Kritik des Parteiverbotssurrogats Teil 33

Teil 33: West-Vergötzung als Verfassungsgebot? Zur Bewältigungsbedürftigkeit der Westrezeption in der NS-Ideologie

Josef Schüßlburner

(27.04.2023) Das offiziöse – wenn nicht gar offizielle – Geschichtsbild der Bundesrepublik geht von einem „deutschen Sonderweg“ aus, der in einer Abkehr von der politischen Kultur des Westens bestanden habe – wobei unter „Westen“ vornehmlich die Imperialmächte Großbritannien und die USA und auch Frankreich als Bewertungsmaßstab verstanden werden. Der antiwestliche Irrweg Deutschlands habe zu Hitler, dem NS-Rassismus und schließlich zum Holocaust geführt. Dieses Narrativ wird vom Inlandsgeheimdienst dergestalt umgesetzt, daß eine antiwestliche“, gar „antiamerikanische“ Einstellung als Anzeichen für „Verfassungsfeindlichkeit“ gilt, steht doch der „Westen“ für Demokratie und Menschenrechte.

Jedoch: Hatte der Nationalsozialismus als gewissermaßen Endstufe des deutschen Sonderwegs wirklich eine „antiwestliche“ Einstellung? Hitlers Weltanschauung war doch unbestreitbar von einer Anglophilie geprägt, die er auch auf die USA übertrug, die für Hitler das große Vorbild waren, stellte doch die Westausdehnung der USA unter „manifest destiny“ das größter Arisierungsprogramm der Geschichte dar. In der Tat: Woher kamen etwa Rassismus, Eroberungspolitik und Eugenik zur Schaffung einer Herrenrasse als politisches Programm? Ist das in Deutschland entwickelt worden und nicht doch eher im vorbildlichen „Westen“? Hatte die Rassengesetzgebung der NS-Zeit nicht Vorbilder im amerikanische Rechtssystem? Und geht nicht der sozialistische Antisemitismus zumindest auf einer ideologischen Ebene wesentlich auf französische Vorläufer zurück, der sich dabei mit der ebenfalls auf die Französische Revolution zurückzuführenden Demokratievariante der „totalitären Demokratie“ (Talmon) vermengt hat? Aber: Wo ist dann die antiwestliche Einstellung auszumachen? Das Amerika-Verständnis von Hitler ist sicherlich einseitig gewesen, muß aber im historischen Kontext durchaus als vertretbar eingestuft werden: Und wieso soll auch nur eine Richtung des Amerikanismus, die es sicherlich auch schon gegeben hat und sich schließlich durchsetzen sollte, als das „wahre Amerika“ den Bewertungsmaßstab darstellen und nicht das andere, das durchaus nicht nur in einer marginalen Weise existiert hatte? Letztlich wollte Hitler die sicherlich problematischen Aspekte des amerikanischen Sonderwegs wie Rassismus und fortschrittsfördernde Eroberungspolitik mit erforderlichen Falles genozidalen Methoden bei Vermengung mit französischen Einflüssen wie sozialistischer Antisemitismus und totalitärer Demokratie, also in einer prowestlichen Gesamtschau, radikalisierend umsetzen. Diese radikalisierende Rezeption des westlichen Rassismus kann aber nicht als „antiwestlich“ gekennzeichnet werden, sondern hatte – aus heutige Sicht vielleicht paradoxer Weise – gerade auch den Zweck, NS-Deutschland ideologisch auf der Seite des Westens einzuordnen wie man an Hitlers Abgrenzung zu den damals schon sich entwickelnden Unabhängigkeitsbewegungen der bald so genannten Dritten Welt feststellen kann.

