25. Teil: (National-)Sozialismus als gnostischer Irrationalismus
Josef Schüßlburner
(Stand: 3.01.2023) „Ihr (der Kritik, Anm.) Gegenstand ist ihr Feind, den sie nicht widerlegen, sondern vernichten will … Sie gibt sich nicht mehr als Selbstzweck, sondern nur noch als Mittel. Ihr wesentliches Pathos ist die Indignation, ihre wesentliche Arbeit ist die Denunziation.“
Mit diesen Worten aus den als „humanistisch“ eingestuften Frühschriften von Karl Marx wird die Methodik der politischen Linken auf den Punkt gebracht. Es wird hier kein „herrschaftsfreier Dialog“ im Sinne eines bundesdeutschen Großphilosophen angestrebt, sondern es geht um die Beseitigung politischer Opposition, bundesdeutsch gesprochen: um den Kampf gegen rechts als bleibende Hinterlassenschaft des totalitären sozialistischen Anliegens.
Warum muß der Sozialismus die Vernichtung des politischen Gegners anstreben? Nun: Der Ideenkomplex und was mit diesem an Erwartungen und Motivationen verbunden ist, der seit dem 19. Jahrhundert als „Sozialismus“ firmiert, stellt im Kern eine irrationale Ideologie mit starken (pseudo-)religiösen Bezügen dar. Letzteres kommt in der Gewißheit seiner Anhänger über einen zwingenden Geschichtsverlauf zum Ausdruck, die Sozialisten die Selbstlegitimation verschafft, umfassende politische Maßnahmen auch mit gewaltsamen Methoden durchzuführen, um dabei insbesondere Fortschrittshindernisse zu beseitigen. Diese Haltung sollte nicht verwundern, weil der Sozialismus im wesentlichen auf das sogenannte Ketzerchristentum zurückgeht, mit dem Motive der antiken Ideenströmung der Gnosis mit ihrer radikalen Ablehnung des Bestehenden nachwirken und immer wieder zum Vorschein gekommen sind. Die menschenfreundliche kommunistische Substanz des Sozialismus besteht danach im Glauben, daß sich im Laufe der Geschichte mehr oder weniger zwingend, also irgendwie (zwar nicht eigentlich von Gott, aber von Geschichtsgesetzen) vorherbestimmt, ein Zustand ergibt, in dem wegen der umfassenden Interessenidentität aller Menschen vor allem Menschenrechte zur Gewährleistung der Freiheit nicht mehr benötigt würden, vielmehr diese Grundrechte, wie insbesondere das Eigentumsrecht, der „wahren Freiheit“ des Volks dann entgegenstehen.
Im Beitrag wird eine Antwort auf die zentrale Frage gegeben, woher der sozialistische Groß-theoretiker Karl Marx überhaupt weiß, daß ein derartiger Zustand gewollt wird oder gewollt werden müßte, wenn die vorausgesetzten Bedingungen verwirklicht wären, so daß ein von der richtigen Erkenntnis des irgendwie vorgegebenen Geschichtsverlaufs erfaßter sozialistischer Diktator diesen Zustand gewissermaßen vorab im Wege erkenntnistheoretischer Selbstermächtigung, wie insbesondere beim Sowjetgründer Lenin erkennbar, schon einmal gewaltsam herstellen darf. Antwort: Unmittelbar von Moritz Hess (1812-1875), der sich unbestritten als einen der ersten Kommunisten Deutschlands eingestuft hatte und zu gewissen Zeiten als der „Vater der deutschen Sozialdemokratie“ galt, wie seine Freunde in der SPD auf seinem Grabstein auf dem Friedhof zu Deutz / Köln einmeißeln ließen. Dieser „Kommunisten-Rabbi“ (so Arnold Ruge), der seinen Vornamen bewußt in Moses abänderte, wandelte sich später zu einem radikalen jüdisch-nationalistischen Sozialisten, der die Überzeugung zum Ausdruck brachte, daß der „Rassenkampf dem Klassenkampf“ vorgehe, weshalb er die Schaffung eines jüdischen Nationalstaates mit messianischer Verve erstrebte und somit zum anerkannten Vorläufer des Zionismus wurde: „Moses Hess, widely known and respected as one of the first socialists in Germany, subsequently revealed himself as an extreme Jewish racist, whose views about the pure Jewish race published in 1858 were not unlike comparable bilge about pure Aryan race” (Nachweis im Text). Auch dies ein Beleg, daß der letztlich utopische Sozialismus von vornherein mit einem als eher realistisch einzustufenden Nationalsozialismus schwanger ging.
