Das Jahr 1984

1984
Revolutionäre Zellen (RZ)/Rote Zora(Frauenorganisation)

Auch 1984 ist die Zahl der terroristischen Gewaltakte mit elf Anschlägen rückläufig (1981: 21; 1982: 38; 1983: 27). Die Frauengruppe Rote Zora zeichnet gemeinsam mit den RZ für zwei Anschläge verantwortlich. Damit reduzieren sich ihre Aktivitäten deutlich, von ihr allein gehen keine eigenen Anschläge mehr aus. Das Rhein-Main-Gebiet fällt als terroristisches Anschlagszentrum gänzlich weg. Die publizistisch-propagandistischen Aktivitäten reduzieren sich ebenfalls. Ziel ihrer Anschläge sind angebliche kapitalistische Strategien und Ausbeutungsverhältnisse. Die Kritik der militanten Basis an der Ideologie der RZ nimmt gegenüber dem Vorjahr deutlich zu. Die Bemühungen um „Massenmilitanz“ scheitern. Das Scheitern dieses Anspruchs wird auch in Publikationen der RZ eingeräumt, da eine Zusammenführung von gewaltfreien und gewaltbereiten Kräften zu einer militanten Massenbewegung mißlingt. Zwar stoßen die Aktivitäten der RZ auf wenig Resonanz, dennoch werden die Konzepte in gewaltorientierten Kreisen diskutiert. So kommt es bei eigenständig operierenden Tätergruppen zu partiellen Verbindungen von terroristischen Positionen der RZ und der RAF.
Verfassungsschutzbericht 1984

1984
Deutsche Kommunistische Partei (DKP)

Die Mitgliederzahl der DKP steigt nach Schätzung des Verfassungschutzes 1984 gegenüber dem Vorjahr nur leicht an. Sie verfügt über ca. 40.000 Mitglieder. Herbert Mies und Hermann Gautier stehen der Partei weiterhin vor. Ein Großteil der Führungsgremien der Partei absolviert mehrmonatige kaderpolitische Schulungen in der Sowjetunion oder der DDR. Die DKP fühlt sich durch „unverbrüchliche Solidarität und Freundschaft“ mit der DDR und deren „führender Partei“, der SED, verbunden. Die Verfassungsfeindlichkeit der DKP läßt sich anhand des folgenden Zitats belegen: „Unser Ideal – das ist die sozialistische Republik …, in der die Arbeiterklasse im Bündnis mit allen übrigen werktätigen Schichten die politische Macht ausübt. In der es demokratische Volkskontrolle und Arbeiterkontrolle gibt …, in der das großkapitalistische Eigentum an Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum übergegangen sein wird …, in der entsprechend den gesellschaftlichen Bedürfnissen geplant und gearbeitet wird.“ Ferner bekämpft die DKP den „staatsmonopolistischen Kapitalismus“ mit folgenden Mitteln: Die „neuen Wege der Revolution“ hin zur Diktatur des Proletariats nach einer vorangegangenen „revolutionär-demokratischen Diktatur“ sind ohne Anwendung von „revolutionärer Gewalt“ nach ihrer Auffassung nicht durchsetzbar. Die Partei finanziert sich u. a. aus Geldzuweisungen aus der DDR in Höhe von 60 Mio. DM.
Verfassungsschutzbericht 1984

1984
Rote-Armee-Fraktion (RAF)

Die 1982 durch Festnahme verursachten personellen Verluste können trotz der Festnahme von sieben RAF-Mitgliedern im Juni 1984 in diesem Jahr durch Neuzugänge kompensiert werden. Durch zwei Raubüberfälle erbeuten sie insgesamt 171.000 DM sowie 22 Faustfeuerwaffen und zwei Repetierflinten mit Munition. Für die RAF stellen weiterhin NATO-, US-Armee- und Bundeswehreinrichtungen Hauptanschlagsziele dar. Durch einen dreimonatigen Hungerstreik versuchen sie, sowohl eine Zusammenlegung der inhaftierten Terroristen in große Gruppen als auch eine Mobilisierung der revolutionären Linken zur Bildung einer terroristischen „Antiimperialistischen Front in Westeuropa“ zu erreichen. Damit wird eine „Gesamtoffensive“ eingeleitet. Als Reaktion auf den Hungerstreik finden 1984 17 Anschläge und 1985 22 Anschläge statt. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes wird die RAF auch in Zukunft als linksextremistische Terrorgruppe, die sich auch durch Rückschläge personeller und materieller Art nicht zur Aufgabe zwingen läßt, die innere Sicherheit der Bundesrepublik gefährden.
Verfassungsschutzbericht 1984

