Parteiverbotskritik Teil 24

Parteiverbotskritik Teil 24: Nachwirken der DDR-Diktatur beim „Kampf gegen Rechts“ – Vom Verbot der „Republikaner“ in der Wende-DDR zu den bundesdeutschen Verbotsanträgen gegen die NPD

Josef Schülburner

Als Beginn der Entwicklung, die zu dem beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Parteiverbotsantrag gegen die NPD aus Gründen einer ideologischen „Wesensverwandtschaft“ führen sollte, kann der Beschluß der DDR-Volkskammer zur Wendezeit am 5. Februar 1990 angesehen werden, die damals in der Bundesrepublik maßgebliche Rechtspartei „Die Republikaner“ auf der Grundlage der Ulbrich – / Honecker-Verfassung von 1968 / 74 aus ideologischen Gründen zu verbieten. Dieses Verbot stellt das bislang letzte förmliche Parteiverbot in Deutschland dar. Dieses Verbot verdient deshalb betrachtet zu werden, weil damit aufgezeigt werden kann, daß durchaus noch mehr Parteiverbote als die beiden förmlich vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen für die bundedeutsche Demokratiementalität von prägender Bedeutung sind.

Die „Republikaner“ durften aufgrund dieses linksextremen Verbots, das seinerzeit bei bundesdeutschen Demokraten kaum auf Kritik stieß, dann nicht an den ersten als „frei“ bezeichneten Volkskammerwahlen und den anschließenden DDR-Kommunalwahlen teilnehmen; erst bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen (und den vorgeschalteten Landtagswahlen) konnten sie erstmal bezogen auf die „neuen Bundesländer“ teilnehmen, die dann auch den Charakter als „frei“ verdienen, wenngleich die organisatorische Unzulänglichkeit aus der Verbotsperiode sich sicherlich beeinträchtigend auf die Chancengleichheit ausgewirkt hat.

Mit diesem Verbot der „Republikaner“ kontrastiert, daß gleichzeitig die für die Links-Diktatur DDR verantwortlichen Parteien, die auch für das volksdemokratische Republikaner-Verbot verantwortlich zeichnen, fortbestehen und nunmehr als bundesdeutsche Formationen einen vom Geist des Republikaner-Verbots gezeichneten Parteiverbotsantrag stellen dürfen. Die Verknüpfung zwischen diesem Parteiverbot und dem Verbotsantrag besteht im „Kampf gegen Rechts“, der in einer gesamtdeutschen Weise mit dem volksdemokratischen Volkskammerbeschluß einsetzte und auch schon zur Marginalisierung der Deutschen Sozialen Union (DSU) als christdemokratischer Formation jenseits der Blockparteienexistenz der „DDR“ geführt hat. Daß nunmehr kein bundesdeutsches Verbotsverfahren gegen die „Republikaner“ läuft, sondern gegen die NPD, ist darauf zurückzuführen, daß erstere aufgrund der massiven Anwendung des Parteiverbotsersatzsystems ab 1992 hinreichend marginalisiert wurden, so daß ein Verbot völlig überflüssig wäre, wenngleich der beim ersten NPD-Verbotsantrag maßgebliche Verbotspolitiker Beckstein (CSU) nach einem erfolgreichen Verfahren, dem nach Ansicht der Sperrminorität des Verfassungsgerichts die (für eine liberale Demokratie des Westens typische?) Geheimdienstunterwanderung der zu verbietenden Partei entgegenstand, auch Verbotsanträge gegen die „Republikaner“ und weitere Formationen einleiten wollte, d.h. ein Verbotsverfahren gegen eine sog. Rechtspartei bezweckt von vornherein bewußt einen Kollateralschaden am Mehrparteiensystem, so daß es auch völlig egal ist, gegen welche dieser Parteien dann ein Verbotsverfahren eröffnet wird. Nach Ansicht eines Glogowski (SPD), sicherlich ein Menschenwürdeexperte, liefe der Versuch, die Unterschiede zwischen den „rechtsextremistischen Organisationen“ (was immer dies sein soll) feststellen zu wollen, darauf hinaus, „Scheiße nach Geruch zu sortieren.“ Damit ist ausgesagt, daß es nach Ansicht bundesdeutscher Demokraten auf die konkrete Scheiße wirklich nicht ankommen kann, sondern unerwünschte Opposition von rechts als solche Scheiße ist.

Die politische Linke versucht mit dem „Kampf gegen rechts“ einen wesentlichen Daseinszweck der von ihr zu verantwortenden DDR-Diktatur zu retten, nämlich den Erfolg, die Wiederkehr des „Faschismus“ bei einem als faschismusanfällig angesehenen Volk mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl gegen rechts verhindert zu haben (wofür etwa der 17. Juni steht). Dieser „Erfolg“ sollte mit der ihr an sich unerwünschten Wiedervereinigung in die „Bundesrepublik“ „eingebracht“ werden. Dabei haben auch die durch den Ost-West-Konflikt getrennten Traditionsstränge, die auf die Besatzungszeit zurückgehen, wieder zusammengefunden: Es sollte nicht verkannt werden, daß die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), auch wenn sie gewissermaßen regelwidrig (und deshalb mit erheblichen Vorbehalten) vom Bundesverfassungsgericht verboten werden sollte, maßgeblich der besonderen bundesdeutschen Parteiverbotskonzeption vorgearbeitet hatte (und deshalb gegenüber dem Grundgesetz immer eine positive Einstellung zeigte). Sowohl die DDR-Diktatur als auch die besondere bundesdeutsche Demokratiekonzeption haben einen gemeinsamen Ausgangspunkt: Die Ausschaltung des rechten politischen Spektrums und damit des eine normale Demokratie kennzeichnenden Links-Rechts-Antagonismus, durch eine Links-Diktatur (DDR) einerseits und eine mit Verboten einhergehenden Mitte-Ausrichtung (BRD) andererseits (da es der Ost-West-Konflikt erlaubte, den Antifaschismus als Antitotalitarismus vorübergehend auch gegen links zu richten).