Was jedoch Moses Hess noch explizit als Theologie eingestuft hat, wird bei Marx durch „Immanentisierung“ der Transzendenz pseudowissenschaftlich transformiert: Die umfangreichen Ausführungen, die Marx mit seinem Hauptwerk „Das Kapital“ vornahm, stellen nichts anderes dar als den erkennbar verfehlten Versuch, einem willkürlichen Geschichtsschema, das unverkennbar theologischen Vorläufern folgt und dabei das Versprechen enthält, daß sich das Gerechte seinsgesetzlich schon durchsetzen werde, zur Rechtfertigung revolutionärer Praxis durch Umsturz und auch Krieg einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Auch wenn Marx die irrationalen Bezüge verdrängt, kommen diese im Zuge der sozialistischen Entwicklung immer wieder explizit zum Vorschein. Kern des sozialistischen Irrationalismus ist das Freiheitsproblem, das sich für Marx deshalb stellt, weil der Mensch seine Existenz nicht sich selbst verdankt und deshalb nicht frei sein kann. Setzt man diese Annahme, daß der Mensch jedoch aus sich selbst existiert oder existieren muß, um im sozialistisch-gnostischen Sinne als wirklich freies Wesen angesprochen werden zu können, in Beziehung zu seiner Definition der die Menschenrechte überwindenden „echten Freiheit und echten Gleichheit“ des „Gattungsmenschen“, dann kann damit nur gemeint sein: Als „Gattungsmensch“, also als Kollektivum existiert der „Mensch als solcher“ ja gewissermaßen „ewig“; „der Mensch“ zeugt sich immer wieder selbst, wenn man annimmt, daß jeder so sehr mit allen identisch ist, daß es auf individuelle Akte nicht wirklich ankommt. Dann sind alle Menschen gewissermaßen ein Mensch, der Hypermensch, der dann als solcher frei ist, weil er aus sich heraus existiert. Da der einzelne mit der Gattung und diese mit der (menschlichen) Gesellschaft identisch ist, die damit das Allgemeine und Ewige, also die Transzendenz bezeichnet, lebt dann der Mensch als solcher gewissermaßen ewig, da er nur insoweit zählt, als er mit der Gattung, dieser Inkarnation der (immanenten) Transzendenz, identisch ist.
