Kritik des Parteiverbotssurrogats Teil 32

Teil 32: „Verfassungsschutz“ als zivilreligiöser Monarchie-Ersatz

Josef Schüßlburner

(Stand: 10.10.2022) Die Begründung, die für die Existenz von „Verfassungsschutz“ im spezifischen deutschen Verständnis vorgebracht wird, läuft bei konsequenter Handhabung auf eine Rechtfertigung der Monarchie hinaus. Die wesentliche Begründung für den besonderen bundesdeutschen „Verfassungsschutz“ im weiteren Sinne von Verfassungsgericht und Parteiverbot und in engeren Sinne, bestehend aus dem behördlichen „Verfassungsschutz“ und dem damit verbundenen umfassenden Parteiverbotssurrogat, besteht nämlich in der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Grundgesetz nicht davon ausgehe, daß die freiheitliche Demokratie sich im Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung stets von selbst behaupten würde. Deshalb wäre etwa eine geheimdienstliche Überwachung einer Oppositionspartei bei Vorliegen verdächtigter Aussagen bei Ausübung der Meinungsfreiheit zum Schutze der Verfassung grundsätzlich gerechtfertigt.

Nun sind aber Verfassungsgericht und Verfassungsschutz selbst Bestandteile der „freiheitlichen Demokratie“, so daß sich nach der angeführten Prämisse, die den „Verfassungsschutz“ rechtfertigen soll, die Frage stellt, ob dann gewährleistet ist, daß der Verfassungsschutz die Demokratie gewährleistet. Vielleicht stellt dann gerade Verfassungsschutz eine besondere Demokratiegefährdung dar. Bei konsequenter Handhabung der Prämisse wäre dann nach einem Schutzinstrument Ausschau zu halten, das gerade keinen Teil des demokratischen Prozesses bildet. Dies könnte etwa ein demokratischer Hegemon oder eine internationale Organisation sein, die etwa bei Abweichung eines dann notwendiger Weise abhängigen Staates bei dessen Verletzung demokratischer Grundsätze zur deren Gunsten, vielleicht sogar militärisch interveniert (was auf die Entstehungsbedingungen der BRD verweist). Jedoch impliziert eine international abhängige Stellung von vornherein eine erhebliche Demokratierelativierung, weil damit allenfalls eine sich demokratischer Formen bedienenden Selbstverwaltungsorganisation vorliegt, deren Entscheidungen vom Plazet maßgeblicher Mächte abhängig ist. Und wer kann bei dieser Hegemonialmacht garantieren, daß dort die Prämisse, wonach der demokratische Prozeß nicht den Erhalt der Demokratie garantieren könne, nicht gelten würde? Außerdem könnten besondere außenpolitische Erwägungen den demokratischen Hegemon veranlassen, im abhängigen Demokratiegebiet der Demokratie doch nicht die maßgebende Bedeutung zuzumessen.

Also erscheint es doch konsequent, nach einer Institution Ausschau zu halten, die nicht Teil des demokratischen Prozesses darstellt. Diese Institution könnte dann die historisch legitimierte Monarchie sein. In der Tat gilt nach dem britischen Verfassungsrecht als wesentliche Aufgabe der Monarchie, einen gewählten Diktator zu verhindern, also genau das, was den wesentlichen Bezugspunkt des bundesdeutschen VS-Regimes darstellt. Diese formal demokratisch legitimierte Diktatur könnte ein Monarch nur dadurch verhindern, daß er sich von einem Monarchen der parlamentarischen Monarchie in einen konstitutionellen Monarchen im Sinne des deutschen Verfassungsrechts des 19. Jahrhunderts zurückverwandelt, so daß durch die bundesdeutsche VS-Prämisse die deutsche Verfassungslage des 19. Jahrhunderts als Verhinderung einer „totalitären Demokratie“ eine nachträgliche Legitimation erfährt. Es kann auch festgestellt werden, daß die europäischen Staaten mit einem Monarchen im Vergleich zu den benachbarten Republiken die freieren Staaten darstellen, was auch anhand der VS-Prämisse erklärt werden könnte.

