Kritik der Europaideologie – Teil 1

Kritik der EuropaideologieTeil 1: Wesen und Geschichte des National-Staates als Grundlage wirtschaftlichen Fortschritts und der Demokratie und seine Bedrohung durch „Europa“

Josef Schüßlburner

Berufseuropäer, welche den Nationalstaat zugunsten eines auf eine Reichsbildung hinauslaufenden Europa-Staates überwinden wollen, verkennen in einer zentralen Weise die Essenz dessen, was (West-)Europa weltgeschichtlich zur Besonderheit macht: Neben der antiken Stadtrepublik, der Polis, besteht das universalhistorische Spezifikum von Europas eben im (demokratischen) Nationalstaat! Die Nationalstaatskonzeption erklärt, weshalb (West-) Europa zur maßgebenden Weltkultur aufgestiegen ist. Nur der (National-)Staat befreit von einer religiösen Herrschaftsbegründung, macht damit Politik möglich, welche damit kein bloßes Anhängsel von Theologie mehr darstellt, wie dies üblicherweise in der Menschheitsgeschichte der Fall gewesen ist. Durch die Trennung von öffentlich und privat verschafft der Staat den Privatrechtsinstituten (Vertragsfreiheit, Eigentum etc.) erst ihre volle Wirksamkeit, was den Zusammenhang zwischen industrieller Revolution und Entstehung des (modernen) Nationalstaates erklärt. Aufgrund seiner Weltlichkeit ist der Nationalstaat die Grundlage von Demokratie und Menschenrechten.

Die Europaideologen und ähnliche Weltstaatsutopisten befinden sich in einem grundlegenden Irrtum, wenn sie meinen, Demokratie, Menschenrechte und wirtschaftlich-technischer Fortschritt könne mittlerweile von den Staaten abstrahiert und internationalisiert werden: Gerade weil der Staat mit seinem legitimen Kern, nämlich bei der Erzeugung des inneren Friedens durch Monopolisierung der Anwendung physischen Gewalt (Abschaffung des Selbsthilferechts und der Blutrache auf der Basis von Familienklans) als Grundlage der Rechtsgleichheit notwendigerweise Monopolist ist, bedarf es des Staatenpluralismus, also der Existenz vieler souveräner Staaten, als Gegenprinzip zum Monopolisierungsprinzip. Nur bei einem Staatspluralismus wird die Sozialisierungstendenz, die einem Monopol notwendigerweise inhärent ist und sich aktuell in Staatsverschuldung und europäischer Währungsvergemeinschaftung niederschlägt, in Schranken gehalten. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, daß bei einem machtpolitischen Wettbewerb souveräner Staaten langfristig diejenigen den Vorteil haben, welche dem wirtschaftlich effektiven Privatrechtsprinzip weitgehend Rechnung tragen.

Dagegen würden die Privatrechtsinstitute in einem Quasi-Weltstaat wie „Europa“ als Imperium zunehmend durch ungehinderte Sozialisierungsmechanismen wie Währungs- und Staatsschuldenvergemeinschaftungen marginalisiert und somit die Grundlage des wirtschaftlich-technischen Fortschritts unterminiert werden. Demokratie würde in einem Quasiweltstaat schon aus quantitativen Gründung und der damit verbundenen Beschleunigung des „ehernen Gesetzes der Oligarchie“ (Michels) evaporieren. Menschenrechte, die ihrer Hauptfunktion, nämlich negative Staatskompetenzen (und zwar für konkrete Staaten) zu beschreiben, entkleidet werden, wie dies vor allem weltstaatlich mehr oder weniger zwingend erscheint, mutieren zu bloßen Ideologienormen, denen zunehmend die juristischen Bedeutung für Individuen abhanden kommen wird. Allenfalls als Rechtfertigung für Militäroperationen sind sie dann noch juristisch verwendbar. Da dem zumindest ideologisch angestrebten Weltstaat oder „Europa“ als Imperium nicht mehr der demos der Demokratie als weltlicher Bezugspunkt zur Verfügung steht, steht die Rückkehr zur Despotie einer religiösen Herrschaftsbegründung bevor. Als Beleg für diese Voraussage mag die Mutation der Begriffe für Redefreiheit, die für die antike Demokratie konstituierend waren, in der Spätantike angeführt werden: Die Begriffe für die Redefreiheit der antiken Demokratie wurden im despotischen Byzanz der Spätantike nämlich völlig entpolitisiert als freimütiges Gebet zu Gott verstanden! Deshalb wird man in einem Weltstaat Demokratie und Menschenrechte religiös zu verehren haben, nur werden sie dann keine juristische Bedeutung mehr haben, außer vielleicht als Straftatbestand zur Verfolgung von Demokratieungläubigen.

Gerade weil die Idee des Imperiums, als welches sich auch ein „Europa“ als quasistaatliche Einheit darstellen würde, nicht an Europa und an dessen politische Traditionen gebunden ist, sondern etwa mit dem asiatischen Politikverständnis einhergehen kann, spricht einiges dafür, daß die sog. Globalisierung als politisches Projekt, welches die europäische Nationalstaatsidee überwindet, für unabsehbare Zeit auch das Ende der neuzeitlichen Demokratie und der mit ihr verbunden Freiheitsidee einleiten dürfte. Der Untergang des (National-)Staates, sollte dieser denn, wie diagnostiziert, gewünscht oder gar angestrebt, tatsächlich eintreten, wird aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem wirtschaftlichen Niedergang unter einer (quasi-)religiös begründeten Despotie einhergehen. Diese Diagnose kann deshalb gemacht werden, weil die Formen menschlicher Vergesellschaftung gar nicht so zahlreich sind, so daß sich die grundlegenden Optionen doch als beschränkt darstellen.

Damit stellt sich die politische Alternative: Demokratie mit Nationalstaat oder Abschaffung der Demokratie durch Weltstaatsbestrebungen wie „Europa“! Wenn man sich für die Option demokratischer Nationalstaat entscheidet, bedeutet dies europapolitisch, die Europäische Union mit ihrem Währungssozialismus als Auftakt weiterer Sozialisierungsmaßnahmen aufzulösen und durch so etwas wie eine Europäische Freihandelszone (EFTA) zu ersetzen. Im langfristigen Interesse des Erhalts souveräner Staaten wird auch die UNO in der Weise umgestaltet werden müssen, daß die Institution permanenter Mitglieder im Sicherheitsrat mit Vetorecht abgeschafft wird, weil dies die Grundlage für ein amerikanisches, später vielleicht einmal für ein chinesisches Imperium darstellt. Dieses Imperium stuft die nationalstaatliche Demokratie in den nicht über die UN-Vetoposition und damit Kriegsoption verfügenden Staaten zu einer bloßen Selbstverwaltung herab, die unter den Vorbehalt der imperialen Billigung gestellt wird. Das permanente Interventionsbedürfnis einer Imperialmacht wird das Weltlichkeitsprinzip der nationalstaatlichen Demokratie durch Ideologie / Religion ersetzen und der imperiale Finanzierungsbedarf wird langfristig die Privatrechtsinstitute unterminieren und damit den wirtschaftlichen Niedergang der Menschheit zur Folge haben.

“Kritik der Europaideologie – Teil 1”

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