Kritik des Parteiverbotssurrogats Teil 4

Teil 4: Weltanschaulich-politische Diskriminierung im öffentlichen Dienst

Josef Schüßlburner

(Neufassung vom 10.02.2021) Wesentliches Mittel, die Verbotsankündigung gegen die Oppositionspartei Alternative für Deutschland (AfD) in Form des Verbotsersatzregimes (Verbotssurrogat) umzusetzen, ist das disziplinarrechtliche Vorgehen gegen beamtete und andere Mitglieder im öffentlichen Dienst, die dieser Partei angehören. Bei dem Bemühen, die aufgrund freier Wahl zur Hauptoppositionspartei gewählten Partei „in den Verfassungsschutzbericht zu bringen“, was nach denselben Kriterien geschieht, die auch eine geheimdienstliche Überwachung einer Oppositionspartei in der BRD (und nicht etwa in Rußland) zur Voraussetzung haben, geht es wohl in der Tat hauptsächlich darum, mit disziplinarrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen wegen rechtmäßig geäußerter „falscher“ politischer Auffassungen gegen Mitglieder der Oppositionspartei vorgehen zu können.

Dies wird dann vollzogen, indem die rechtlich eigentlich für „unverbindlich“ erklärten sogenannten „Verfassungsschutzberichte“ sich plötzlich doch in verbindliche Verwaltungsakte verwandeln, nämlich in Form der Einleitung von Disziplinarverfahren im öffentlichen Dienst wegen legaler Aktivitäten für eine amtlich als unerwünscht angesehene Oppositionspartei.  

An dieser Art von politischer Verfolgung, die natürlich keine ist, weil es so etwas in einem Rechtstaat nicht gibt, wird im Falle der AfD mindestens seit dem Jahr 2016 hingearbeitet, wie sich einem Bericht des Volksaufklärungsblattes „Bild“ von jenem Jahr mit der Überschrift „Kölner AfD-Chef arbeitet bei Geheimdienst“ entnehmen läßt, wo es heißt: „Bei der Behörde sieht man in der Tätigkeit von AfD-Mann Hendrik Rottmann kein Problem, weil die AfD weder verboten ist, noch vom Verfassungsschutz beobachtet wird.“ Daraus war schon abzuleiten: Würde die AfD entsprechend einer damals schon erhobenen Forderung bundesdeutscher (international-)sozialistischer Politiker vom „Verfassungsschutz“ tatsächlich „beobachtet“ werden, was man im Zweifel nur aufgrund eines entsprechenden „Verfassungsschutzberichts“ mitgeteilt bekommt, wäre dies natürlich für die Behörde schon „ein Problem“. Bis dahin tut man sich schwer mit Disziplinarstrafen, wie „Der Spiegel“ hinsichtlich der AfD-Mitglieder bei der Bundeswehr ebenfalls schon 2016 bedauert hatte.

Die Aneinanderreihung im Aufklärungsblatt von „weder verboten“ und „noch vom Verfassungsschutz beobachtet“ macht auch deutlich, daß es in der Tat bei der disziplinarrechtlichen Umsetzung der (angeblich) „unverbindlichen“ sogenannten „Verfassungsschutzberichte“ um ein Parteiverbotsersatzsystem (Parteiverbotssurrogat) geht, weil „(geheimdienstlich) beobachtet“ und „verboten“ gleichgesetzt werden. Der Legalitätsstatus einer legal agierenden Partei, deren maßgebliche Mitglieder aus letztlich ideologischen Gründen (anders ist dies kaum machbar) massiven dienstrechtlichen Sanktionen (Dienstentlassung, Degradierung, Zwangsversetzung, Ende der Karriere und dergl.) ausgesetzt sind, für Aktivitäten, die wenn sie für etablierte Parteien vorgenommen würden, eher zu Beförderungen und Auszeichnungen führten, ist damit erkennbar vermindert. Außerdem wird dadurch die Sperrwirkung der wahlrechtlichen Aussperrklausel ins Unüberwindliche erhöht, weil es durch das Parteiverbotssurrogat Parteien, deren beamtete Mitglieder man offen diskriminiert, kaum möglich ist, respektable Kandidaten für Wahlämter zu präsentieren.

