Von Josef Schüßlburner
(Stand: 04.04.2025) Anliegend wird zu Dokumentationszwecken das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf als Disziplinargericht vom 16.02.2005 – 37 K 6522/04.BDG – online gestellt, womit die anschließend ersichtliche Einleitungsverfügung des Bundesverkehrsministeriums vom 4.05.2001 – Z 30/04.20.01 – als rechtlich unwirksam erkannt worden ist. Das Verfahren war demnach rechtswidrig, was sich auch daran zeigte, daß in dem aufwendigen Verfahren (das in der Schlichtheit der Dokumente überhaupt nicht gespiegelt ist) der eingesetzte Untersuchungsführer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden konnte und das von diesem abgelösten Untersuchungsführer vorher beauftragte Gutachten durch einen Prozeßvertreter im laufenden ersten Parteiverbotsverfahren gegen die NPD mit Kosten von ca. 17.000 DM als unverwertbar eingestuft werden mußte (Unzulässigkeit eines Gutachtens zum nationalen Recht, das ein Untersuchungsführer als Quasi-Richter zu kennen hat). Zudem war die Besorgnis der Befangenheit dieses Gutachters wegen seiner parallelen Tätigkeit als Prozeßbevollmächtigter geltend gemacht worden. Letztere Funktion würde ein negatives Ergebnis bei seiner Nachzensur der Schriften des Verfassers fast zwingend gebieten.
Die zentralen Vorwürfe der unwirksamen Einleitungsverfügung, eine fundamental ablehnende Einstellung gegenüber der politischen Ordnung und Verfassung der Bundesrepublik Deutschland zu haben, weil den der behördlichen Nachzensur unterworfenen Ausführungen des Betroffenen, die geheimdienstlich (also politologisch / ideologisch) eingehend geprüft worden waren, „ein ethnisches Staatskonzept mit einem kollektivistischen Menschenbild“ zugrunde liegen würde und zudem auch noch eine „Relativierung“ vorliegen würde, haben sich damit formal erledigt.
Diese Vorwürfe waren nach gerichtlicher Erkenntnis nicht nachvollziehbar dargelegt, so daß der Betroffene keine hinreichende Möglichkeit zur Verteidigung hatte. Immerhin war in der Anschuldigungsschrift der erstgenannte Vorwurf nicht mehr erhoben worden, was beamtenrechtlich unter Gewährbietungsklausel läuft. Der letztgenannte Vorwurf hätte eigentlich von vornherein nicht vorgeworfen werden dürfen, weil der zentrale Artikel schon im vorausgegangenen Verfahren hätte vorgebracht werden können (eine Problematik, welche die Bestandskraft / Rechtswirkung der vorausgegangenen Einstellungsverfügung, den disziplinarrechtlichen Tatbegriff oder auch den Gesichtspunkt von Verwirkung aufwirft, ist allerdings nicht förmlich geklärt worden, aber hat auch unausgesprochen wohl zur gerichtlichen Erkenntnis beigetragen).
Es handelt sich bei diesem Vorgang um das zweite von insgesamt drei gegen den Betroffenen wegen Ausübung der Meinungsfreiheit eingeleiteten Disziplinarverfahren. Diesem zweiten Verfahren war im Jahr 1997 ein Vorermittlungsverfahren vorausgegangen, welches behördlich zugunsten des Betroffenen eingestellt wurde, da keine Dienstpflichtverletzungen durch die Ausübung der Meinungsfreiheit etwa durch Beiträge für die Zeitung „Junge Freiheit“ erkannt werden konnten, die seinerzeit vom „Verfassungsschutz“ des Landes Nordrhein-Westfalen intensiv „beobachtet“ wurde, s. dazu hier, bevor dem zuständigen Polizeiminister dann das Bundesverfassungsgericht in der JF-Entscheidung eine Grenze setzte.
Mit dem nachfolgend online gestellten Urteil und was damit verfahrensmäßig verbunden war, wird die Gefährdung des für eine Demokratie zentralen Grundrechts der Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland dokumentiert. Anstelle von Kritik an möglicherweise kritikwürdigen Ausführungen (der Verfasser hat immer betont, dass er sich nicht für unfehlbar hält) etwa in „liberalen“ Presseorganen wird im „Kampf gegen rechts“ bei der Ausübung der Meinungsfreiheit durch Beamte disziplinarrechtlich vorgegangen, also die Ausübung der Meinungsfreiheit behördlich unterdrückt. Diese Meinungsunterdrückung wird dann von der „4. Gewalt“, die einst den „Radikalenerlaß“ im Interesse von Kommunisten nachhaltig bekämpft hatte, unterstützt, wenn es „gegen rechts“ geht: Da ist dann offensichtlich der „Radikalenerlass“ nicht radikal genug, meinen dann diese eigenartigen „Demokraten“ (die ja nicht davor zurückschrecken, zur Etablierung ihrer Volksdemokratie ein Parteiverbot gegen 20-30% der Wahlberechtigten zu fordern, das jedoch jedem Wahlberechtigten eine Wahloption aberkennen würde).