Die wesentliche Legitimation der Monarchie ist zivilreligiöser Art („König von Gottes Gnaden“). Deshalb wird nachvollziehbar, daß bei Entfallen der Monarchie eine zivilreligiöse Lücke entsteht, die in parlamentarischen Demokratien durch eine religiöse Aufwertung der Verfassung (statt „Thron und Altar“ dann „Verfassung und Altar“) etwa durch verfassungsrechtliche Ewigkeitsgarantien und Änderungsverboten aufgefüllt wird, ein Prozeß, der in der BRD wohl mit am stärksten festzustellen ist und erklärt, daß der „Verfassungsschutz“ zunehmend den Charakter einer Religionspolizei annimmt. Dies wird dann von etablierten Religionen (Kirchen) im „Kampf gegen rechts“ gerne aufgegriffen, weil sie auf diese Weise ideologisch den Status bekommen, den sie in der Monarchie als Staatskirche / Staatsreligion (wenngleich schon unter der Bedingung der Religionsfreiheit) hatten.

Diese quasi-religiöse Aufwertung von „Verfassungsschutz“ als Zivilreligion läßt sich damit erklären, daß bei Etablierung einer Demokratie ohne Rücksicht auf die tradierte Monarchie zum Zwecke der Freiheitssicherung durch „checks and balances“ eigentlich ein Präsidialsystem die Lösung ist, was dann zentral für die USA naheliegend war. Dagegen ist die parlamentarische Demokratie auf die Demokratisierung der Monarchie zurückzuführen, weil nur eine parlamentarische Monarchie mit Demokratie vereinbar ist. Bei Entfallen oder schon Zurücktreten der Bedeutung der Monarchie tendiert die parlamentarische Demokratie zum Gewaltenmonismus eine Parteiregimes, das in der Tendenz die Regierung zum Ausschuß der Parlamentsmehrheit macht und sich damit als freiheitsbedrohend darstellt. Dies erklärt dann wiederum die Bedeutung von „Verfassungsschutz“, der zwar gut gemeint ist, aber den Mangel an „checks and balances“ nicht kompensiert, sondern verschärft, weil sich ein religionspolizeilicher Verfassungsschutz nur gegen politische Opposition richtet, die gerade das wesentliche Instrument des Freiheitserhalts darstellt.

Die Lösung des bundesdeutschen VS-Dilemmas kann jedoch nicht durch Rückkehr zu einer Monarchie gelöst werden, weil dazu die zivil-religiösen Voraussetzungen entschwunden sind (eine verschwundene Zivilreligion läßt sich wohl aus ähnlichen Gründen nicht wiederbeleben wie eine ausgestorbene Religion). Vielmehr ist eher zu erwarten, daß die restlichen Monarchien verschwinden dürften, was sich jedoch für die politische Freiheit nicht positiv auswirken wird. Und zwar mit weltweiten Folgen, insbesondere würden im islamischen Bereich die Islamisierung beschleunigt werden.

In etablierten Demokratien würde sich der zivilreligiöse Charakter der Verfassung dann erhöhen und auch bislang freie Demokratien könnten insbesondere über „Europa“ die nur freiheitliche VS-Demokratie der BRD übernehmen, die sich dann wiederum etwa durch Antifa-Klauseln in Verfassungsdokumenten in die sozialistische Richtung einer „totalitären Demokratie“ fortentwickeln könnte. Deshalb dient der Erhalt der bestehenden Monarchien der politischen Freiheit auch in Deutschland, zumal der weitgehend deutsche Charakter der meisten europäischen Monarchien gespürt wird, so daß sich die zivilreligiösen Bedürfnisse der Bundesdeutschen nicht ausschließlich auf die Verfassung ausrichten müssen, sondern sich auch in der Bewunderung ausländischer Monarchen mit deutschem Bezug zum Ausdruck bringen können.    

„Kritik des Parteiverbotssurrogats Teil 32“

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