Durch diesen Eingriff auch in die Freiheit der Wahlprozesses erhofft man sich, daß die Wähler die Partei durch Nichtwahl unter die 5%-Toleranzhürde des Wahlrechts bringend ausschalten, damit es demokratisch aussieht und eine Partei nicht offen wie bei einem förmlichen Verbot gegen den Willen maßgeblicher Wähler als Korrektur des freien Wahlvorgangs ausgeschaltet wird.

Der Beitrag zeigt die Abkehr des Bundesverfassungsgerichts von der Legalitätswirkung eines nicht ausgesprochenen Parteiverbots hinsichtlich des Dienstrechts in der „Radikalenentscheidung“ auf, mit welcher der sog. „Radikalenerlaß“ verfassungsgerichtlich abgesegnet wurde. Die daraus abgeleitete Praxis, die dann durch die Vogt-Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs korrigiert werden mußte, führt zu ziemlich paradoxen Ergebnissen, die für einen (möglichen) betroffenen Oppositionsanhänger (um Mitglieder von Regierungsparteien geht es so gut wie nie) die Sache riskant und unberechenbar machen. Danach wird zwar zugestanden, daß man eine bestimmte Meinung „haben“ darf und auch kundtun darf, daß man sie hat, aber darf dann nur bestimmte minimale Aktivitäten entfalten: Bloße Mitgliedschaft bei einer unerwünschten Partei ist in der Regel ungefährlich, sofern man nicht selbst so garstige Worte wie „Umvolkung“ verwendet, weil dies „verfassungsfeindlich“ sein soll. Sofern keine negativen gerichtlichen Erkenntnisse gegen die Partei vorliegen, darf man sogar zum Bundestag kandidieren, was zur Konsequenz hat, daß man einer betroffenen Partei davon abraten muß, gegen Geheimdienstüberwachung oder Auflistung im VS-Bericht zu klagen, weil dies bei negativen Ausgang (den man wegen der ideologie-politischen Irrationalität des ideologie-politisch ausgerichteten VS-Regimes nicht ausschließen sollte), dazu führt, daß verfassungstreue Beamte nicht mehr für den Bundestag kandidieren dürfen, weil sie sonst als „Verfassungsfeinde“ überführt sind. Sie identifizieren sich dann nämlich mit den als „verfassungsfeindlich“ identifizierten Zielen der Partei. Wenn sie dann doch als noch verfassungstreu angesehen werden wollen, haben sie dann sog. „Verfassungsfeinden“ die maßgeblichen Ämter zu überlassen und können zum Nachweis der Verfassungstreue nur mehr Parteispaltung betreiben oder besser (und sicherer) aus der Partei austreten. Und dies erkennt die Rechtsprechung nicht als Verbotsersatzregime an!     