Dies alles wird eingehend dargestellt und bewertet in der im Februar 2025 als Interview-Buch erschienen politischen Biographie des Betroffenen:
Als Rechtsabweichler im Ministerium. Befragung zu besonderen Demokratieerlebnissen
Josef Schüßlburner und Bernd Kallina
Mit einem Vorwort von Bundesminister a.D. Prof. Dr. Rainer Ortleb
Klappenbroschur DIN A5
496 Seiten, 24,80 Euro
ISBN 978-3-87336-851-4
Veröffentlicht am 10.02.2025 beim Gerhard Hess Verlag
Neben der gerichtlichen Kritik an der als unwirksam erkannten Einleitungsverfügung ist neben zahlreichen anderen Aspekten hervorzuheben, wie behördlich wie selbstverständlich davon ausgegangen wird, daß durch Anwendung des Beamtenrechts die Meinungsfreiheit nicht mehr gilt: Nun ist zutreffend, daß das Beamtenrecht eine zulässige Schranke der Meinungsfreiheit darstellt (etwa Mäßigungsgebot hinsichtlich privater Äußerungen zu Gegenständen, mit denen ein Beamter dienstlich befaßt ist, etwa um Befangenheitsanträge zu vermeiden), aber auch bei Anwendung des Beamtenrechts ist die „Allgemeinheit“, d.h. weltanschauliche Neutralität im Sinne von Artikel 5 Abs. 2 GG des die Meinungsfreiheit einschränkenden Gesetzes zu beachten. Diesem Gebot der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wird allerdings nur dann entsprochen, wenn auch bei konkreter Anwendung des Beamtenrechts vor allem Artikel 3 Abs. 3 GG beachtet wird, wonach niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden kann. Deshalb kann wegen einer „rechten Einstellung“ oder bestimmten „rechten Aussagen“ auch keine Verletzung des Achtungsgebots konstruiert werden, was von den Disziplinarbehörden gerne gemacht wird, wenn man den Nachweis der Verletzung der Gewährbietungsklausel nicht erbringen kann. Man kann als Betroffener allerdings nicht sicher sein, daß die Gerichtsbarkeit dieses rechtswidrige Herangehen der Disziplinarbehörden zurückweist, weshalb einem Betroffenen anzuraten ist, eine verfahrensmäßige Lösung anzustreben, wie dies vorliegend erfolgreich herbeigeführt werden konnte. Dazu gibt es Ratschläge im Buch.
Ziemlich verfehlt ist der Hinweis in der Einleitungsverfügung, daß der Betroffene bei seiner Anhörung keine Argumente vorbringen konnte; dies konnte er deshalb nicht, weil keine wirksame „Anhörung“ stattgefunden hatte und auch nicht klar gewesen ist, was eigentlich genau vorgeworfen wurde, da die Äußerungen des Behördenvertreters ziemlich unartikuliert auf Moral ausgerichtet waren. Die eigentlichen Anschuldigungen finden sich in einer polit-ideologischen „Analyse“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die aber dem Betroffenen bei seiner sogenannten „Anhörung“ gar nicht vorgelegen waren. Diese „Anhörung“ hatte den Zweck, ein nach damaliger Rechtslage gebotenes weiteres Vorermittlungsverfahren zu umgehen. Diese bei der sogenannten „Anhörung“ nicht vorgelegene „Analyse“ ist von einem VS-Mitarbeiter erstellt, gegen den der Verfasser dann eine berechtigte Dienstaufsichtsbeschwerde an das Bundesinnenministerium gerichtet hat, siehe hier!
Die in der späteren Anschuldigungsschrift gebrachten Anschuldigungen hatten mit der maßgeblichen Einleitungsverfügung ohnehin nur noch zufällig etwas zu tun, sondern es wurden Ausführungen in der nachgereichten „Analyse“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz verwertet, die aber weder in der Einleitungsverfügung noch in der späteren Anschuldigungsschrift angemessen ins Beamtenrechtliche „übersetzt“ wurden. So wurde dann etwa als Dienstpflichtverletzung vorgeworfen, den Antisemitismus des Nationalsozialismus in die Tradition des sozialistischen Antisemitismus eingeordnet zu haben, wobei der Rassismus eher zusätzliches Element dargestellt habe, was zur Radikalisierung beigetragen habe. Außerdem wurde als dienstpflichtwidrig angeschuldigt, als die größte strukturelle Verwandtschaft des deutschen NS des Dritten Reichs mit den sozialistischen Nationalismen der Unabhängigkeitsbewegungen der dritten Welt ausgemacht zu haben und dergleichen mehr, womit sich das Gericht erkennbar nicht befassen wollte. Eine verfahrensrechtliche Lösung, die der Betroffene von vornherein angestrebt hatte, bot sich da aus noch aus einigen anderen in der Biographie behandelten Gründen an.
In freien Staaten sind Ausführungen, die dem Betroffenen irgendwie vorgeworfen wurden, Gegenstand von Kritik im Meinungsmarkt. In der nur freiheitlichen BRD gibt es dazu, sofern ein Beamter gegeben ist, vor allem Disziplinarverfahren, weil da „Relativierungen“, „Verharmlosungen“, „Delegitimierungen“ vorgenommen werden, die die Verfassungsordnung erschüttern, sich zumindest als angebliche Beeinträchtigung des Mäßigungsgebots und des Achtungsgebots darstellen sollen. Dies wird dann die Grundlage besonderer Demokratieerlebnisse.