5. März 1984
Haftstrafen für die Herausgeber von „radikal“

Der Journalist Benny Härlin (27) und der Student Michael Klöckner (28), die im Juni 1983 für mehr als zwei Monate in Untersuchungshaft kamen, werden vom Berliner Kammergericht zu je zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Während das Gericht im Falle Klöckners immerhin auch redaktionelle und buchhalterische Mitarbeit bei „radikal“ als erwiesen ansah, bekam Härlin das gleiche Strafmaß im wesentlichen für die „Herausgeberfunktion“. Darin sah das Gericht den Tatbestand der Werbung für eine terroristische Ver­einigung gemäß § 129a StGB sowie die Aufforderung zu Straftaten und deren Billigung erfüllt. Kritiker werten die Urteile als „Gefahr für die Pressefreiheit“. „radikal“ hat häufig Bekennerbriefe und Strategiepapiere von „Revolutionären Zellen“ und anderen gewalttätigen Linksextremisten gedruckt.
Der Spiegel, 10/1984, S. 118 f.


10. April 1984
Anschlag auf Versorgungsgleis zum Frankfurter Flughafen

Auf ein Versorgungsgleis an der Bahnstation Walldorf in der Nähe der Startbahn West des Frankfurter Flughafens wird ein Anschlag verübt. Die Täter sägen die Schienen des Gleiskörpers durch und unterlegen sie mit einem Baumstamm. An mehreren anderen Stellen des Gleises, das zur amerikanischen Air Base führt, werden die Schrauben herausgedreht und Flüssigbeton auf die Gleise geschüttet. Aufmerksam wird man auf den Anschlag durch ein Transparent, das die Aufschrift „Keine Startbahn West – gegen US Air Base“ trägt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.04.1984

10. Mai 1984
Anschlag auf das Haus eines Einsatzleiters der Polizei

Auf das Haus des Einsatzleiters der Essener Bereitschaftspolizei in Mülheim an der Ruhr wird ein Sprengstoffanschlag verübt, der keinen nennenswerten Schaden anrichtet. Der 39jährige Polizeibeamte hatte mehrmals als Zeuge bei noch laufenden Prozessen wegen der gewalttätigen Ausschreitungen beim Besuch von US-Vizepräsident George Bush in Krefeld im Juni letzten Jahres vor Gericht ausgesagt. In einem Schreiben bekennt sich eine Gruppe „Revolutionärer Kern/Abteilung Volksjustiz“ zu dem Anschlag.
Süddeutsche Zeitung, 10. 5. 1984

19. Mai 1984
Anschlag auf „Fraunhofer-Gesellschaft“

Auf das Gebäude der „Fraunhofer-Gesellschaft“ in Duisburg wird ein Anschlag verübt. An dem noch nicht bezogenen ehemaligen Schulgebäude entsteht ein Sachschaden von 100.000 Mark. In einem Schreiben bekennen sich die „Revolutionären Zellen“ (RZ) zu dem Anschlag. In ihm wird darauf verwiesen, daß die Forschungsergebnisse „kurzfristig vor allem zu Rationalisierungszwecken“ benutzt würden, von entscheidender Bedeutung sei die Forschungsarbeit des Instituts allerdings auch „für die Verfeinerung von Kriegswaffen und Kriegsgeräten“.
die tageszeitung, 23. 5. 1984

4. Juni 1984
Antifaschistische Aktion (AA)

Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ verüben gewalttätige linke Gruppen in Hamburg verstärkt „Selbstjustiz“ gegen Rechte. Die Gruppe „Antifaschistische Aktion“ (AA), gibt vor, jederzeit 50 Entschlossene und darüber hinaus 200 mobilisierbare Antifaschisten zum Einsatz bringen zu können. Die „Autonomen“ observieren und vermerken jede Aktivität der politischen Rechten und schrecken auch nicht vor tätlichen Übergriffen auf „Neonazis“ zurück. Selbst von Kritikern innerhalb der Linken werden den gewalttätigen Autonomen blindwütiger Aktionismus und „Hau-drauf-Politik“ vorgeworfen.
Der Spiegel, 23/1984, S. 65 ff., vgl. auch Der Spiegel, 40/1988, S. 51 ff.

