Einführung
Josef Schüßlburner
(21.04.2022) In der Bundesrepublik Deutschland wird – zunehmend im Widerspruch zum Gebot der weltanschaulichen Neutralität eines Rechtsstaats – eine amtliche Ideologie, ja Religion (Zivilreligion) zelebriert, in deren Zentrum die „Bewältigung“ einer „Vergangenheit“ steht, „die nicht vergehen will“. Diese Zivilreligion wird nicht nur staatszeremoniell verwaltet, sondern ist teilweise strafrechtlich und vor allem geheimdienstlich („Verfassungsschutz“) geschützt, d.h. man wird zum „Verfassungsfeind“ erklärt, wenn man an der Staatsdogmatik Zweifel hegt auch wenn völlig unklar ist, welche Demokratiegefährdung damit verbunden sein soll. Ihre offizielle Rechtfertigung findet diese Zivilreligion, bei der zwar nicht direkt amtlich gebetet wird, aber in Staatsakten doch feierlich Gedichte vorgetragen und Tränen vergossen werden, in humanitären Erwägungen. Wenn dem aber so ist, stellt sich die Frage, weshalb dann nur der Nationalsozialismus „bewältigt“ wird und nicht der Sozialismus generell. Gebietet das Humanitätsideal wirklich das Vergessen der Opfer des International-Sozialismus? Oder zumindest deren Relativierung? Und wenn ja, warum? Sicherstellung einer linkspolitischen moralischen Vormachtstellung als Staatsdoktrin? Ist da nicht eine grundlegende Wende in der Erinnerungspolitik angesagt?
Der Horror des 20. Jahrhundert bestand nämlich generell im Sozialismus. Noch nie waren aus ideologischen und politischen Gründen derart umfangreiche Massentötungen an Menschen vorgenommen worden wie in den sozialistischen Regimes des 20. Jahrhunderts. Dies geschah etwa in der Sowjetunion, die sich staatsideologisch dem sog. wissenschaftlichen, also marxistischen Sozialismus verpflichtet hatte. Wer ist schuld daran? Eine mehr scherzhaft erscheinende Antwort mit einem überaus ernsten Kern gibt der russische Staatspräsident Putin: „Die Deutschen sind schuld, sie haben uns die beiden (Marx und Engels, Anm.) aufgedrängt und ihren Marxismus zu uns exportiert“ (s. Nachweis im Text). Damit ist gemeint: Ohne den Marxismus-Import aus Deutschland, der dabei auf die Sozialdemokratie zurückgeht, hätte es in Rußland keine Sowjetunion, keinen Lenin und keinen Stalin mit GULag-Verwaltung und Kulaken-Vernichtung in der Ukraine als „first Socialist genocide“ gegeben!
Gäbe es da nicht einiges zu bewältigen? Insbesondere für „uns Deutsche“ – die dabei auch von Sozialisten, die aufgrund ihrer Gleichheitskonzeption keine Nationen mehr kennen, im üblichen Bewältigungszusammenhang explizit als solche ausgemacht werden! In einer dann als „rassistisch“ einzustufenden Weise? „Bewältigt“ wird bekanntlich mit staatsreligiöser Inbrunst ein Phänomen, das trotz seiner Selbsteinstufung als „Sozialismus“ in der bundesdeutschen Bewältigungsliturgie üblicherweise gar nicht als solcher eingeordnet wird, sondern aufgrund der Festlegung des für die Bundesrepublik anscheinend maßgeblichen kommunistischen Experten Josef Stalin gewöhnlich mit dem italienischen Phänomen „Faschismus“ umschrieben wird.
Bei der üblichen Ausblendung des sozialistischen Kontexts des Nationalsozialismus macht Bewältigung anscheinend wirklich Spaß, können dabei doch Nicht-Sozialisten und deren antisozialistische Agenda (wie Erhalt des demokratischen Nationalstaates) mit politisch motiviertem Massenmord in Verbindung gebracht und damit moralisch marginalisiert und ausgeschaltet und man kann sich dabei als Sozialist nachhaltig „der Verlockung des Vergessens und Verdrängens“ (Bundeskanzler Schröder, SPD) hingeben, die bekanntlich „sehr groß“ ist. Dieser Verlockung erliegt man nämlich hinsichtlich des Marxismus-Sozialismus und seinen Megatötungen ersichtlich mit allergrößtem Vergnügen.
Ohne Bewältigung eines Übels droht allerdings nach den Prämissen der quasi-offiziellen bundesdeutschen Bewältigungsdoktrin Wiederholungsgefahr. Und in der Tat: Diese Gefahr des Sozialismus manifestiert sich konkret im „Kampf gegen rechts“, der nunmehr das sozialistische Gleichheitsversprechen dadurch verwirklichen will, daß er – zudem mit demokratietheoretisch zweifelhaften Mitteln wie Verfassungsschutzbeobachtung, ideologie-politisch begründeten Vereinigungsverboten und Grundrechtsverhinderungsaktivitäten – eine gleiche, natürlich demokratische Meinung anstrebt. „Demokratie“ ist dabei Sozialisten vor allem ein Anliegen, um „Demokratiefeinde“, als welche sich im Zweifel alle Gegner des Sozialismus, also der weitestgehenden Gleichheitsvorstellung, qualifizieren, besser bekämpfen zu können: Demokratie ist für Sozialisten kein Freiheitsversprechen, sondern dient der Feindbestimmung und der darauf basierenden Unterdrückung, wofür bezogen auf Deutschland bekanntlich „DDR“ steht. Der „Kampf gegen rechts“ erfüllt als bundesdeutsche Demokratiemaßnahme des Sozialismus zudem ein Vermächtnis des Nationalsozialismus, dessen Führer im Februar 1945 als wesentliche Ursache seiner sich abzeichnenden Niederlage erkannt hatte: „Wir haben die linken Klassenkämpfer liquidiert, aber leider haben wir dabei vergessen, auch den Schlag gegen rechts zu führen. Das ist unsere große Unterlassungssünde“ (so Hitler, Nachweis im Text). Es geht bei diesem „Kampf gegen rechts“ um eine soziale Gleichheitskonzeption, „die auf die Rechtsgleichheit des Menschen pfeift“ (Götz Aly). Dies bedroht dann in der Tat zumindest ideologisch-konzeptionell die als „liberal“ eingestufte Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, weil dieser Komplex als „Kampf gegen Rechts“ auf eine stillschweigende Umwertung des Gleichheits- und Freiheitskonzepts hinausläuft, die sozialistisch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist. Die Freiheitsrechtewerdenhierbeinämlichkollektivistisch entwertet.
