Kritik des Parteiverbotssurrogats Teil 34

Teil 34: Recht auf Opposition als wesentlicher Unterschied zwischen freier und totalitärer Demokratie

Josef Schüßlburner

(29.02.2024) Die massiven Verbotsforderungen gegen die maßgebliche Oppositionspartei Alternative für Deutschland (AfD) richten sich gegen das zentrale Verfassungsprinzip einer freien Demokratie, nämlich das Recht zur rechtmäßigen Ausübung politischer Opposition. Durch dieses Verfassungsprinzip, das die unverbrüchliche Garantie der Meinungsfreiheit zur Voraussetzung hat, unterscheidet sich die sog. „liberale Demokratie“ von allen anderen Herrschaftsformen der Menschheitsgeschichte. Deshalb ergibt sich wie von selbst die Frage, ob eine derartige massive Beeinträchtigung des Rechts zur Oppositionsausübung durch kommunistische bis christlich-sozialistische (wanderwitzige) Verbotsforderungen gegen eine rechtmäßig agierende Oppositionspartei, die anerkanntermaßen das Potential hat, von ca. 1/3 der wahlberechtigten Deutschen gewählt zu werden, es überhaupt noch erlaubt, daß noch von Demokratie gesprochen werden könnte, wenn diesen „antifaschistischen“ (CDU-extremistischen) Forderungen entsprochen werden würde. 

Allerdings gibt es neben der Demokratie, die mit der Gewährleistung von Meinungsfreiheit und dem Recht auf rechtmäßige Ausübung politischer Opposition zwingend verbunden ist, eine andere Form der Demokratie, die als „totalitäre Demokratie“ eingestuft worden ist und sich etwa als „Deutsche Demokratische Republik“ mit einem „antifaschistischen Schutzwall“ als Demokratieschutzmaßnahme manifestiert hat. Die Berechtigung, eine derartige totalitäre Regierungsweise einer demokratieideologischen Diktatur mit „antifaschistischem Schutzwall“ doch als „Demokratie“ zu verstehen, ergibt sich ausgerechnet durch die Begründung bei den Grundgesetzberatungen im Parlamentarischen Rat zum Begriff „freiheitliche demokratische Grundordnung“. Der Abgeordneten v. Mangoldt (CDU) hat diesen Begriff damit erklärt, daß es eine demokratische Ordnung gibt, „die weniger frei ist, die volksdemokratische, und eine, die frei ist.“  Damit stellt sich angesichts der aktuellen Verbotsforderungen gegen die Opposition die Frage nach dem Unterschied zwischen einer freien und einer Demokratie, „die weniger frei ist, die volksdemokratische“. Ist dann die Bundesrepublik Deutschland, die sich mit dem Begriff „freiheitliche demokratische Grundordnung“ eigentlich von der totalitären (Volks-)Demokratie abgrenzen wollte, aufgrund des gegen Opposition gerichteten Parteiverbotskonzepts nicht doch eher der unfreien „Volksdemokratie“ zuzurechnen? Oder gibt es vielleicht grenzwertige Demokratien, die zwischen einer freien und einer (antifaschistischen) Einmauerungsdemokratie einzuordnen sind, weil dann nur „Brandmauern“ gegen den Parlamentarismus ausgerufen werden? Dieser Frage wird nachfolgend nachgegangen.

Die Antwort lautet: Die freie Demokratie unterscheidet sich von der „Volksdemokratie“ im Kern durch das Recht zur rechtmäßigen Ausübung politischer Opposition, was wiederum die Garantie der Meinungsfreiheit zu Voraussetzung hat. Parteiverbotsforderungen, die letztlich wegen der Ausübung der Meinungsfreiheit gegen eine Oppositionspartei vorgebracht werden, wie derzeit gegen eine rechtmäßig ausgeübte Oppositionspartei, stellen sich deshalb als Weichenstellung dar, um von einer freien Demokratie zur unfreien (totalitären) „Volksdemokratie“ zu gelangen. Dafür besteht durchaus eine gewisse Erfolgsaussicht, weil die BRD-Demokratie doch einer Demokratiekategorie zugerechnet werden kann, die zwischen einer freien und einer volksdemokratischen Demokratie oszilliert. Sie kann grundsätzlich zwar der freien Form der Demokratie zugerechnet werden. Aber sie greift insbesondere zum (vorgeblichen) Zweck des Demokratieschutzes Argumentationsmuster und Maßnahmen der totalitären Demokratie auf, die vom „Antifaschismus“ mit Verbotsforderungen gegen Opposition in der Tat in Richtung (totalitäre) „Volksdemokratie“ gehen. Dafür steht „Verfassungsschutz“, wie sich an dessen Verwendung des rechtlich unbrauchbaren Begriffs des (ideologischen) „Rechtsextremismus“ belegen läßt.