Diese Konstruktion, die für das sozialistische Anliegen von zentraler Bedeutung ist, kann konzeptionell als wesentliche Ursache der (national-)sozialistischen Menschheitsverbrechen des 20. Jahrhunderts ausgemacht werden. Die mit dieser Konstruktion verbundene Abwertung des Individuums erlaubt dann die Verrechnung von Menschenmassen im Sinne einer beliebigen Austauschbarkeit der Individuen entsprechend den Erfordernissen der politischen Utopie. Es ist dabei nicht davon auszugehen, daß die Sozialisten eine von der geschichtlichen Überlieferung abweichende moralische Konzeption vertraten, sondern diese sozialistische Konzeption lieferte weitreichende Rechtfertigungsgründe, etwa, daß man die Feinde des Menschheitsfortschritts, der doch in der Verwirklichung des impliziten moralisches Postulats zum Ausdruck kommt, bereits weit vorausgehend präventiv bekämpfen müsse. Dies führt in der Regel zu einem moralischen Utilitarismus, wobei allerdings der „Nutzen“ anhand der utopischen Zielsetzung bestimmt wird. So erklärte im Jahr 1919 das Organ der Tscheka, also der berüchtigten sowjetischen Geheimpolizei: „Unser ist ein neuer Moralkodex. Unsere Humanität ist absolut; denn sie gründet sich auf das glorreiche Ideal der Beseitigung von Tyrannei und Unterdrückung. Uns ist alles erlaubt; denn wir sind die Ersten in der Welt, die das Schwert nicht zu Zwecken der Versklavung und Unterdrückung ziehen, sondern im Namen der Freiheit und der Befreiung von Knechtschaft.“ Zwar wird hier ein neuer Moralkodex behauptet, aber die Moral wird dann inhaltlich als gegen Tyrannei und Unterdrückung gerichtete Humanität verstanden und damit als etwas, was vom Grundsatz der etablierten Moral nicht widerspricht. Das maßgebliche Problem ist dann in der Tat die Erkenntnisfrage: Die irrationalen Konstruktionen hinsichtlich des Heils der Menschheit verschaffen dann weitreichende Rechtfertigungsgründe: „Absolute Humanität“ führt dann zu politisch motivierten Massenmorden.
Nun mögen es die politischen Umstände nicht immer erlauben, diesen Irrationalismus voll auszuleben, weshalb Sozialisten ihren rechten Gegnern dankbar sein sollen, wenn diese die Sozialisten daran hindern, mit dem Sozialismus wirklich ernst zu machen. Was jedoch bleibt, ist die diffamierende und dabei letztlich auf Unterdrückung gerichtete Oppositionsbekämpfung, also BRD-konkret: Der Kampf gegen rechts! Dieser ist so zu bewerten wie dies der Philosophen Voegelin hinsichtlich der eingangs zitierten Maxime von Karl Marx zum Ausdruck gebracht hat: „Hier spricht der Mordwille des gnostischen Magiers. Das Realitätsband ist zerrissen; der Mitmensch ist nicht mehr Partner im Sein; die Kritik ist nicht mehr Argument. Das Urteil ist gesprochen; es folgt die Exekution.“ Sozialistische Humanität eben.
Hinweis
Bei dem anschließend veröffentlichten Text handelt es sich um etwa die erste Hälfte des 4. Kapitels mit der Überschrift (National-)Sozialismus als gnostischer Irrationalismus des Werkes des Verfassers:
Josef Schüßlburner, Roter, Brauner und Grüner Sozialismus. Bewältigung ideologischer Übergänge von SPD bis NSDAP und darüber hinaus, 2008 Lichtschlag Medien und Werbung KG
Gegenüber der Buchausgabe ist der Text dahingehend modifiziert, daß er als selbständiges Dokument gelesen werden kann; es ist teilweise nach der Buchveröffentlichung erschienene neue Literatur berücksichtigt und außerdem findet insbesondere durch „Verlinkungen“ eine Einpassung in die vorliegende Serie zur Sozialismus-Bewältigung statt; auch Verlinkungen insbesondere zu Wikipedia für Leser, die sich mit der Materie intensiver beschäftigen wollen, werden – dem Internetzeitalter geschuldet – vorgenommen. Und dies trotz der Problematik, daß gerade die Bereiche, um die es vorliegend geht, insbesondere in der deutschen Ausgabe von Wikipedia häufig eine sehr einseitig linke Sichtweise verbreiten (neutraler ist da in der Regel die englischsprachige Fassung, sofern eine solche zu bestimmten Themenkomplexen überhaupt vorliegt).
Die Redaktion von www.links-enttarnt.de dankt dem Lichtschlag-Buchverlag für seine Zustimmung zur online-Stellung auf dieser Internetseite. Das Buch ist im März 2015 in unveränderter 3. Auflage wiedererschienen und nunmehr auch in einer Kindle-Edition für 6,99 Euro erhältlich. Bei Amazon bestellen