Es wird im Beitrag dargestellt, daß die sog. Gewährbietungsklausel doch etwas anders verstanden werden könnte, wenn man bei Verpflichtung auf einen westlichen Demokratiestandard dies nur wollte, als in der bundesdeutschen Rechtspraxis unfreiheitlich praktiziert. Dann ist die sicherlich von einem Beamten zu erwartende Verfassungstreue als sich auch auf die Verfassung bezogene Gesetzestreue aufzufassen, die insbesondere dann gegeben ist, wenn ein Beamter die Gewähr dafür bietet, den Mut zur Ausübung des Remonstrationsrechtes (Hinweis auf die Rechtswidrigkeit geplanter Behörden- und Regierungsentscheidung) aufzubringen. Dieses Verständnis gewährleistet entsprechend der Rechtsstaatskonzeption eine weltanschaulich neutrale Handhabung des Beamtenrechts. Eine über die Gewährleistung der Rechtmäßigkeit von Behörden- und Regierungshandeln hinausgehende Treue ist entsprechend dem Diensteid dem Deutschen Volk geschuldet und nicht einer staatlichen Verfassungsreligion, die verkennt, daß die Verfassung selbstverständlich im dafür vorgesehenen Verfahren ganz weltlich geändert werden kann und wofür sich ein Beamter selbstverständlich aussprechen können muß, schon weil dies von der Volkssouveränität als Recht zur Verfassungsgebung durch das Volk so vorgesehen ist, zu dem auch der Beamte gehört. Beim Kampf ums Recht, der hier von einem Betroffenen zu führen ist, geht es durchaus um die Änderung der Rechtsprechung im Sinne der liberalen Demokratie des Westens. Anzustreben ist der Freiheitsgrad wie er unter der Weimarer Reichsverfassung bestanden hat. Als Präzedenzentscheidung hierfür ist die Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts anzuführen, das den Grundsatz aufgestellt hat, daß der Beamte mit dem Treueid auf die Verfassung nur schwöre, den Inhalt der Verfassung gewissenhaft zu beobachten und zu erfüllen … und sich unbeschadet seiner inneren Überzeugung aller Handlungen zu enthalten, die geeignet sind, den durch die Verfassung von 1919 (nunmehr: 1949) geschaffenen Zustand zu beeinträchtigen. Eine andere Auffassung wäre mit den Artikeln 118 Abs. 1 und 130 Abs. 2 WRV (nunmehr: Artikel 5 und 33 GG, Anm.) nicht zu vereinbaren, welche dem Beamten das Recht freier politischer Gesinnung und Betätigung garantierte. Diese Rechtsprechung wurde so verstanden und in der Praxis umgesetzt, daß ein Beamter bei loyaler Pflichterfüllung und gewissenhafter „Beobachtung“ (Einhaltung) der Verfassung in seinem amtlichen Wirken, ihr privat gleichgültig oder sogar ablehnend gegenüberstehen kann und dies auch außerhalb des Dienstes durch sein Verhalten (gemeint: legale Parteiaktivitäten, Meinungsäußerungen) kundgeben darf.

Dabei ist für bundesdeutsche Verhältnisse noch hervorzuheben, daß es bei den betroffenen Beamten und anderen Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes überwiegend gar nicht um die Ablehnung von Grundgesetzvorschriften geht, sondern den Diskriminierten disziplinarrechtlich der sog. „ungeschriebene Teil des Grundgesetzes“ bzw. auf die alliierten Interessen zurückgehende Überverfassung vorgeworfen wird, welcher in der Berichterstattung der Polizeiministerien („Verfassungsschutzschutzbericht“) als „Werte“ (wie Antinationalismus, Europairreversibilität, geschichtlicher Antirevisionismus und  dergleichen) die maßgebliche Rolle spielen.   

Politisch ist beginnend mit einer liberalen Parteiverbotskonzeption die Änderung des gesamten Staatsschutzrechts anzustreben. Teil dieser Änderung ist auch der Übergang zu einem mit der weltanschaulichen Neutralität des Rechtsstaats vereinbaren Verständnis der sog. Gewährbietungsklausel des Beamtenrechts.

Hinweis
Wegen der notwendigen positiven Auswirkungen auf das Dienstrecht bei einer rechtsstaatlich-demokratischen Reform des Staatsschutzrechts, stellt der vorliegende Beitrag (überarbeiteter Auszug aus dem Opus Magnum des Verfassers: Demokratie-Sonderweg Bundesrepublik) auch eine Ergänzung zur jüngsten Broschüre des Verfassers dar:

Josef Schüßlburner
Scheitert die AfD? Die Illusion der Freiheitlichkeit und die politische Alternative
Studie 39 des IfS, Verein für Staatspolitik e. V., 2020, Broschur, 239 Seiten, 7 Euro
Erhältlich beim Verlag Antaios

“Teil 4: Weltanschaulich-politische Diskriminierung im öffentlichen Dienst”

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