Juli 1984
Anschlag auf das Wuppertaler Fernmeldeamt

Bei einem Anschlag auf das Wuppertaler Fernmeldeamt gehen mehrere Fahrzeuge in Flammen auf. Die Täter, die aus dem näheren Umfeld der „Roten-Armee-Fraktion“ (RAF) stammen, begründen den Anschlag damit, daß die Post mit ihren neuen Kabelprojekten helfe, „Kommunikationssysteme der NATO massiv auszubauen und direkte Verbindungen zu staatlichen Stellen, zu Bullen, Geheimdiensten, Ministerien und Rathäusern“ zu schaffen, und das „hinter der Fassade eines harmlosen Dienstleistungsbetriebes“.
Der Spiegel, 39/1986, S. 41

2. Juli 1984
Festnahme von mutmaßlichen RAF-Terroristen

In Frankfurt-Bornheim nehmen Beamte sechs mutmaßliche RAF-Terroristen fest. Dabei handelt es sich um die teilweise seit längerem international Gesuchten Christa Eckes (34), Ingrid Jakobsmeier (30), Stefan Frey (24), Helmut Pohl (40), Ernst-Volker Staub (29) und Barbara Ernst (29). Am 4. Juli erläßt der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) gegen sie Haftbefehle wegen des dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Am 3. 7. stellen Spezialisten vom Bundeskriminalamt (BKA) in der konspirativen Wohnung Aufzeichnungen zur weiteren Strategie der „Roten-Armee-Fraktion“ (RAF) sicher:
• Ein RAF-Papier kündigt eine „Offensive“ gegen die NATO an, die „mit den Angriffen gegen die Infrastruktur ihrer Militärmaschine … beginnen“ müsse.
• In Briefen wird ein neuer Hungerstreik in den Gefängnissen angekündigt. Darüber hinaus geben die Funde in der Wohnung der Polizei Einblick in die Finanz­lage der RAF.
Der Spiegel, 28/1984, S. 14, und 2/1985, S. 70, sowie Frankfurter Rundschau, 5. 7. 1984

September 1984
Allensbacher Studie: Extremismus unter Jugendlichen

Die Studie besagt: 3,7 Prozent aller Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren sind aktive Rechtsextremisten. 2,5 Prozent gelten als passive Rechtsextremisten. Demgegenüber stehen 9,4 aktive und 3,0 Prozent passive Linksextremisten. Die Hälfte der Rechtsextremisten und zwei Drittel der Linksextremisten sind zu politischer Gewalt gegen die Demokratie bereit. Zwei Drittel der Linksextremisten haben bei den Grünen Unterschlupf gefunden, 23 Prozent findet man in der SPD wieder.
General-Anzeiger, Bonn, 18. 9. 1984

1. Oktober 1984
Festnahme mutmaßlicher RZ-Anhänger

Die Polizei nimmt an der deutsch-belgischen Grenze eine Gruppe mutmaßlicher Anhänger der „Revolutionären Zellen“ (RZ) aus Berlin unter dem Verdacht geplanter terroristischer Anschläge fest. Nach den bisherigen Ermittlungen planten die Männer für den 18. Oktober, den Jahrestag der Selbstmorde der RAF-Führer 1977, Brandanschläge auf verschiedene SPD-Parteibüros in Berlin. Es handelt sich um den Auszubildenden Andreas S. (19), den Mechaniker Erich M. (22) und den Maurer Dieter W. (28), die bereits eine Bank in Höxter (Westfalen) überfallen hatten. Bei Wohnungsdurchsuchungen in Berlin kann Beweismaterial für bisher unaufgeklärte Brandanschläge in Berlin zwischen Februar und September sichergestellt werden.
Die Welt, Bonn, 2. 10. 1984