Mit der Serie zur umfassenden Sozialismus-Bewältigung wird dabei – abgesehen von der grundsätzlichen Problematik einer amtlichen Bewältigungspolitik unter dem Gesichtspunkt der weltanschaulichen Neutralität eines Rechtsstaats – keine „Relativierung des Nationalsozialismus“ befürwortet, es wird für dessen Bewältigung nur ein sachadäquater Maßstab eingefordert, der sich den Ausführungen eines undogmatischen Marxisten entnehmen läßt: „Das Phänomen des ´Dritten Reiches´ kann nur aus der Entwicklung der ganzen deutschen Gesellschaft seit der Jahrhundertwende, vor allem seit 1914, erklärt werden. Es gibt keinen Teil des deutschen Volkes, der im Laufe des ersten Vierteljahrhunderts keinen Anteil an seiner Entstehung genommen hätte und an seiner weiteren ideologischen und organisatorischen Ausbildung völlig unschuldig wäre. … So hat es … auch zahlreiche Sozialdemokraten gegeben, welcher nur durch ihre ´Rasse´ oder durch ihre sonstige Untragbarkeit für die NSDAP daran gehindert worden sind, zu Hitler überzugehen. Ebenso wenig … kann also die deutsche Sozialdemokratie ohne weiteres von der Mitschuld an der Entstehung und Entwicklung des Nationalsozialismus freigesprochen werden, ja sie – im Hinblick auf ihren lassalleanischen und späteren ´mehrheits-sozialdemokratischen´ Flügel – sogar am allerwenigstens. Die deutsche Sozialdemokratie hätte also gut daran getan, nach 1945 ihre eigene Vergangenheit selbstkritisch zu untersuchen, nicht nur im Hinblick auf jene politischen Fehler, welche die Machtergreifung der NSDAP erst ermöglicht haben, sondern vor allem in Bezugnahme auf jene theoretischen Positionen, welche dem Nationalsozialismus ideologisch Vorschub leisten mußten“ (Willy Huhn).
Zurückgewiesen wird dabei notwendigerweise eine zentrale sozialdemokratische Anmaßung mit VS-Charakter: „Für die SPD gehören auch die Meinungen, ´die nicht davor zurückschrecken, den Sozialismus in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken´ zur Grauzone demokratiebedrohender Mentalitäten“ (Hubo). Man wird also nach der eigentümlichen Demokratiekonzeption der SPD „Anti-Demokrat“ und „Verfassungsfeind“ im geheimdienstlichen, bundesdeutsch-ideologischen Sinne, wenn man eine bestimmte These formuliert, nämlich: Das Phänomen Nationalsozialismus ist ohne Sozialismus nicht zu verstehen. Alle Elemente, die dem Nationalsozialismus völlig zu recht vorgeworfen werden müssen, sind der traditionellen sozialistischen Ideenströmung, die sich organisatorisch als „Sozialdemokratie“ verfestigt hatte, entnommen und können dabei in der spezifischen Weise kaum, zumindest bei weitem weniger auf liberale, konservative oder – trotz der Konzeption eines „christlichen Sozialismus“ – auf christdemokratische Vorbilder zurückgeführt werden. Die dabei sich ergebende Bewältigungsaufforderung gegenüber dem Sozialismus wird in der vorliegenden Serie zur Sozialismusbewältigung in den zentralen Punkten dargelegt.
Hinweis
Die Serie zur Sozialismusbewältigung stellt auch eine Konkretisierung des in der aktuellen Broschüre des Verfassers an die Oppositionspartei AfD gerichteten Vorschlags dar, die ziemlich einseitige bundesdeutsche Bewältigungspolitik in eine allgemeine Sozialismus-Bewältigung überzuführen. Damit könnte die notwendige Wende in der Erinnerungspolitik eingeleitet werden: Es kann nicht angehen, daß Forderungen hinsichtlich des Erhalts des demokratischen Nationalstaates durch eine sozialistisch instrumentalisierte Bewältigungspolitik unter Zuhilfenahme eines SPD-gesteuerten „Verfassungsschutzes“ ideologisch „nazifiziert“ werden, während marxistische Ideologeme dabei zunehmend rehabilitiert werden, um sich dabei schon etwa als Befürwortung einer massiven illegalen Masseneinwanderung zur Verwirklichung allgemeiner und weltumfassender Menschheitsgleichheit umzusetzen.
Josef Schüßlburner
Scheitert die AfD? Die Illusion der Freiheitlichkeit und die politische Alternative
Studie 39 des IfS, Verein für Staatspolitik e. V., 2020, Broschur, 239 Seiten, 7 Euro
Erhältlich beim Verlag Antaios