für die Neuzeit. Auch die Argumentation, welche die „Europäer“ zugunsten von „Europa“ vorbringen, ist direkt gegen die Existenz des Staates Israel gerichtet. Selbst die auf „Menschenwürde“ abgestellte Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in der auf Verbotswirkung ausgerichteten Nicht-Verbotsentscheidung von 17.01.2017 gefährdet konzeptionell die israelische Staatskonstruktion, die auf den Erhalt des jüdischen Charakters des Staates Israels abzielt und dementsprechend als „völkisch“ auszumachende Prinzip zum zentralen Anknüpfungspunkt für den Erwerb der Staatsangehörigkeit macht. Wenn aber eine Position, die den Erhalt des deutschen Charakters der Bundesrepublik Deutschland anstrebt, gegen die Menschenwürde verstoßen soll, dann müßte bei Anwendung der Logik auch Israel als Menschenwürdeverstoß erkannt werden.

Dieser Schlußfolgerung kann man sich nicht dadurch entziehen, indem man Israel und Judentum zu einem „Sonderfall“ erklärt, weil der dabei zum Ausdruck gebrachte Philosemitismus sehr schnell zum Antisemitismus führt, wenn er dann nicht schon fast automatisch als entsprechender Subtext vorhanden ist. Nicht zuletzt dies erklärt auch, wie der sich grundsätzlich philosemitisch verstehende Sozialismus wieder in Antisemitismus umschlagen könnte, ohne daß dieser Umschlag die Änderung einer sozialistischen Parteisatzung zur Voraussetzung haben müßte: Der Kampf der Linken und der ihr assistierenden (linken) Mitte „gegen Rechts“ trägt nämlich aufgrund einer langen, bereits auf die Spätantike zurückgehenden Universalismus-Problematik das Potential eines derartigen Umschlags des Sozialismus bzw. dessen Rückkehr zum (sozialistischen) Antisemitismus in sich. Die antiisraelischen und antisemitischen Tendenzen, die vor nicht allzu langer Zeit bei der ehemaligen Diktatur-Partei SED, der bundesdeutschen Partei DIE LINKE festgestellt worden sind dürften als eines der jüngeren Beispielsfälle diese Möglichkeit belegen. Der vorliegende Beitrag sieht den Ausgangspunkt dieser antisemitischen Tendenzen der politischen Linken im politischen Universalismus der entsprechend motivierten Europakonzeption, welche die universalistische Feinderklärung „gegen Rechts“ trägt: Der „Kampf gegen Rechts“ führt demnach erhebliches Antisemitismuspotential in sich! Der bundesdeutsche „Kampf gegen rechts“ und damit ein wesentlicher Teil des Parteiverbotssurrogats sind daher von vorherein als latent antisemitisch einzuordnen und dieser trägt das Potential, sich offen als Antisemitismus zum Ausdruck zu bringen.

Hinweis
Zur ergänzenden Lektüre wird die einschlägige Veröffentlichung des Verfassers empfohlen: Roter, brauner und grüner Sozialismus: Bewältigung ideologischer Übergänge von SPD bis NSDAP und darüber hinaus

Josef Schüßlburner
Roter, Brauner und Grüner Sozialismus. Bewältigung ideologischer Übergänge von SPD bis NSDAP und darüber hinaus,
2008, Lichtschlag Medien und Werbung KG, 24,80 Euro
ISBN-10: 3939562254, ISBN-13: 978-3939562252
Dieses Buch ist im März 2015 in unveränderter 3. Auflage wieder erschienen und nunmehr auch in einer Kindle-Edition für 6,99 Euro erhältlich. Erhältlich auch hier

“Teil 6: Bundesdeutscher „Kampf gegen rechts“ als (latenter) Antisemitismus”

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