Parteiverbotskritik Teil 4

Parteiverbotskritik Teil 4: Verbotsurteile gegen das deutsche Wahlvolk

Josef Schüßlburner

Der vorliegende 4. Teil der Serie P a r t e i v e r b o t s k r i t i k geht auf die konkrete Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in seinen förmlichen Verbotsurteilen ein, womit sich automatisch die dringende Revisionsbedürftigkeit der bundesdeutschen Parteiverbotskonzeption ergibt. Die Problematik der bundesdeutschen Parteiverbotskonzeption wird nicht dadurch gelöst, daß der bundesdeutsche Watergate-Skandal der geheimdienstlichen Unterwanderung einer Oppositionspartei (ein bemerkenswertes Demokratiekonzept!) „gemäßigt“ wird („Abzug“ der V-Leute aus den Parteivorständen, wie immer man sich dies vorstellen soll), sondern die bundesdeutsche Verbotskonzeption ist komplett zu überwinden, weil der mit der Verbotskonzeption einhergehende ideologie-politische Notstand, der mit den Verbotsentscheidungen, insbesondere „gegen Rechts“ begründet worden ist, noch zu Beginn des 21. Jahrhundert als ideologie-politischer „Verfassungsschutz“ der Ideenbekämpfung andauert.

Das bundesdeutsche Parteiverbot geht nämlich weit über ein im Einzelfall vielleicht vertretbares Organisationsverbot zur Abwehr einer anders nicht zu bekämpfenden Umsturzgefahr hinaus, sondern es ist auf die Ausschaltung einer ganzen politischen Richtung (Antipluralismus) angelegt. Dies wird vor allem am Mangel einer Verbotsbefristung bzw. am Fehlen von Vorschriften über die Berechtigung zur Wiederaufnahme der Tätigkeit einer verbotenen Partei nach Wegfall der Verbotsgründe deutlich. Damit wird die Abwehr eines sinnvoller Weise anders nicht abzuwendenden Notstands einer drohenden Umsturzgefahr ersetzt durch die Abwehr eines auf Ausschaltung von Ideen gerichteten ideologie-politischen Notstands, welche naturgemäß dann nie endet.

Der Hauptvorwurf, der gegen diese sicherlich als radikal, wenn nicht gar irgendwie als „extremistisch“ zu kennzeichnenden Verbotskonzeption ergibt, besteht dabei darin, daß sich das bundesdeutsche Parteiverbot gegen das Wahlvolk richtet! Anders als im Kaiserreich und in der Weimarer Republik führt ein bundesdeutsches Parteiverbot zur automatischen Aberkennung von Parlamentsmandaten, die aufgrund eines frei ausgeübten Wahlrechts erworben worden sind. Da, ebenfalls anders als im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, eine verbotene Partei auch von der Wahlteilnahme ausgeschlossen wird, richtet sich das Verbot gegen die wahlberechtigten Deutschen, denen verboten wird, eine Partei zu wählen oder auch nur mit der Wahl dieser Partei als Option zu drohen. Damit setzt sich das „eherne Gesetz der Oligarchie“ (Michels) durch, dem zur Sicherung der Demokratie nur durch frei zur Verfügung stehende Wahloptionen gegen die politische Klasse entgegengetreten werden kann. Das Parteiverbot schützt demnach die Verbotselite vor ihrem Volk, dem „mündigen Bürger“ und „freien Wähler“!

Es stellt in der Tat ein deutsches „Demokratiewunder“ (Bundespräsident Gauck) dar, daß eine derartige Verbotskonzeption völlig unreflektiert als demokratisch akzeptiert wird, was erklärt, weshalb bundesdeutsche „Demokraten“ meinen, das Verbot einer konkurrierenden Partei, also die Beschränkung, wenn nicht gar partielle Abschaffung des Mehrparteienprinzips würde in einer westlichen Demokratie einen Normalfall darstellen. Diese eigentümliche Einstellung der bundesdeutschen Parteiverbotselite enthält DDR-Potential, da diese Verbotskonzeption davon ausgeht, daß sich Freiheit durch Unterdrückung (angeblicher oder auch tatsächlicher) Freiheitsfeinde verwirklicht.

“Parteiverbotskritik Teil 4”


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