Gesichtspunkte eines gerichtlichen Vorgehens gegen den sog. „Verfassungsschutz“ im Falle der AfD

Gesichtspunkte eines gerichtlichen Vorgehens gegen den sog. „Verfassungsschutz“ im Falle der AfD – erstellt aufgrund der Veröffentlichungen „Verfassungsschutz“. Der Extremismus der politischen Mitte, 2016, und Scheitert die AfD? Die Illusion der Freiheitlichkeit und die politische Alternative, 2020

Josef Schüßlburner

(06.07.2021) Nachdem der Verfasser bereits ein Thesenpapier zu einer der AfD empfohlenen politischen VS-Strategie erstellt hat, die auch von der Beschreitung des Rechtswegs ausgeht, sollen nunmehr die zentralen Gesichtspunkte genannt werden, die man versuchen sollte, bei einem gerichtlichen Vorgehen durchzusetzen.

Eine politisch erfolgreiche Prozeßstrategie, die politisch selbst dann geboten ist, wenn sie gerichtlich keinen (vollständigen) Erfolg haben sollte, hat die Erkenntnis zur Voraussetzung, daß das bundesdeutsche Verfassungsschutzsystem mit seinem Schutz einer staatlichen (und damit notwendigerweise herrschaftsideologischen) Werteordnung, gegen das sich die Prozesse auf unterschiedlicher Ebene zu richten haben, auf der nachhaltigsten Negation des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips beruht, nämlich in der Umformulierung von Grundrechten in „Werte“. Dies ist zentral gegen die weltanschauliche Neutralität des Rechtsstaats als Grundlage des Meinungs- und Parteienpluralismus gerichtet.

Damit wird die Freiheitsordnung der Grundrechte in eine staatliche Pflichtenordnung der Werte umwertet (so wie diese auch im angeführten Vorstandsbeschluß der betroffenen Partei ziemlich unreflektiert rezipiert ist). Die Verfassung wird dabei zu einem geschlossenen Moralsystem, das verpflichtende Antworten auf alle möglichen Fragen vorgibt, wobei allerdings eine letztlich von politischen Machtinteressen determinierte Beliebigkeit dieser staatlich vorgegebenen „Werte“ zu konstatieren ist, die im Widerspruch zur Berechenbarkeit eines Rechtsstaats steht: „Hätte der Nationalsozialismus 1933 die Grundrechte als Werte vorgefunden, dann hätte er sie nicht abzuschaffen brauchen“ (so Ernst Forsthoff, Nachweis im Text).

Dementsprechend sollte die Stoßrichtung der gerichtlichen Auseinandersetzung dahin gehen, daß ausgehend von der Erkenntnis, daß mit dem „Verfassungsschutz“ ein Parteiverbotssurrogat errichtet worden ist, das es verfassungsrechtlich nicht geben dürfte, weil damit die Legalitätswirkung unterlaufen wird, die der Monopolisierung des Parteiverbots beim Bundesverfassungsgericht zugeschrieben wird, die Pflichtenordnung der Werte wieder durch die Freiheitsordnung der Grundrechte ersetzt wird. Rechtmäßige Meinungsäußerungen können grundsätzlich nicht Gegenstand des als „Verfassungsschutz“ fehlbezeichneten Staatsschutzes sein! Die staatliche Bekämpfung von Ideen, politischen Konzeptionen und geistesgeschichtlichen Bezugnahmen ist gegen die weltanschauliche Neutralität des Rechtsstaats gerichtet, die auch bei der Herausgabe von sog. „Verfassungsschutzberichten“ zu beachten ist. Verfassungsschutzberichte der eingebürgerten Machart stellen eine staatliche Ideenbewertung dar, was üblicherweise als Zensur bezeichnet wird.