Die Tatsache, daß sich die maßgebliche Diktaturpartei der DDR, die aus der KPD und dem Grotewohl-Flügel der SPD hervorgegangene SED, sich nunmehr als „Die Linke“ bezeichnet, zeigt auf, daß diese rechtlich mit der DDR-Diktatur-Partei identische bundesdeutsche Partei vom Rechts-(Mitte)-Links-Schema der politischen Lager ausgeht. Wenn sie gleichzeitig ihren wesentlichen Daseinszweck im „Kampf gegen Rechts“ sieht, den sie durch ideologische Verbote und Grundrechtsverhinderungsaktivitäten umsetzen will, dann macht sie dabei auch deutlich, daß sie möglicherweise nicht bewußt, aber der Logik des Links-Rechts-Antagonismus bzw. seiner Abschaffung folgend, eine „DDR-light“ anstrebt. Mit Hilfe der dieser „Linken“ zunehmend zugeneigten (linken) Mitte wird dies zu einer bundesdeutschen Realverfassung führen, die sich eher mit dem Kategorien der antifaschistischen DDR-Verfassung von 1949 beschreiben läßt, einer sehr klug konzipierten linken Version des zuvor verkündeten Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Schon jetzt läßt sich deshalb „zuviel DDR in Deutschland“ (Westerwelle) erkennen.

Der Entwicklung zu einer DDR-light und damit zu einer exklusiven Verbotsdemokratie als Erscheinungsform einer defekten Demokratie kann verhindert werden durch die Erkenntnis, daß mit dem Schutzgut des (möglichen) Parteiverbots, nämlich der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ eine Abgrenzung zur linksgerichteten DDR-Demokratie vorgenommen werden sollte: Ein Parteiverbot, sollte Artikel 21 (2) GG überhaupt eines solches enthalten, kann dann nur die Wirkung haben, den eine freie Demokratie darstellenden Links-Rechts-Antagonismus zu schützen und damit kann ein Parteiverbot nicht gegen das Mehrparteienprinzip und den Meinungspluralismus gerichtet sein. Ein amtlicher Kampf gegen rechts ist deshalb verfassungswidrig. Diese rechtliche Erkenntnis führt zwingend zu einer notstandsrechtlichen Betrachtung des Parteiverbots, welche Artikel 21 (2) GG in den Kontext der anderen Grundgesetzvorschriften stellt, die als Nachfolgevorschriften von Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung (befristete Diktaturgewalt des Reichspräsidenten) angesehen werden können, nämlich die Artikel 91, 87a, 87 (1) 73 Nr. 10 des Grundgesetzes: Dann ergibt sich, daß ein Parteiverbot nur bei Vorliegen einer realen Notstandsgefahr mit befristeter Wirkung ausgesprochen werden kann. Mit dieser notstandsrechtlichen Verbotskonzeption würde, falls vom Bundesverfassungsgericht als zutreffend erkannt, allerdings auch das gesamte Verbotsersatzsystem abgeschafft werden müssen, welches zugunsten der etablierten Parteien die allgemeine politische Freiheit in der Bundesrepublik Deutschland bedroht. Verfassungsschutzberichte mit negativen Wahlempfehlungen aus ideologie-politischen Gründen wird es dann nicht mehr geben dürfen. Disziplinarverfahren im öffentlichen Dienst wegen falscher Parteizugehörigkeit oder gar nur wegen unpassender Ansichten sind dann rechtswidrig. Bei einer derartigen Verbotskonzeption würde das „zuviel DDR“ (Westerwelle), das in Deutschland festzustellen ist, endgültig überwunden werden und die „Weiterentwicklung der Demokratie“ (KP-Formel zur Vereinigungsfreiheit) über den „Kampf gegen Rechts“ (Antifaschismus) zu einer Volksdemokratie (DDR-light) wäre dann abgewendet. Das Verbot der Republikaner in der Wende-DDR mit dem beabsichtigen Kollateralschaden am politischen Pluralismus würde dann endgültig und nachdrücklich zurückgenommen. Kann dies erwartet werden?

Hinweis
Die vorliegende Abhandlung stellt eine Ergänzung zur folgenden Veröffentlichung des Verfassers dar:

Josef Schüßlburner
Konsensdemokratie. Die Kosten der politischen Mitte
2010, Verlag Edition Antaios (Gebundene Ausgabe), 8,50 Euro
ISBN: 978-3-935063-94-4, erhältlich auch hier

Eine freie Demokratie ist nur bei Akzeptanz des Links-Rechts-Antagonismus zu verwirklichen. Ein „Kampf gegen rechts“, der diesen Antagonismus etwa durch eine auf einen Kollateralschaden am politischen Pluralismus ausgerichtete Parteiverbotskonzeption beseitigen will, strebt letztlich eine „DDR“ an. Schon heute ist aufgrund des „Kampfes gegen rechts“ „ein zuviel an DDR in Deutschland“ (Westerwelle) festzustellen.

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