Kritik des Parteiverbotssurrogats Teil 29

Teil 29: Verfassungsfeindliche Radikalisierung der bundesdeutschen „Werteordnung“ 

Josef Schüßlburner

(06.07.2021) Die bundesdeutsche Parteiverbotskonzeption und das daraus abgeleitete VS-Regime beruht auf der nachhaltigsten Negation des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips, nämlich in der Umformulierung von Grundrechten in „Werte“, was die Freiheitsordnung der Grundrechte in eine staatliche Pflichtenordnung der Werte umwertet. Die Verfassung wird dabei zu einem geschlossenen Moralsystem, das verpflichtende Antworten auf alle möglichen Fragen vorgibt, wobei allerdings eine letztlich von politischen Machtinteressen determinierte Beliebigkeit dieser staatlich vorgegebenen „Werte“ zu konstatieren ist. Mit Hilfe der Wertemethodik könnte man selbst so etwas wie ein NS-Regime begründen: „Hätte der Nationalsozialismus 1933 die Grundrechte als Werte vorgefunden, dann hätte er sie nicht abzuschaffen brauchen“ (so Forsthoff, Nachweis im Text). Belegt werden kann dies damit, daß Kategorien des NS-Rechts wie die Verwandlung des Tatstrafrechts des sog. Obrigkeitsstaats in ein Täterstrafrecht oder die ideologische Vereinnahmung der Beamtenschaft durch eine das Gesetzmäßigkeitsprinzips überschreitende Gewährbietungsklausel für die BRD-Werteordnung eine Bedeutung haben.

Die Machtlage, in der die Bundesrepublik Deutschland eingebettet war und ist, gebietet allerdings eine Werteordnung, die in Richtung dessen geht, was als „Linksextremismus“ ausgemacht und dem selbstverständlich „Verfassungsfeindlichkeit“ vorgeworfen werden kann: „Verfassungsfeindlichkeit“ ist dabei ohnehin eine Machtfrage. Als „verfassungsfeindlich“ könnte man der von Inlandsgeheimdiensten gegen die politische Rechtsopposition praktizierten Werteordnung in Form einer ideologischen Gegenrechnung stichwortartig etwa folgendes vorwerfen:    

Gegnerschaft zur rechtsstaatlichen Herrschaftsordnung durch Propagieren einer ideologiestaatlichen Herrschaftslegitimation wie Etablieren der „Vergangenheitsbewältigung“ als dogmatische Zivilreligion der „Bundesrepublik“ und darauf basierender ideologische Diskriminierungsmaßnahmen, etwa durch amtliche Verwendung des ideologischen Extremismus-Begriffs im Kampf gegen gegnerische politische Strömungen; das Umfunktionieren von Grundrechten zum Herrschaftsinstrument durch Mutation der Grundrechte von Abwehrrechten des Bürgers in staatliche Kompetenznormen, etwa zur Strafverfolgung zum Zwecke der Durchsetzung einer staatlichen Werteordnung der „Bewältigung“ als Daseinszweck der BRD. Kennzeichnend für diese geheimdienstlich-antifaschistisch propagierte „Werteordnung“ ist die Gegnerschaft zum Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes und zur Volkssouveränität, indem etwa die Volkssouveränität durch eine Verfassungssouveränität ersetzt wird und die beamtenrechtliche Treueverpflichtung gegenüber dem deutschen Volk durch die Verpflichtung auf eine das Gesetzmäßigkeitsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) überschreitende ideologisierte sog. Verfassungstreue. Es wird durch die Werteordnung nachhaltig der demokratische Nationalstaat delegitimiert und darauf basierend etwa ein Ausländerwahlrecht propagiert und im Wege der Politik der vollendeten Tatsachen ein künstlicher Multikulturalismus errichtet, womit künftige Interventionsmöglichkeiten des Auslandes geschaffen werden. Dies geht einher mit einer unverkennbaren Deutschfeindlichkeit, da das amtlich als „verhetzbar“ eingestufte (§ 130 StGB) deutsche Volk auf eine Zwangsbewältigungsgemeinschaft reduziert wird. Es wird ein „umgekehrter Rassismus“ propagiert, der das Subjekt der Volksherrschaft in Deutschland niederhalten soll.

