Sozialismusbewältigung Teil 9

Teil 9: „Brüder, das Sterben verlacht…“- Gnostischer Mythos als Gemeinsamkeit der Sozialismen

Josef Schüßburner

Als politische Erscheinungsform der (religiösen) Gnosis stellt der Sozialismus eine politische Morallehre (Ethik) ohne Moral und dementsprechend eine Freiheitskonzeption ohne Freiheit dar: Das Gerechte wird sich nämlich ohnehin dem Heilsautomatismus der Gnostiker entsprechend quasi-naturgesetzlich im dialektischen Dreisatz (Urzustand, verdammenswerte Jetztzeit, mehrwerte Rückkehr zum Urzustand) geschichtsnotwendig verwirklichen. Da die Verwirklichung des Gerechten quasi-naturwissenschaftlich garantiert ist, braucht der Sozialist an sich selbst keine allzu großen moralischen Anforderungen stellen, vielmehr beschleunigt gegebenenfalls bewußte oder in Kauf genommene Amoralität (Linksterrorismus) den Untergang der bestehenden ungerechten Gesellschaft, was dann nach der sozialistischen Heilsgewißheit nur zum Sonnenreich führen kann.

Allerdings: „Keineswegs waren alle Sozialisten Totschläger oder unmoralisch. Viele waren ernsthafte Humanisten; meistens waren sie Anhänger des demokratischen Sozialismus. Aber demokratischer Sozialismus stellte sich als Widerspruch in sich heraus; denn wo Sozialisten demokratisch verfuhren, fanden sie sich schnell auf einer Bahn, die sie immer weiter vom Sozialismus wegbrachte“ (so Joshua Muravchik, Heaven on Earth, The Rise and Fall of Socialism, 2002). Aber auch „demokratischen Sozialisten“ kommt selten in den Sinn, zur Verwirklichung ihrer „Sehnsucht Verlangen“ nach „sozialer Gerechtigkeit“ vielleicht selbst Unternehmen zu gründen, wo sie dann die höchsten Löhne und Sozialleistungen mit den höchsten Frauen- und Behindertenquoten vorsehen können. Statt produktiv als Unternehmer mit dem Ziel der Schaffung idealer Arbeitsplätze tätig zu sein, werden sie Politiker, deren wesentliches Machtinstrument ist, mit pseudomoralischen Slogans erfolgreiche Institutionen und Personengruppen Vorschriften zu machen, denen sie selbst nicht entsprechen können: Auch hier wird eine politische Morallehre sichtbar, die an die Prediger der „sozialen Gerechtigkeit“ selbst keine besonderen Anforderungen stellt, aber die Machtunterworfenen durch Erhöhung der Frondienstquote massiv in die Pflicht nimmt. Auch der Erlaß von Antidiskriminierungsgesetzen mit dem Ziel der Diskriminierung von Personen mit falschem Gedankengut und ähnliche Maßnahmen lassen das Fortwirken des gnostischen Mythos mit seinen metaphysisch aufgeladenen Antagonismen erkennen, die eine Demokratie nahelegen, in der alle gleich (demokratisch) denken, wenn nicht gar gleich (multirassisch) aussehen.

Die Frage nach dem Wesen dieser Sozialismen läßt sich anhand der Analyse des gemeinsamen Liedguts zu beantworten. Dazu wird das Lied „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ eingehend untersucht, das auch nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere von der Sozialdemokratie als eine Art Parteihymne gesungen wird, aber auch von deutschen Kommunisten, etwa auf Parteiveranstaltungen der Partei Die Linke (unter der Bezeichnung SED) oder in Militärparaden der DDR-Diktatur, verwendet wurde und welches vor dem Zweiten Weltkrieg auch die Nationalsozialisten mit einer besonderen 4. Strophe übernommen hatten. Die in diesem politischen Lied vorgenommene Aneinanderreihung der Wörter „ewig“, „heilig“ und „letzte“ in Verbindung mit „Sterben“ (das es zu „verlachen“ gilt) und der Aussicht auf einen anderen Zustand von „Sonne“ und „Freiheit“, der durch die „Schlacht“ als „letzte“ irreversibel erreicht wird, deutet darauf hin, daß hier ein religiösen Text vorliegt. Die Fragen, welche der Text des Liedes offen läßt oder mit einer bestimmten Annahme als beantwortet voraussetzt, wie etwa, warum es zur „Sklaverei“ (Jetztzeit) gekommen ist und wieso die „letzte Schlacht“ diese „ewig“ überwindet, reiht das Partei(en)lied in eine metaphysisch-religiöse Tradition ein, die der Gnosis zugeordnet werden muß. Die Freiheit des besungenen Sonnenreichs ist diejenige des als unsterblich imaginierten Kollektivmenschen, der gnostischen Gottheit, welche ihre krankhaften Atome (Individuen nach Marx) und Adern (die einzelnen Völker nach Lassalle) regeneriert. Dieses kollektivistische Weltverständnis und die damit implizierte Verachtung des Individuums, sofern es „kein zweckmäßiges Organ des Gemeinwesens“ (Nietzsche) darstellt, erklären die desaströsen Konsequenzen des Sozialismus im 20. Jahrhunderts.

Hinweis
Der vorliegende Beitrag stellt eine Ergänzung zum Werk des Verfassers dar:

Josef Schüßlburner
Roter, Brauner und Grüner Sozialismus. Bewältigung ideologischer Übergänge von SPD bis NSDAP und darüber hinaus,
2008, Lichtschlag Medien und Werbung KG, 24,80 Euro
ISBN-10: 3939562254, ISBN-13: 978-3939562252
Dieses Buch ist im März 2015 in unveränderter 3. Auflage wieder erschienen und nunmehr auch in einer Kindle-Edition für 6,99 Euro erhältlich. Erhältlich auch hier

“Sozialismusbewältigung Teil 9”

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