Die weltweite Ähnlichkeit des leftism

Die weltweite Ähnlichkeit des leftism: Der Utopist Andō Shōeki (1703-1762) im Kontext des Links-Rechts-Antagonismus in Japan

Josef Schüßlburner

Angesichts der auf dieser Internetseite zu Japan ausgeführten grundlegenden Rechtstendenz Japans, die seinen Erfolg erklärt, erstaunt die Existenz des japanischen utopischen Denkers Andō Shōeki (1703-1762).

Es ist vermutet worden, daß dieser in seinen utopischen Auffassungen (s. ab Seite 8 des Textes) von Europa beeinflußt worden sei. Dagegen spricht die Verwurzelung seiner Ansichten in der chinesischen Geistestradition. Gerade die nichteuropäische Argumentation macht jedoch die Analyse der Ansichten dieses japanischen utopischen Denkers bedeutsam: Trotz der unterschiedlichen Terminologie wird nämlich eine große weltweite Ähnlichkeit in den ideologischen Grundannahmen des leftism (Linksideologie) sichtbar. Neben dem Drei-Stadien-Schema der geschichtlichen Entwicklung: ursprüngliche Herrschaftslosigkeit bei Gemeineigentum / Klassengesellschaft der verbrecherischen Gesetzeswelt (Jetztzeit) / künftige Herrschaftslosigkeit der großen Gleichheit, ist die sozialistisch übergreifende Ähnlichkeit in den anthropologischen Annahmen dieser Geschichtskonstruktion erstaunlich. Andō Shōeki nimmt dabei insbesondere die Marx´sche Konstruktion vorweg. Auch beim japanischen Utopisten geht es um das Mehrprodukt, das die Herrschaftsbegründung und damit die Entzweiung (Entfremdung) hervorruft. Dafür werden religiöse Lehren verantwortlich gemacht, welche die Hierarchisierung der Gesellschaft und damit politische Herrschaft herbei geführt hätten. Dementsprechend wird ein religionsfeindliches Konzept propagiert, wenngleich sich die grundlegenden Annahmen des utopischen Denkens selbst nur quasi-theologisch verstehen lassen (was aber beim marxistischen Sozialismus nicht anders ist). Die Große Gleichheit, welche mit Herrschaftslosigkeit gleichgesetzt wird, ergibt sich aus der Einheit des Menschengeschlechts, welche damit gewissermaßen zum Gesamtmenschen wird, der als solcher unsterblich ist (das zentrale Motiv im SPD-Sonnenlied).

Die Erklärung für den Eintritt des entfremdenden Zustands ist dabei bei Andō Shōeki ebenso wenig überzeugend wie bei Marx und sonstigen sozialistischen Propheten; dies gilt auch für die Behauptung, der Eintritt des Endzustands als mehrwertige Wiederkehr der gesellschaftlichen Urzustandes sei gewissermaßen naturwissenschaftlich gesichert. Andō Shōeki ist dabei insofern konsequent, als er das Abwarten empfiehlt (eine Haltung des „Attentismus“, die sich für die marxistische SPD vor dem 1. Weltkrieg ergeben sollte), bis der Führer (der gerechte Mann) geboren wird, welcher den Zustand der großen Gleichheit und Herrschaftslosigkeit herbeiführen würde. Allerdings hat sich Shōeki durch das Drängen seines Schülerkreises veranlaßt gesehen, sich doch Gedanken zu machen, wie eine Gesellschaft aussehen könnte, die dem Zustand der Großen Gleichheit weitgehend entspricht. Dann führt diese „Übergangsgesellschaft“ doch sehr schnell zu der Welt eines Mao, Pol Pot und Kim il Sung!  

Schließlich wird im Beitrag hervorgehoben, daß das utopische Denken eines Andō Shōeki und anderer die realistischen Möglichkeiten der Politik verfehlt, die sich gerade in Japan aufgetan haben, wo entgegen der maßgeblichen politischen Doktrin und als Besonderheit des vormodernen Asien ein Bürgertum entstanden ist. Die entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten konnten dann nur durch eine rechte politisch-ideologische Hegemonie verwirklicht werden, die sich in der Meiji-Restauration zum Ausdruck bringen sollte.

Die Besonderheit von Andō Shōeki ergibt sich vor allem daraus, daß Japan im Unterschied zu China eindeutig eine weltanschaulich-politische dominierende Rechtstendenz aufweist, was sich vor allem am Mangel eines utopischen Denkens in Japan aufzeigen läßt. Die Präponderanz der politisch rechten Strömung erklärt sich schon daraus, daß es galt, sich gegenüber dem chinesischen Universalismus als partikuläre Größe zu behaupten. Die Hinwendung zu chinesischen Konzepten kennzeichnet damit die japanische Linkstendenz, die Abwehr chinesischer Konzepte die Rechtstendenz. Etwas abweichend von China, wo die Mitte als zentralistische Obrigkeit die gegensätzlichen linken und rechten Tendenzen zentralstaatlich zu vereinheitlichen suchte, wurde in Japan mit der Unterscheidung von fudai / tozama (Innen-/ Außen-) Fürstentümer die politische Bipolarität von herrschender Macht und (potentieller) Opposition grundsätzlich anerkannt, was dann auch größeren Raum bot, unterschiedliche politische Schulrichtungen mit eher rechter oder eher linker Tendenz zum Ausdruck zu bringen. Aus dem in Opposition zum Tokugawa-Shogunat stehenden tozama-Fürstentümern konnte dann das moderne Japan unter einer ideologisch rechten Hegemonie begründet werden, die noch heute für das politische System Japans maßgebend ist. Aufgrund der Selbstbehauptung gegenüber dem chinesischen Universalismus hatte Japan besondere Mechanismen zur Neutralisierung linker milleniaristischer Tendenzen entwickelt, die in Asien etwa um die Figur des künftigen Buddha Maitreya kreisten. In Japan wurde dabei betont, daß Maitreya die „Weltsanierung“ als Herrscher durchführen würde und so wurde diese Figur in einen Prinzenkult eingebunden, in dessen Zentrum der Kultur-Heros Shōtoku Taishi (Prinz  Shōtoku = heilige Weisheit) stand, der noch heute von der maßgeblichen Richtung des japanischen Buddhismus als Verkörperung von Bodhisattva Avalokiteshvara (jap. Kannon) verstanden wird. Die grundlegende politische Rechtstendenz erklärt, warum in Japan mit der Meiji-Restauration erfolgreich eine konservative Revolution durchgeführt und darauf gestützt Japan zum ersten nichteuropäischen Industriestaat aufsteigen konnte. Dadurch wurde Japan die Hölle des linken Maoismus erspart, welche sich mit der Volksrepublik China auftat.  

Hinweis
Der vorliegende Beitragstellt auch eine Ergänzung zum Werk des Verfassers dar, welches sich mit den Erscheinungen des Sozialismus und damit des utopisch-politischen Denkens beschäftigt:

Josef Schüßlburner
Roter, Brauner und Grüner Sozialismus. Bewältigung ideologischer Übergänge von SPD bis NSDAP und darüber hinaus,
2008, Lichtschlag Medien und Werbung KG, 24,80 Euro
ISBN-10: 3939562254, ISBN-13: 978-3939562252
Dieses Buch ist im März 2015 in unveränderter 3. Auflage wieder erschienen und nunmehr auch in einer Kindle-Edition für 6,99 Euro erhältlich. Erhältlich auch hier

“Die weltweite Ähnlichkeit des leftism”

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