Freiheit und Demokratie

Freiheit und Demokratie zwischen Verfassung und Verfassungsschutz

Josef Schüßlburner

Dieser Kommentar zum Zeitgeschehen plädiert dafür, angesichts zahlreicher insbesondere aus links-liberalen Kreisen geäußerter Befürchtungen bezüglich von Freiheitsbeschränkungen etwa im Bereich des Internets, zu erkennen, daß die wirkliche Freiheitsproblematik der Bundesrepublik Deutschland im speziellen Verfassungsschutzverständnis liegt. Dies zu erkennen, ergäbe für eine wirklich (rechts-)liberale Partei grundlegende Forderungen, welche die Daseinsberechtigung des Liberalismus gewährleisten.

Dieses durch eine liberale Politik zu bekämpfende Verfassungsschutzverständnis basiert aufgrund der Zielsetzungen alliierter Besatzungspolitik, die weitgehend unbewältigt ist, auf einer Methodik, die bei konsequenter Handhabung die Errichtung eines Linksregimes erlauben würde. Diese Gefahr wiederum könnte sich verwirklichen, wenn sich die Ex-SED mit Hilfe der linken Mitte als eigentliche Verfassungsschutzpartei, als welche sie sich bereits versteht, etablieren könnte, insbesondere nachdem es ihr gelungen sein dürfte, auch den Restliberalismus zu marginalisieren. Die Überwindung dieser bundesdeutschen Verfassungsschutzkonzeption durch eine „dänische“ Lösung könnte und müßte deshalb zum wesentlichen Programmpunkt einer (rechts-)liberalen Partei werden. Ansonsten erscheint die Daseinsberechtigung des Liberalismus in Deutschland nicht mehr gesichert. Die Aussagen des Artikels lassen sich in folgende Thesen fassen:

Verfassungsschutz und Meinungsfreiheit – Thesen

1. Der Verfassungsschutz (VS), verstanden als umfassender institutioneller Demokratieschutz, konkretisiert durch öffentlich in Erscheinung tretende Inlandsgeheimdienste, stellt in der Bundesrepublik Deutschland die größte Gefährdung der Meinungsfreiheit, der Grundlage von Freiheit und Demokratie dar

2. Der freiheitsfeindliche Kern des bundesdeutschen VS besteht im „Schutz der Verfassung“ vor falschen politischen Auffassungen, während nach der Konzeption einer westlichen Demokratie ein Parteiverbot überhaupt keinen Eingriff in die Meinungsfreiheit bedeutet, weil das Schutzgut des Parteiverbots die Legalität des politischen Machterwerbs darstellt

3. Die in der Bundesrepublik maßgebende ideologie-politische Verbotskonzeption kreiert mit ihren Verbotssurrogaten einer innerstaatlichen Feinderklärung „gegen Rechts“ einen veralltäglichten ideologie-politischen Notstand, für den kennzeichnend ist, daß legales Handeln einer staatlichen Legitimitätsbewertung unterworfen wird: Man ist wegen politischer Auffassungen „Verfassungsfeind“, obwohl man sich legal verhält

4. Der bundesdeutsche VS birgt erhebliches „DDR-Potential“ in sich: Die staatliche Ächtung falscher politischer Auffassung reduziert die Meinungsfreiheit methodisch auf den Stand der DDR-Verfassung von 1968 / 74, die die Garantie der Meinungsfreiheit auf „Verfassungsgrundsätze“ reduziert hatte

5. Das Auseinanderklaffen von Legalität und Legitimität beim „VS“ eröffnet den Weg zum terreur: Kann man trotz legalen Verhaltens „Verfassungsfeind“ sein, gilt auch das Umgekehrte: Man ist dann besonders verfassungstreu, wenn man sich zum Schutze einer als Ideologie verstandenen „Verfassung“ illegal / kriminell verhält: Dies wird „Zivilcourage“ oder „Widerstand“ genannt

6. Die Etablierung der Ex-SED als „eigentlicher“ bundesdeutscher VS-Partei dürfte zur Realisierung des „DDR-Potentials“ führen, da sich sowohl die DDR als auch die bundesdeutsche VS-Konzeption aus dem jakobinischen Dilemma der Demokratie begründet (haben): Der „Demokrat“ sieht sich zum Schutze vor einer undemokratischen Mehrheit gezwungen, Demokratie durch außergewöhnliche Maßnahmen, letztlich durch Diktatur, zu sichern

7. Eine Partei, wie Die Linke, die durch ihre Selbstbezeichnung deutlich macht, daß sie „links“ und damit logischerweise auch „rechts“ für bedeutsam hält, dabei aber mit der Kampfparole „Faschismus ist kein Meinung, sondern ein Verbrechen“ politische Konkurrenz von rechts „verknasten“ will, strebt notwendigerweise eine „DDR“ an, wobei ihr die – erkennbar linke – „Mitte“ mit der VS-Konzeption vor- und zuarbeitet

8. Da nach der Einschätzung bundesdeutscher „Demokraten“ (so P. Glotz) die Deutschen ohnehin „Nazis“ wählen würden, wenn man sie nur einfach Demokratie praktizieren ließe, stellt die „DDR“, also der „Kampf gegen Rechts“ mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl das logische Ende der Konzeption eines ideologie-politischen Demokratieschutzes dar

9. Die Gefährdung der politischen Freiheit in der Bundesrepublik und damit ihr „DDR-Potential“ kann nur durch Verwirklichung der „westlichen Demokratie“ abgewendet werden: Diese setzt das sich aus der Volkssouveränität ergebende Recht voraus, bei legalem Verhalten „Verfassungsfeind“ sein zu dürfen

10. Politische Freiheit, insbesondere Meinungsfreiheit ist erreicht, wenn – wie für „die liberalen Demokratien des Westens“ (BVerfG) kennzeichnend – der friedliche Antagonismus von links und rechts zur politischen Entscheidungsfindung des Volks offen und frei in Erscheinung treten kann; dies verlangt die Überwindung der ideologie-politischen Demokratieschutzkonzeption, insbesondere die Abschaffung der als Verfassungsschutz-Berichte fehl bezeichneten Mitte-Schutzberichte.

Die These 10 ist vertieft behandelt in der neuesten Veröffentlichung des Verfassers:

Konsensdemokratie. Die Kosten der politischen Mitte, von Josef Schüßlburner, erschienen im Verlag Edition Antaios (Gebundene Ausgabe – 1. Oktober 2010, 8,50 Euro), erhältlich auch hier.

„Freiheit und Demokratie zwischen Verfassung und Verfassungsschutz“

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