Dabei gilt es zu erkennen, daß die nach dem Grundgesetz verbotene Zensur sich auch auf die sog. Nachzensur bezieht, wie dies auch im Parlamentarischen Rat zum Ausdruck gebracht worden war und durch die Erkenntnis bestätigt wird, daß totalitäre Regimes des 20. Jahrhunderts weitgehend ohne die gewissermaßen klassische Vorzensur ausgekommen sind, sondern vielmehr die Androhung nachträglicher Sanktionen bei geäußerten Meinungen das maßgebliche Instrument von Ideenunterdrückung und staatlicher Meinungslenkung dargestellt hat.

Verfassungsschutzberichte sind auch schon deshalb rechtswidrig, weil sie sich einer gesetzlich nicht vorgesehenen Begrifflichkeit wie „Rechtsextremismus“ bedienen, dessen rechtsstaatliche Unbrauchbarkeit schon das Verfassungsgericht erkannt hat. Diese Ideologiebegrifflichkeit macht auch deutlich, daß es sich bei der VS-Frage um keine Rechtsfrage, sondern um eine verfolgungspolitische Frage handelt, was die VS-Sache nicht nur verfassungsfeindlich, sondern verfassungswidrig macht.

Es wird weitgehend eine sehr formale Argumentation empfohlen wie etwa auch Rechtswidrigkeit der VS-Berichte wegen Verletzung eines als notwendig zu postulierenden Anhörungsrechts betroffener Organisationen. Ideologische Kleinkriege wie etwa die Frage, ob der Begriff „Umvolkung“ wirklich verfassungsfeindlich ist, sollte allenfalls als Hilfsargumentation eingeführt werden, weil das Hauptargument sein sollte, daß es darauf ohnehin nicht ankommen kann, weil rechtmäßig bei Ausübung der Meinungsfreiheit verwandte Begriffe in einem Rechtsstaat die Staatssicherheit nicht zu interessieren haben.

Schließlich ist die Unvermeidbarkeit einer zumindest begleitenden politischen Alternativkonzeption zu betonen, deren Propagierung auch den Zweck hat, eventuelle negative Gerichtsentscheidung in der politischen Wirkung zu neutralisieren.

Ausgangspunkt einer derartigen Prozeßstrategie mit begleitender politischer Alternativstrategie könnte ein neuer Vorstandsbeschluß zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung sein, der vielleicht wie folgt lautet:

„Die Partei bekennt sich unzweideutig zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Zu den Grundsätzen dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören vor allem Rechtsstaat, Meinungsfreiheit und Mehrparteienprinzip. Diese Grundsätze / Grundwerte sind in der Bundesrepublik Deutschland vor allem durch den „Verfassungsschutz“ gefährdet, welcher im Widerspruch zur weltanschaulichen Neutralität des Rechtsstaats rechtmäßig geäußerte politische Meinungsäußerungen von Oppositionsparteien (nicht aber von sog. Regierungsparteien!) unter dem rechtswidrigen Begriff des „Rechtsextremismus“ bekämpft und damit gegen das Mehrparteienprinzip und die für eine freie Demokratie unbedingt gebotene Chancengleichheit aller Parteien, insbesondere von Oppositionsparteien, verfassungswidrig agitiert. Die von derartigen verfassungsfeindlichen Maßnahmen betroffene Partei wird sich mit allen rechtmäßigen Mitteln gegen diese Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zur Wehr setzen. Diese verfassungsfeindlichen Maßnahmen wie geheimdienstliche Überwachung politischer Opposition und deren staatliche Bekämpfung durch sog. „Verfassungsschutzberichte“ werden der gerichtlichen Überprüfung zugeführt. Es wird gefordert, daß die für derartige demokratiefeindliche Maßnahmen verantwortlichen Minister zurücktreten und gegen verantwortliche Amtsträger disziplinarrechtlich vorgegangen wird.

Schließlich wird die Partei eine alternative Verfassungsschutzkonzeption erarbeiten, womit sie einen Beitrag leisten will, einen derartigen verfassungswidrigen Mißbrauch des Verfassungsschutzes zur Oppositionsbekämpfung und zur Delegitimierung der politischen Meinungsfreiheit von vornherein auszuschließen.“

“Gesichtspunkte eines gerichtlichen Verfahrens gegen den VS”

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