Sozialismusbewältigung Teil 7

Teil 7: NS-Fortwirkungen im bundesdeutschen Sozialdemokratismus: Sozialstaatliche Demokratieverformung und Kampf gegen Rechts

Josef Schüßlburner

Die Maßgabe des ersten bundesdeutschen SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher, die gegen die Deutschen gerichtete alliierte und protestantische Kollektivschuldthese durch eine (letztlich „gegen rechts“ gerichtete) „Klassenschuld“ zu ersetzen, hat die SPD vor der Bewältigungsfrage eines Zusammenhangs von Sozialismus und Nationalsozialismus bewahrt und dies, obwohl die Stabilität des NS-Regimes darauf zurückzuführen ist, mit sozialstaatlichen Mitteln bei Aufgreifen des sozialistischen Ideenguts als seine Machtbasis die ehemaligen Wähler von SPD und KPD gewonnen zu haben (was die Informanten der Exil-SPD schon 1935 feststellen mußten). Fünf der SPD-Minister des Kabinetts Kiesinger, also bei der erstmaligen Beteiligung der SPD an einer Bundesregierung, hatten der NSDAP oder entsprechenden Organisationen angehört (zwei maßgebliche Minister, nämlich Brandt und Wehner, sind dem linksextremen Lager zuzuordnen). Als Besonderheit sticht dabei der spätere „Superminister“ Karl Schiller hervor, welcher auf den von Eugen Dühring begründeten „freiheitlichen Sozialismus“ zurückführt. Daran kann aufgezeigt werden, wie schmal sich der Scheideweg zwischen Reformsozialismus und Nationalsozialismus darstellen konnte.

Ein wesentliches Verbindungselement zwischen Nationalsozialismus und bundesdeutschem Sozialdemokratismus, der mentalitätsmäßig und ideologisch über die Sozialdemokratie im engeren Sinne hinauswirkt, besteht im Sozialstaatskonzept, das einst begründet werden mußte, um „den Übertritt der Sozialdemokratie auf den Boden der rechtsstaatlichen Verfassung im Jahr 1919 möglich zu machen“ (Forsthoff). Diese Konzeption sollte eine Antwort auf die sozialistische Kritik an der Menschenrechtskonzeption geben, wonach die Grundrechte auf Seiten der Mächtigen stünden. Dieses Anliegen hat das Bundesverfassungsgericht dann als „Werteordnung“ umgesetzt. Jedoch: „Hätte der Nationalsozialismus 1933 die Grundrechte als Werte vorgefunden, dann hätte er sie nicht abschaffen brauchen.“

Die Möglichkeit der sozialstaatstheoretisch begründeten Umwertung der Grundrechte kann dann auf dasselbe hinauslaufen wie die Ablehnung der Grundrechte, was die Ähnlichkeit der Sozialismus-Varianten noch einmal deutlich macht. Diese, Grundrechte unter „sozialer Gerechtigkeit“ um- und abwertende Sozialstaatskonzeption geht dann mit einer Demokratiekonzeption einher, die es „erlaubt, daß „das Demokratische“ auf alle Lebensgebiete angewandt wird, aber zugleich im Gebiet der politischen Entscheidung eingeschränkt werden kann“ (Schrenck-Notzing). Die dabei vertretene Ablehnung des Mehrheitsprinzips, wie dies von sozialistischen Sekten wie dem (sich anti-demokratisch verstehenden) „Internationalen Sozialistischen Kampfbund“ und (dem zur marxistischen Diktatur als Alternative zur NS-Diktatur bereiten) „Neues Beginnen“ vertreten wurde – deren Personal in der Nachkriegs-SPD eine maßgebende Bedeutung gewinnen konnte bis hin zum letzten Chefideologen der SPD, Willi Eichler, Vater des den Marxismus als Parteiprogramm überwindenden Godesberger Programms – geht wie verwandte antidemokratische Theorien wie überwiegend die des Nationalsozialismus, die sich dabei jedoch auf maßgebliche Demokratiekategorien wie Volkssouveränität stützen, mit einer Feinderklärung einher, welche die Ausschaltung politischer Opposition bezweckt.

Mit dem Bedauern Hitlers, den „Schlag gegen rechts“ unterlassen zu haben, ist das Vermächtnis für den bundesdeutschen Sozialdemokratismus formuliert worden, das als „Kampf gegen rechts“ umgesetzt wird und dabei die wesentliche Fortwirkung der NS-Mentalität im bundesdeutschen Politikbetrieb ausmacht. Derzeit kann dies an der massiven Diskriminierung der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) aufgezeigt werden.

Dieser Totalitarismus der „sozialen Gerechtigkeit“ (Gerächtigkeit) kann nur durch eine umfassende Sozialismusbewältigung überwunden werden.

Hinweis
Im vorliegenden Beitrag sind frühere einschlägige Veröffentlichungen des Verfassers zur Sozialismusbewältigung für die libertäre Zeitschrift eigentümlich frei (ef) verarbeitet; zu nennen sind:

SPD-Superminister Karl Schiller: Adolfs und Willys Wirtschaftspolitik, in: ef-Heft Oktober 2008, S. 46 ff.

Eugen Dühring: Vorläufer Hitlers und Wegbereiter von Godesberg, In: ef-Heft April 2008, S. 47 ff.

Vom Lumpenproletariat zum Prekariat, In: ef-Heft November 2006, S. 16 ff.

Hitlers Volksstaat: Was man bewältigen könnte, In: ef-Heft Mai 2005, S. 38 ff.

Der vorliegende Beitragstellt außerdem eine Ergänzung zum Werk des Verfassers dar:

Josef Schüßlburner
Roter, Brauner und Grüner Sozialismus. Bewältigung ideologischer Übergänge von SPD bis NSDAP und darüber hinaus,
2008, Lichtschlag Medien und Werbung KG, 24,80 Euro
ISBN-10: 3939562254, ISBN-13: 978-3939562252
Dieses Buch ist im März 2015 in unveränderter 3. Auflage wieder erschienen und nunmehr auch in einer Kindle-Edition für 6,99 Euro erhältlich. Erhältlich auch hier

“Sozialismusbewältigung Teil 7”

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