Kritik des Parteiverbotssurrogats Teil 2

Teil 2: Teil: Amtliche Ideologiekontrolle durch verfassungswidrige Verfassungsschutzberichte

Josef Schüßlburner

Der sog. „Verfassungsschutzbericht“ ist in der bundesdeutschen Verfassungswirklichkeit wesentliche Säule eines Parteiverbotssurrogats. Dies wird durch eine überarbeitete Neuveröffentlichung des entsprechenden Beitrags des Verfassers zum im Jahr 2000 erschienenen und von Helmuth Knütter / Stefan Winckler (Hg.) herausgegebenen Werk, Der Verfassungsschutz. Auf der Suche nach dem verlorenen Feind, ausführlich dargestellt.

Dieser Beitrag ist vor der durchaus bedeutsamen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Wochenzeitung „Junge Freiheit“ mit dem Ziel abgefaßt worden, zu einer Änderung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung beizutragen. Mit dieser Entscheidung des Verfassungsgerichts ist dann in der Tat im Unterschied zur früheren maßgeblichen Verfassungsgerichtsentscheidung bejaht worden, daß die Eintragung in einen „Verfassungsschutzbericht“ einen Grundrechtseingriff darstellt. Die Rechtmäßigkeit desselben ist dann allerdings von der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips abhängig gemacht worden, was jedoch nicht operabel ist, wenn sich „Verfassungsschutz“ rechtsstaatswidrig als Instrument einer staatlichen Ideenbekämpfung darstellt. Es ist dann kaum möglich, rechtlich berechenbar die Größen (Verfassungsnorm / politische Ideen) zu ermitteln, die ins Verhältnis gesetzt werden sollen, was Voraussetzung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung darstellt.

Deshalb ist das grundlegende Problem des Verfassungsschutzberichts, nämlich dessen Funktion als Instrument staatlicher Oppositionsbekämpfung, noch immer nicht gelöst. Um zu verhindern, daß mit Hilfe dieser staatlichen Berichterstattung bei Umgehung der Parteiverbotsvorschriften ein Parteiverbotsersatzsystem etabliert wird, muß entweder verfassungsgerichtlich erkannt oder im Wege der Gesetzgebung geregelt werden:

„Ein Verfassungsschutz-Bericht ist verfassungswidrig, wenn er sich nur gegen Ideen, Argumentationsweisen etc. einer ideologie-staatlich zu bekämpfenden oppositionellen Bestrebung richtet.“

Dieses verfassungspolitische Ziel kann dabei unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts begründet werden. Dieses hat nämlich mit Urteil vom 18.05.2001 bei einer disziplinarrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen von beamteten Funktionären der Partei Die Republikaner erkannt, daß „Ideen, Ideologien, Weltanschauungen, Überzeugungen und politische Denkweisen“ von Staats wegen nicht auf Vereinbarkeit mit der Verfassung überprüft werden dürfen. Die Erkenntnis, daß dem Staat die Bekämpfung politischer Ideen seiner Bürger verfassungsrechtlich untersagt ist, hat zur Voraussetzung, daß der Begriff des „Extremismus“ als Operationskategorie behördlichen Handelns als verfassungswidrig erkannt wird, insbesondere stellt sich die ideologie-politische, politologische und damit rechtsfremde Kategorie des „Rechtsextremismus“ wegen seiner inhaltlichen Beliebigkeit rechtsstaatswidrig als amtlicher Begriffsschrott dar.

Trotz des Fortschritts an Demokratie, welche die Entscheidung zur „Jungen Freiheit“ gebracht hat, haben sich deshalb die Ausführungen zur Rechtswidrigkeit auf Ideologiebekämpfung ausgerichteter Verfassungsschutzberichte bedauerlicher Weise nicht erledigt. Deshalb ist weiterhin die Frage zu stellen, ob es verfassungsrechtlich zulässig sein kann, daß es überhaupt „Verfassungsberichte“ gibt. Zumindest können diese Berichte bei Respektierung des Mehrparteienprinzips, der Chancengleichheit für alle Parteien, von Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit (weltanschauliche Neutralität staatlichen Handelns) nicht zur Etablierung eines Parteiverbotssurrogats benutzt werden. Dazu müßte lediglich die hervorragende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Unzulässigkeit von Regierungspropaganda als Wahlkampfinstrument auf die Herausgabe von Verfassungsschutzberichten angewandt werden: Es ist nicht Aufgabe einer Regierung in einer auf dem Mehrparteienprinzip beruhenden Demokratie, politische Opposition zu bekämpfen. Die Bekämpfung einer politischen Agenda muß der freien politischen Auseinandersetzung zwischen Bürgern und ihren Parteien überlassen werden.

Das Werk, in dem dieser nunmehr überarbeitete Beitrag ursprünglich erschienen ist, kann noch käuflich erworben werden:

Hans-Helmuth Knütter, Stefan Winckler (Hrsg.)
Der Verfassungsschutz – Auf der Suche nach dem verlorenen Feind
Universitas Verlag, 2000, gebunden, 420 Seiten, 24,90 Euro
ISBN-10 : 3800414074, ISBN-13 : 978-3800414079
Erhältlich auch hier

Eine Besprechung des Werkes findet sich hier:

Junge Freiheit

Die Redaktion von www.links-ettarnt.de dankt dem Universitas-Verlag, München, für die Einwilligung zur Online-Stellung dieses, insbesondere unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung zur „Jungen Freiheit“ (Verfassungswidrigkeit des Handeln des NRW-„Verfassungsschutzes“) auf den neusten Stand gebrachten Beitrags.

“Teil 2: Amtliche Ideologiekontrolle durch verfassungswidrige Verfassungsschutzberichte”

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