Verfassungsdiskussion Teil 11

Beiträge zur Verfassungsdiskussion11. Teil: Legitimität der deutschen konstitutionellen Monarchie nach der Preußischen Verfassungsurkunde von 1850 im zeitgenössischen Kontext

Josef Schüßlburner

(Stand: 10.10.2022) Anders als in weiteren Texten der vorliegenden Serie zur Verfassungsdiskussion soll mit dem anliegenden Beitrag keine mögliche Verfassungsalternative zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem besonderen Parteiverbotssystem aufgezeigt werden, das als Parteiverbotsersatzsystem zunehmend die politische Freiheit in der Bundesrepublik, insbesondere durch amtliche Diskriminierung einer maßgeblichen Oppositionspartei gefährdet. Es soll auch keine Warnung zu möglichen Entwicklungen etwa zur Rezeption der DDR-Demokratie als Radikalisierung der wehrhaften Demokratie durch totalitäre Antifa-Klauseln ausgesprochen werden. Vielmehr soll der weitergehende historische Rahmen des verfassungsrechtlichen Denkens aufgezeigt werden, dessen man sich bei der Verfassungsdiskussion bewußt sein sollte, um nicht zu utopischen Vorstellungen zu gelangen wie dies der ursprünglichen sozialistischen Demokratiekonzeption einer „totalitären Demokratie“ zu eigen war. Gegen deren Verwirklichung hat sich die konstitutionelle Monarchie als Bollwerk herausgestellt. Und diese Verfassungsperiode erklärt die erfolgreichere Entwicklung von (West-)Europa gegenüber etwa dem südamerikanischen Halbkontinent, der in Form von Republiken verfassungsrechtlich der Entwicklung Europas vorausgegangen war.

Allerdings könnte selbst die Verfassungsurkunde für das Königreich Preußen von 1850 zur Verbesserung des Freiheitsgrads der BRD vor allem beim Parteiverbot insofern beitragen, als mit deren Artikel 30 Abs. 3 klargestellt war, daß politische Vereine, also auch Parteien, zwar Verboten unterworfen werden konnten, diese aber „vorübergehend“, also zeitlich befristet ausgesprochen werden müßten. Eine derartige zeitliche Befristung steht einem ideologiestaatlich ausgerichteten Parteiverbot bundesdeutscher Provenienz entgegen, weil es konzeptionell an einer konkreten Gefährdung ausgerichtet ist. Diese Parteiverbotskonzeption der Verfassung des bedeutendsten Staates des Deutschen Reiches, nämlich des Königreichs Preußen, war maßgebend für das auf Reichsebene jeweils zeitlich befristet ausgesprochene Sozialistengesetz, was im Vergleich mit dem bundesdeutschen Parteiverbotssystem – und erst Recht gilt dies für das als permanenter ideologischer Notstand praktizierte Parteiverbotsersatzregime – wie folgt gekennzeichnet worden ist:

„Zum Beispiel ist das Parteienrecht des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates (gemeint: der Bundesrepublik Deutschland entsprechend dem Grundgesetz, Anm.) unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen Freiheit betrachtet, schlechter als dasjenige der Sozialistengesetze im Bismarckreich … Dem monarchisch-autoritär verfaßten Bismarckreich ist es demgegenüber nicht in dem Sinn gekommen, wegen der Unvereinbarkeit politischer Zielsetzungen der Sozialdemokratischen Partei mit seiner eigenen Wertgrundlage über das Verbot der Parteivereine, ihrer Versammlungen und Druckerzeugnisse hinaus auch die Freiheit der Stimmabgabe für sozialdemokratische Kandidaten, ihre Teilnahme an den politischen Wahlen aufzuheben oder gar errungene Reichstagsmandate zu kassieren“ (Nachweis im Text).

Verfassungsgeschichtlich bedeutsam ist die Verfassung der konstitutionellen Monarchie, wofür vor allem die Verfassungsurkunde für das Königreich Preußen von 1850 steht, daß mit dieser Verfassung die auf die Französische Revolution zurückgehende totalitäre Demokratie, die in Deutschland von der angehenden Sozialdemokratie vertreten wurde, in einer Weise gezähmt wurde, daß die Demokratie konzeptionell mit dem Liberalismus kompatibel und damit Demokratie erst in einer genuinen Weise die nunmehr zu Recht bestehende positive Bedeutung gewinnen konnte. Aus zeitgeschichtlicher Perspektive konnte die Verfassung der konstitutionellen Monarchie etwa im Vergleich mit den südamerikanischen Republiken gerechtfertigt werden, zumal selbst das Schicksal des US-amerikanischen Experiments seinerzeit noch nicht wirklich entschieden war.

Die Preußische Verfassung von 1850 hatte eine weltweite Bedeutung, weil ihre Rezeption es dem Japanischen Kaiserreich ermöglicht hat, als asiatischer Staat sich das westeuropäische Verfassungsdenken zu eigen zu machen, was dann die Grundlage der Demokratie in Japan werden konnte, die sich im Interesse der politischen Freiheit nach dem 2. Weltkrieg genötigt gesehen hat, sich von bundesdeutschen Demokratieverhältnissen abzusetzen:

„Im Gegensatz zur deutschen Staatsrechtslehre der Vorkriegszeit ist die japanische Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit zu der zeitgenössischen deutschen Staatsrechtslehre vorläufig auf Distanz gegangen. Der Stein des Anstoßes war das Prinzip der streitbaren Demokratie. Die japanische Staatsrechtslehre hat den Hintergrund dieses Prinzips gut verstehen können. Sie hat trotzdem dieses Prinzip als Rechtfertigung dafür verstanden, dem Volk den vom Staat festgesetzten Wert aufzuzwingen und Druck auf das Gewissen der Einzelnen auszuüben, und ist stolz darauf gewesen, daß die japanische Verfassung ein solches Problem nicht enthält und ein solches Prinzip nicht institutionalisiert. Unter diesem Gesichtspunkt wurde das Bundesverfassungsgericht betrachtet, es wurde sogar als der typische Ausdruck dieses Prinzips angesehen, zumal es mit der Befugnis zum Parteiverbot ausgestattet ist. Daß das Bundesverfassungsgericht in der Anfangsperiode seiner Tätigkeit zweimal diese Befugnis ausgeübt hat, hat die kritische Haltung der japanischen Staatsrechtslehre verstärkt“ (Nachweis im Text).

“Verfassungsdiskussion Teil 11”

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