Für die totalitäre Variante der Demokratie gilt dabei: Wie schon in der Französischen Revolution als Ausgangspunkt der „totalitären Demokratie“ vorgezeichnet, bekommen (geheimdienstliche) Überwachungsorgane eine zentrale Bedeutung, die Comités de Surveillance, die nicht nur Feinde des Volks und der Demokratie ermitteln, sondern dem Volk im Sinne der „Aufklärung“ klar zu machen haben, was es zu wollen hat (etwa nicht rechts zu wählen). Dem steht das Recht des einzelnen gegenüber, Feinde des Volkes, die sich wegen incivisme (Verfassungsfeindlichkeit) verdächtig machen, zu denunzieren. Demokratie wird dabei in einer (demokratischen) Verfassung ausgedrückt gesehen, die zu einem religiösen Dokument aufgewertet ist und somit Gegenstand einer Quasi-Staatsreligion wird. Die Leute sollten eher getötet werden, als daß ihnen erlaubt würde, eine derartige, den Volkswillen zum Ausdruck bringende Verfassung zu verletzen.  Die religiöse Inbrunst gilt dabei besonders den Menschenrechten, zu denen sich die Gewaltunterworfenen als Zwangsmitglieder einer Art staatlicher Superkonfession – Rousseau hat insoweit den Begriff der „Zivilreligion“ eingeführt – bekennen müssen. Grundrechtsausübung wird dann nur mehr staatsaffirmativ, genauer: regierungsaffirmativ möglich. Freiheitsrechte sind dann nicht als die Beschränkung staatlicher Macht zu verstehen, sondern als ein System der Verwirklichung objektiver und ausschließlicher Werte. Meinungsfreiheit etwa mutiert zur staatlichen Propaganda einer demokratischen Volkserziehung und im übrigen verwandeln sich Grundrechte in gegen die politische Opposition gerichtete Strafnormen.  Neben der Meinungsfreiheit, der nur noch historische Bedeutung für den Umsturz des früheren Regimes und zur Errichtung von Demokratie zugestanden wird, gilt das Hauptziel dieser Demokratie der Ausschaltung politischer Opposition. Das Volk müsse darauf vorbereitet werden, so zu wählen, wie es wählen soll. Nach Babeuf, auf dessen Konzeption der Marxismus gründet, würde das Volk seine demokratischen Rechte erst nach Eliminierung der Opposition und der vollständigen Sättigung mit kommunistischen Ideen wieder erhalten. Mit anderen Worten: Die Freiheit kann erst errichtet werden, wenn sie zu ihrem Ende gekommen ist, also: erst wenn der Feind der Freiheit eliminiert und das Volk entsprechend umerzogen ist. Solange es (dazu) Opposition gibt, kann es keine Freiheit geben. 

Derartige Theorieansatz und die auf diese gestützte politische Praxis sind deshalb zu Recht als „totalitär“ bezeichnet worden, weil damit ein zur richtigen demokratischen Erkenntnis befähigter Teil (pars) des Volkes für das Ganze (pro toto) gesetzt wird, mag dieser Teil nun die Mehrheit oder sogar nur die Minderheit darstellen. Unter diesen Bedingungen wird der an sich als demokratisch angesehene Wahlvorgang nur ein Mittel, neben anderen, das zu verwirklichen, was nach der Erkenntnis der Avantgarde (Politikwissenschaftler, Rechtsextremismusexperten, Experten für Geschichtsbewältigung und Erkenntnisse der Parapsychologie etc.) demokratisch gewollt werden muß. Letztlich kommt es nicht auf die Form, sondern auf den „Inhalt“ an. Wird ein Wahlverfahren praktiziert, dann wird etwa über das Prinzip der Einheitsliste ein möglichst einstimmiges Ergebnis herbeigeführt, was jedoch nur dann möglich ist, wenn vorher der als frei zu bezeichnende politische Prozeß suspendiert worden ist. Eigentlich wäre wohl ein Wahlverfahren gar nicht erforderlich, jedoch wird daran wohl aus demokratischer Grundüberzeugung festgehalten, weil seit dem Spätmittelalter ein, allerdings nicht im heutigen Verständnis demokratisches, Wahlverfahren als wesentlicher Ausdruck von Volkssouveränität angesehen worden ist.

Für die freie Demokratie gilt dagegen das Prinzip des parteipolitischen Wettbewerbs, der eine weltanschaulich neutrale Staatsverwaltung zur Voraussetzung hat, welche die Chancengleichheit aller politischen Parteien sichert. Staatliche Eingriffe in diese die politische Freiheit sichernde Wettbewerbsordnung sind dann möglich bei Verstößen einer Partei gegen die Wettbewerbsordnung. Ein darüber hinausgehender Eingriff, der nur ideologie-politisch begründet werden kann, muß dann notwendigerweise das Arsenal der totalitären Demokratie aufgreifen: es gibt dann ideologie-politisch begründete Parteiverbote oder als (angeblich) geringeren Eingriff ein Parteiverbotsersatzsystem, dessen Kern ein propagandistisch in Erscheinung tretender Inlandsgeheimdienst bildet, womit konkurrierende Oppositionsparteien ausgeschaltet werden sollen.

Es dürfte damit deutlich sein, daß der offiziöse bundesdeutsche „Kampf gegen rechts“, wodurch Meinungsfreiheit durch Regierungspropaganda determiniert, wenn nicht gar ersetzt wird, insbesondere wegen der dabei geforderten Entrechtung politischer Opposition der totalitären Demokratie näher steht, als der freien Demokratie.    

Hinweis
Die vorliegende Abhandlung stellt auch eine Ergänzung zum Gutachten des Verfassers zum Fall der SWG dar mit dem Titel: Gedankenpolizeilicher Verfassungsschutzextremismus in Hamburg

Die nachfolgend online gestellte Abhandlung skizziert den größeren demokratietheoretischen Rahmen, aus dem sich die Aussagen des Gutachtens ergeben, die dann an einem konkreten Fall ausgerichtet sind. 

“Kritik des Parteiverbotssurrogats – Teil 34”

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