Dem offiziösem, wenn nicht gar offiziellem Ideologiekomplex der Bundesrepublik muß dementsprechend entgegengehalten werden, daß wesentliche Elemente der NS-Ideologie und Politik, die dem Nationalsozialismus zu Recht vorgeworfen werden, eine radikalisierte Rezeption von Erscheinungen des progressiven Westens darstellen wie insbesondere Rassismus und Sozialdarwinismus. So konnten bei Abfassung der „Nürnberger Gesetze“ von 1935 rassenrechtliche Regelungen von US-Bundesstaaten als Vorbild dienen. Die USA waren das Land des praktizierten Ethnozids mit Erscheinungen des Genozids im Zusammenhang mit einer massiven Eroberungspolitik, die auf permanenten Vertragsbrüchen gegenüber den einheimischen Völkern beruhte. Im Zusammenhang mit dem Völkermord an Indianern zur Zeit des Goldrausches in Kalifornien ist bemerkt worden: „Hier sollte festgehalten werden, daß selbst Hitler es nie wagte, sich öffentlich so deutlich zum Ziel der Ausrottung zu bekennen wie diese beiden kalifornischen Gouverneure. Hitler wußte, daß die meisten Deutschen ein solches Vorgehen mißbilligen würden; die Gouverneure gingen davon aus, daß die meisten (weißen) Kalifornier ihnen zustimmen würden“, so eine vergleichende Bewertung (Nachweis im Text), die der bundesdeutschen „Bewältigung“ zu denken geben sollte.

Die dem Progressismus zurechenbare Präsidentschaft von Woodrow Wilson führte unter dem Stichwort „democracy“ zu einer Vorschau auf die totalitäre Regierungsweise des 20. Jahrhunderts und es kann unbestreitbar eine zumindest entfernte Verwandtschaft zwischen dem New Deal unter Präsident Roosevelt mit dem europäischen sozialistischen Faschismus behauptet werden, die vielleicht noch enger ist als in einer entsprechenden Darlegung (angeführt im Text) zum Ausdruck kommt, wenn man etwa die rassistische Rhetorik der amerikanischen Kriegsführung gegen Japan in die Betrachtung einbezieht, die zu den massenmörderischen Atombombenabwürfen führen sollte. Diese dürfen sicherlich nicht überbewertet werden – das machen wohl nur „Rechtsextremisten“ -, weil sonst Relativierungsgefahr bestehen könnte, die sich „antiwestlich“ gegen die westliche Demokratie richten würde: So in etwa die „Argumentation“ der politischen Bildung und des „Verfassungsschutzes“.   

Die Betrachtung des amerikanischen Segregationsrechts, das der NS durchaus plausibel als „Rassenrecht“ wahrnahm und rezipierte, ist nicht nur historisch von Bedeutung: Der „racial imperativ of American law“, der für dieses Segregationsrecht kennzeichnend war, hat nach 1945 eine Konversion erfahren, die darauf zurückzuführen ist, daß sich die amerikanische Kriegspropaganda, die im Bündnis mit dem sozialistischen Terrorregime Sowjetunion die NS-Konzeption der „Herrenrasse“ bekämpfte, obwohl doch in den USA selbst die Bestrebungen, die etwa mit Hilfe der Eugenik – es ist insofern der Begriff „United States of Sterilisation“ geprägt worden – eine Master Race züchten wollten, auch um white supremacy zu sichern, alles andere als ein politisches Randproblem dargestellt hatte. Dieser Widerspruch des Amerikanismus wurde zum Ausgangspunkt der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, was nicht zuletzt dazu geführt hat, daß (erst!) in den 1960er Jahren das rassische Familienrecht für verfassungswidrig erklärt wurde: Aus der ehemaligen Befürworterin von Negerversklavung und Segregation mit dem bezeichnenden Namen „Democratic Party“ (welche Demokratie war damit wohl gemeint?) wurde eine Partei des Multirassismus. Dies hat aufgrund der Weltmachtstellung der USA weltweite Auswirkungen, insbesondere auf Europa, wo die „Vereinigten Staaten von Europa“ als Nachahmung der USA propagiert werden. Dies ist deshalb bezeichnend, weil die USA nicht als Vereinigung der einheimischen (Indianer-) Völker entstehen konnten, sondern nur durch massive Einwanderung der dann wirklichen „Amerikaner“. Im Multirassismus wird vor allem Abstammungsdeutschen die Wahl möglicher „Nazis“ unterstellt, während Deutschen nichtdeutscher Abstammung (ein sicherlich verfassungsfeindlicher Begriff) das Gegenteil unterstellt wird, weil sie letztlich mit einem „umgekehrten Rassismus“ auf der Verfolgerseite des NS-Regimes stehend imaginiert werden. Konsequenter Weise nimmt nach dieser Ideologik die vom „Verfassungsschutz“ zu beobachtende Demokratiegefährdung ab, je weniger Abstammungsdeutsche es gibt, weil fremdwurzelnde Deutsche keine Nazis wählen, die sie doch verfolgt hätten. Um insofern den „Rassismus“ zu bekämpfen, der sich gegen illegale Masseneinwanderung positioniert, greift der Multirassismus im „Kampf gegen rechts“ – neuerdings vor allem unter Berufung auf Menschenwürde – zu Methoden der Apartheit wie Weigerung der Hotelübernachtung oder gar der ärztlichen Behandlung. Europapolitik, Verfassungsschutz und Bewältigung verknüpfen sich da zu einem einheitlichen Ideologiesystem, das sicherlich noch nicht soweit geht wie die Diktatur des Links-Jakobiners José de Francia in Paraguay, die den Angehörigen der weißen Oberschicht verbot, untereinander zu heiraten, sondern diesen von Staatswegen bei Sanktion Landesverweisung gebot, sich Ehegatten unter Indios, Mulatten und Schwarzen zu suchen, womit der multirassistische Gegenentwurf zur zeitgenössischen Rassengesetzgebung der USA formuliert war. Aber die mit Begünstigungen operierende Politik der marxistischen Volksrepublik China, Heiraten zwischen Han-Chinesen und Türken (Uiguren) massiv zu fördern, indem eine derartige rassisch-religiöse Mischehe zu einem doppelten Jahreseinkommen führt, könnte sich der Ideologik entsprechend als Entwicklungsmöglichkeit auftun.

