Üarteiverbotskritik Teil 5: Die Bundesrepublik – der freieste Staat der deutschen Geschichte?
Josef Schüßlburner
Unter Bezugnahme auf das KPD-Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat der äußerst links stehende Politikprofessor und Jurist Wolfgang Abendroth die Frage gestellt, ob (der als Parteiverbotsvorschrift verstandene, Anm.) „Art. 21 Abs. 2 GG wirklich den Bereich der Freiheit für politische Auseinandersetzungen hinter den Stand zurückwerfen (wollte), der im Deutschen Reich zwischen 1890 und 1933 als unumstritten und selbstverständlich gegolten hat.“ Dabei bietet sich an, statt 1890, dem Jahr des Auslaufens des „Sozialistengesetzes“, sogar die Jahreszahl „1867“ (Verfassung des Norddeutschen Bundes) zu nennen, zumindest soweit es um Aspekte des Parteiverbots wie zeitliche Befristung der Verbotswirkung und um die Wahrung der parlamentarischen Stellung von Parlamentsabgeordneten geht, die einer vom Verbot betroffenen Partei angehören. Auch die weitgehende Gewährleistung der Wahlfreiheit des Volks trotz Parteiverbots im Kaiserreich und der Weimarer Republik im Unterschied zur Bundesrepublik Deutschland darf dabei nicht vergessen werden.
Der vorliegende Beitrag holt nach, was das Bundesverfassungsgericht in seinen Verbotsurteilen nahezu gänzlich vernachläßigt hat, nämlich die historische Gesetzesauslegung im weiteren Sinne des geschichtlichen Verfassungsvergleichs und des gedanklichen Nachvollzugs der Verfassungsentwicklung, was das Verfassungsgerichts durch assoziative Schlagworte wie „bittere Erfahrungen der Vergangenheit“ oder schlicht durch falsche Behauptungen (in der Weimarer Republik hätte man verfassungsrechtliche Einrichtung in jeder Form bekämpfen können, BVerfGE 5,58, 136) ersetzt hat. Wie hat sich das Parteiverbot im Königreich Preußen, im Deutschen Kaiserreich, in der Weimarer Republik, im Führersozialismus, in der linksgerichteten Besatzungsherrschaft und im antifaschistischen Mauerbau-Sozialismus dargestellt?
Schließlich wird aufgezeigt, daß die Politik der Verbotsdrohungen der bundesdeutschen Verbotselite, also der sogenannten „Verbotsdiskussion“ „gegen Rechts“, mit dem Verbot der Partei „Die Republikaner“ in der Wende-DDR ihren Ausgangspunkt genommen hat, was einiges über das Entwicklungspotential einer linksgerichteten Parteiverbotsdemokratie besagt.
Generell ist die Frage zu stellen, welchen Zweck ein Parteiverbot überhaupt haben kann.
Bei Annahme der Legitimität politischer Parteien in einer Demokratie gibt für ein Parteiverbot im wesentlichen vier Gründe:
Ein Parteiverbot dient der
anderweitig nicht möglichen Aufrechterhaltung der allgemeinen (eine Demokratie konstituierenden) Rechtsordnung
Verhinderung / Verzögerung der Entwicklung von der vordemokratischen zur demokratischen Herrschaftsform
Errichtung einer Diktatur als Alternative zur Demokratie
Errichtung einer Diktatur / Ausübung eines (ideologischen) Dauernotstands zur Gewährleistung demokratischer Werte (Verhinderung einer undemokratischen Mehrheit, Herstellen der Voraussetzungen einer späteren Demokratie).
Der Verpflichtung auf das Mehrparteienprinzip, also auf die freiheitliche demokratische Grundordnung wird nur der erste Verbotsgrund gerecht. Diese im Lichte des Schutzguts freiheitliche demokratische Grundordnung legitime Verbotskonzeption will eine konkrete Umsturzgefahr mittels Parteiverbots abwehren, weil andere Möglichkeiten sinnvoll nicht zur Verfügung stehen. Diese Verbotskonzeption zeichnet sich dabei notwendigerweise durch Verbotsbefristungen aus, das Wahlrecht wird dabei nicht beeinträchtigt und es werden mit einem Parteiverbot keine Meinungen verboten.
Bei der bundesdeutschen Verbotskonzeption lassen sich sicherlich Elemente dieses legitimen Verbotsgrundes finden. Zentral dürfte jedoch eher der 4. Verbotsgrund sein: Während sich die DDR zum Schutze der „(Volks-)Demokratie“ mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl offen zur Diktatur (des Proletariats) bekannt hat, weil diese die Regierungsübernahme durch Nichtdemokraten aufgrund der Ausübung des freies Wahlrecht ausschließt, zielt die bundesdeutsche Verbotskonzeption auf einen ideologie-politischen Dauernotstand, der legale Grundrechtsausübung, insbesondere die Inanspruchnahme von Meinungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit mittels „Verfassungsschutz“ unter Berufung auf demokratische „Werte“ delegitimiert.
Die vorliegende Serie zur P a r t e i v e r b o t s k r i t i k will diesen „Verfassungsschutz“ delegitimieren und darauf hinwirken, daß legitime Verbotsgründe und legitime Verbotsfolgen im Sinne der „liberalen Demokratien des Westens“ (Bundesverfassungsgericht) den als „Verfassungsschutz“ firmierenden ideologischen Dauernotstand ersetzen.
Erst dann kann die eingangs gestellte Frage überzeugend verneint werden!