Bundesrepublik als Demokratie-Sonderweg
Josef Schüßlburner
(16.09.2021) „Es ist also kein Zufall, daß die liberalen Demokratien des Westens ein Parteiverbot entsprechend Art. 21 Abs. 2 GG nicht kennen, wie es auch der deutschen Reichsverfassung von … 1919 fremd war.“ So das Bundesverfassungsgericht im KPD-Verbotsurteil (s. BVerfGE 5, 85, 135). Damit hat das Verfassungsgericht amtlich festgestellt, daß die Bundesrepublik Deutschland wegen der gegen freie Meinungsäußerungen gerichteten zentralen Parteiverbotsvorschrift nicht ohne weiteres als „liberale Demokratie des Westens“ angesprochen werden kann und daß Deutschland mit dem Grundgesetz weniger frei ist als dies nach der Weimarer Reichsverfassung der Fall wäre.
Dies muß begriffen werden, um zu verstehen, wieso die derzeitige Hauptoppositionspartei im Deutschen Bundestag, die Alternative für Deutschland (AfD), Gegenstand des sog. „Verfassungsschutzes“ darstellt, ein Instrument, mit dem die mit einer liberalen Demokratie schwer in Einklang zu bringende Parteiverbotskonzeption, deren konsequente Anwendung dem Demokratieimage der BRD nicht gut tun würde, als permanentes ideologisches Parteiverbotsersatzregime umgesetzt wird.
Mit diesem Demokratie-Sonderweg soll verhindert werden, daß eine politisch rechtsstehende Partei bei freien Wahlen die relative Mehrheit gewinnt, eine Aussicht, die durchaus gegeben ist, da nun einmal im Normalfall, wie wohl fast überall auf der Welt, eine relative Mehrheit für rechts gegenüber links und „Mitte“ besteht. Man kann dies im Vergleich der (überwiegend) deutschsprachigen Länder erkennen: Am freiesten ist die Schweiz, schon weniger frei ist aufgrund der Nachwirkungen der Besatzungszeit Österreich, das immerhin seine der Weimarer Reichsverfassung entsprechende Verfassung von 1920 / 1929 aufrechterhalten konnte, und am wenigsten frei ist die BRD; dieser unterschiedliche Freiheitsgrad ist an der Stärke der jeweiligen Rechtspartei und deren verfassungsrechtlichen Gewährleistung gespiegelt.
Der geringere Freiheitsgrad der BRD ist dabei Ergebnis der weitreichenden Besatzungsherrschaft mit ihrem Lizenzierungssystem „gegen rechts“ hinsichtlich Parteien (vorbeugendes Verbot unerwünschter Parteien), das mit der besonderen Parteiverbotskonzeption und dem daraus abgeleiteten Parteiverbotsersatzregime (nachträgliches Verbot und Verbotsersatzmaßnahmen unerwünschter Parteien) fortgesetzt wird. Zentrale ideologische Vorwurfskategorien des öffentlich in Erscheinung tretenden Inlandsgeheimdienstes wie „Relativierung“, „Revisionismus“, insbesondere „Leugnung der deutschen Kriegsschuld“ zeigen den Zusammenhang zwischen Besatzungsherrschaft und dem ideologischen Staatsschutz der BRD.
Aus dieser Situation wird man sich nur durch eine politische Alternative befreien können, die ja die betroffene Partei mit ihrer Parteibezeichnung verspricht. Anzustreben ist eine „liberale Demokratie des Westens“, siehe dazu auch den zwischenzeitlich erschienen Beitrag des Verfassers für eine „liberale Demokratie des Westens in der Bundesrepublik Deutschland“: für die gilt: „In Demokratien ist es nicht üblich, Bürgerinnen und Bürger auf eine gesinnungsbezogene Verfassungstreue zu verpflichten und Parteien – obgleich diese sich an die Spielregeln des friedlichen Meinungskampfes halten – als „extremistisch“ abzustempeln und von einem Geheimdienst kontrollieren zu lassen“ (so Claus Leggewie / Horst Meier, Nach dem Verfassungsschutz. Plädoyer für eine neue Sicherheitsarchitektur der Berliner Republik, 2012, S. 10 f.). Es ist ein alternatives Staatsschutzkonzept zu erarbeiten, wofür Empfehlungen des Europarates Orientierungspunkte geben. Wegen des internationalen Zusammenhangs, der zuletzt mit den gegen die FPÖ gerichteten „Österreichsanktionen“ des Jahres 2000 mit Warnung an die Deutschen sehr sichtbar geworden ist, siehe hierzu hierunter, wird man um eine Neutralitätspolitik am besten am Vorbild der Schweiz nicht herumkommen.
Der anliegende Beitrag stellt ein Interview mit dem Verfasser dar, das in der österreichischen Zeitschrift „Abendland“ (früher: Neue Ordnung), Ausgabe IV / 2020 erschienen ist. Siehe dazu außerdem hierunter!
Die Redaktion von www.links-enttarnt.de bedankt sich beim Ares Verlag, Graz, für die Erlaubnis, das Interview auf der vorliegenden Website veröffentlichen zu können. Abschließend wird auf die Veröffentlichungen hingewiesen, in denen die Aussagen des Interviews vertieft nachgelesen werden können:
»Verfassungsschutz«: Der Extremismus der politischen Mitte
Josef Schüßlburner/Institut für Staatspolitik
»Verfassungsschutz«: Der Extremismus der politischen Mitte
Wissenschaftliche Reihe; 30 [Arbeitsgruppe 1: Staat und Gesellschaft]
62 Seiten, ermäßigt 5 Euro, ISBN: 978-3-939869-30-6, erhältlich hier