Da der – immerhin von der Gerichtsbarkeit noch nicht in allen Aspekten abgesegneten – Wertekonzeption der Inlandsgeheimdienste unverkennbar eine Radikalisierungstendenz innewohnt, ist der Machtlogik entsprechend eine Annäherung an ein kommunistisches Grundgesetzverständnis zu erwarten, das in der DDR-Verfassung von 1949 einen erhellenden Ausdruck gefunden hat: Insbesondere der Gleichheitsaspekt der Grundrechte wird dabei in eine staatliche Kompetenznorm zur Durchsetzung von Gleichheit im Bürger-Bürger-Verhältnis umgewertet, insbesondere soll den Bürgern verboten werden, „Demokraten“ zu „diskriminieren“, was die Einheitsliste von Demokraten nahelegt, was dann in der BRD zumindest in Form eines Kartellparteiensystems umgesetzt werden kann, das genuine Opposition unter „Extremismus“ ausschaltet.

Methodisch geht dies einher mit der Argumentationsmethodik des Sozialstaatskonzepts, „das einst kreiert werden mußte, um den Übertritt der Sozialdemokratie auf den Boden der rechtsstaatlichen Verfassung im Jahr 1919 möglich“  zu machen (so Forsthoff, Nachweis im Text) und dabei eine Antwort auf die sozialistischen Kritik an den Grundrechten geben sollte, wonach nämlich diese Grundrechte nicht auf der Seite der Machtunterworfenen, sondern auf der Seite der Machthaber stünden. So wie dieses Sozialstaatsprinzip verfassungsrechtlich die staatliche Umverteilung, ja Verstaatlichung von Vermögenswerten gebietet, so besteht auch die „Werteordnung“ in einer Umverteilung von Grundrechtssubstanzen einschließlich der „Verstaatlichung“ von Grundrechten zu staatlichen Kompetenznormen. Durch das Werteverständnis werden dann Grundrechte tendenziell ihres Charakters als negative Staatskompetenzen entkleidet und durch Unterminierung des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips in Bindungsnormen umgedeutet, die sogar für das Denken des Bürgers verpflichtend werden: Dies kann dann bei einem sicherlich andersgearteten staatlichen Glaubensbekenntnis in der Sache auf dasselbe hinauslaufen wie die offene Abschaffung der Grundrechte, was sich dann in der BRD als ideologie-politisch begründetes Parteiverbot und Parteiverbotsersatzregime konkretisiert. Diese Art von Grundrechtskonzeption hat es dem Kommunismus, der die Grundrechte auf Marx und Engels zurückgehend, in einer ähnlichen Weise wie der Nationalsozialismus (zumindest für die Zeit des Sozialismus) hatte ablehnen müssen, die Akzeptanz der Grundrechte als Idee oder als „Wert“ ermöglicht, so wie er dadurch, den Strang der „totalitarian democracy“ aufnehmend, den einst gegen die Demokratie konzipierten Kommunismus als „wahre“ Demokratie, als „Volksdemokratie“ ausgeben konnte,  die werteordnungsgemäß die „Feinde der Demokratie“, also die politische Rechte, bekämpft, ja in dieser Bekämpfung von derartigen Feinden den eigentlichen Daseinszweck des Staates erkennt.

Will man diese Art von innerstaatlicher Feindbestimmung überwinden, wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als endlich den weltanschaulich neutralen Rechtsstaat zu verwirklichen. Dies bedeutet, daß „Verfassungsfeind“ nur derjenige sein kann, welcher aus politisch motivierten Gründen strafrechtliche Bestimmung verletzt oder dies nachweisbar beabsichtigt. Selbstverständlich müssen dabei die strafrechtlichen Bestimmungen die absoluten Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG beachten. Die Alternative zum Rechtsstaat ist dann in der Tat die Radikalisierung des Streitbarkeitsprinzips zu einer Demokratiereligion, die entgegenstehende Weltanschauung amtlich bekämpfen muß.

Hinweis der Reaktion
Dieser Beitrag zur bundesdeutschen Ideologiestaatlichkeit vertieft einen Aspekt der grundlegenden Kritik am bundesdeutschen „Verfassungsschutz“, die der Verfasser mit seiner Veröffentlichung »Verfassungsschutz«: Der Extremismus der politischen Mitte vorgelegt hat.

Josef Schüßlburner/Institut für Staatspolitik
»Verfassungsschutz«: Der Extremismus der politischen Mitte
Wissenschaftliche Reihe; 30 [Arbeitsgruppe 1: Staat und Gesellschaft]
62 Seiten, ermäßigt 5 Euro, ISBN: 978-3-939869-30-6, erhältlich hier

Verfassungsfeindliche Radikalisierung der bundesdeutschen „Werteordnung“

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