Als Gegenmittel gegen diese Form einer Rassenpolitik bietet sich dann allerdings in der Tat eine Bezugnahme auf den „Westen“ an: Wie wäre es deshalb mit der Verwirklichung der westlichen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland“? Zurecht ist von einem kundigen Sozialdemokraten nämlich festgestellt worden: „Das Grundgesetz der (sic! Anm.) Bundesrepublik Deutschland ist keine liberale, also wertneutrale Verfassung im amerikanischen Sinne, sondern eine ´wertgebundene Ordnung` (BVerfG 2, 12). Im internationalen Vergleich ist dies `Novum` und `Unikum` zugleich … Auch das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Verbotsentscheidung gegen die KPD daher, daß die deutsche Verfassung sich in diesem Punkt von klassisch liberalen Verfassungen fundamental unterscheidet und begründet diesen Unterschied mit der historischen Erfahrung des Nationalsozialismus (BVerfG 5, 137 ff)“ (Nachweis im Text).

Also steht doch gerade die „wehrhafte Demokratie“ der BRD für eine antiwestliche Einstellung, die es doch als „verfassungsfeindlich“ zu überwinden gilt! Da könnte man mit einer Verwestlichung Deutschlands doch einmal Ernst machen: Dazu genügen Abschaffung des ideologischen Parteiverbots mit Verbotssurrogat (Verfassungsschutz und darauf gestützten Diskriminierungsmaßnahmen) und die westliche Demokratiekonzeption wäre endlich verwirklicht: Dies wäre bewältigungspolitisch gerade dann geboten, wenn den NS eine antiwestliche Einstellung gekennzeichnet haben sollte.

Hinweis
Der vorstehende Aufsatz, der aus einem Vortrag hervorgegangen ist, stellt weitgehend (aber nicht nur) einen Extrakt des zweiteiligen Beitrags mit dem Thema „Von der amerikanischen Sklaverei zum bundesdeutschen Kampf gegen Rechts“ dar, unterteilt in Teil 1: Die westliche Vorgeschichte des NS-Rassismus und Teil 2: Deutsche Nachgeschichte des westlichen Rassismus: „Bewältigung“ und „bunte Republik“

Anlage:
Am Ende des Textes finden sich zum einen die rassenrechtliche NS-Gesetzgebung (so genannte „Nürnberger Gesetze“ mit vorausgegangener Bestimmung im Beamtenrecht) und angeführt Beispiele der zeitgenössischen Segregationsgesetzgebung (sog. Jim Crow Laws) von amerikanischen Bundesstaaten (jeweils mit Übersetzung durch den Verfasser)

“Kritik des Parteiverbotssurrogats – Teil 33”

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