18. Oktober 1984
Anschlag in Kassel zum 7. Todestag Baaders

Auf ein Gebäude der Gesamthochschule Kassel (GhK) wird zum 7. Todestag der RAF-Terroristen Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin ein Sprengstoffanschlag verübt. Ein mit sechs Kilogramm Sprengstoff gefüll­ter und mit einem Zeitzünder versehener Feuerlöscher explodiert vor der Tür des Mitteltraktes der Organisationseinheit Wirtschaft. Durch den Detona­tionsdruck zersplittern die Scheiben der Gebäudefront, Menschen werden nicht verletzt. Mit schwarzer Farbe wurde dreimal das Datum 18. 10. 1977 – der Tag des Selbstmordes der Terroristen – auf die Wände des Gebäudes gesprüht.
Süddeutsche Zeitung, 29. 12. 1984

25. Oktober 1984
Hausräumung in Berlin

In Berlin-Kreuzberg räumt die Polizei das vorletzte noch „besetzte“ Wohnhaus. Von den im Frühjahr 1981 insgesamt 169 besetzten Gebäuden sind damit nach Angaben des Senats 76 durch Verträge „legalisiert“, 68 von der Polizei geräumt und die übrigen freiwillig von den illegalen Besetzern verlassen worden.
AL, S. 50

Anfang November 1984
Waffendiebstahl

Zwei Männer, nach Ansicht der Bundesanwaltschaft Mitglieder der Kommando-Ebene der RAF, überfallen den Waffenhändler Manfred Walla in seinem Geschäft im pfälzischen Maxdorf. Nachdem sie ihr Opfer gefesselt und geknebelt haben, fliehen die Terroristen mit 22 Faustfeuerwaffen, zwei Repetierflinten und 3.000 Schuß Munition. Waffen, die aus diesem Überfall stammen, finden die Fahnder später sowohl in Deutschland als auch in Frankreich, was auf intakte enge Verbindungen zwischen den Terroristen beider Länder hindeutet.
Der Spiegel, 11/1984, S. 128

4. Dezember 1984 bis 1. Februar 1985
Hungerstreik von RAF-Terroristen

Als Brigitte Mohnhaupt (35), in Stuttgart-Stammheim als Rädelsführerin einer terroristischen Vereinigung angeklagt, am 4. 12. 1984 in ihrem Prozeß eine pathetische Hungerstreik-Erklärung vorträgt, beginnen fast gleichzeitig 33 Gefangene der „Roten-Armee-Fraktion“ (RAF) in 17 Haftanstalten mit einem Hungerstreik. Mit dem Hungerstreik haben die „Gefangenen aus der RAF“, wie sie sich selbst nennen, zweierlei im Sinn: Zum einen wollen sie ihre Anhängerschaft mobilisieren, zum anderen für sich selbst Rechte und Haftbedingungen wie „Kriegsgefangene“ erzwingen, vor allem die Zusammenlegung zur gemeinsamen RAF-Haft. Die Forderung nach besseren Haftbedingungen scheint diesmal jedoch nur zweitrangig zu sein, denn diesmal wird die Gefangenen-Hilfsorganisation „Amnesty International“ (AI) anders als bei bisherigen Hungerstreiks nicht um Vermittlung gebeten. Das eigentliche Ziel des Hungerstreiks ist also wohl die Mobilisierung der Anhängerschaft der RAF. RAF-Mitglied Helmut Pohl, inhaftiert in Zweibrücken, hat z. B. die Sympathisanten draußen dazu aufgerufen, „gegen das System des Kapitals und die Konterrevolution der Nato“ mobil zu machen. Der Aufruf wird gehört. Der Hungerstreik wird von einer ganzen Serie von Sprengstoff- und Bombenanschlägen begleitet. Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann erwägt sogar, das Kontaktsperregesetz anzuwenden, das die Isolierung von Häftlingen erlaubt, wenn „eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit einer Person“ durch eine terroristische Vereinigung besteht. Im Laufe des Hungerstreiks wird die Verweigerung der Nahrungsaufnahme für einige Häftlinge lebensbedrohlich, in der Düsseldorfer Haftanstalt „Ulmer Höh“ wird deshalb mit der Zwangsernährung begonnen, die jedoch sowohl unter Ärzten als auch rechtlich umstritten ist. Im Gefängniskrankenhaus auf der Feste Hohenasperg bei Ludwigsburg, wohin Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und Günter Sonnenberg gebracht werden, beschränkt man sich deshalb darauf, die Terroristen lediglich „über die Risiken“ des Hungerstreiks aufzuklären. Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar, die Köpfe der RAF-Gefangenen, brechen ihren Hungerstreik schließlich am 1. 2. 1985, dem Tag der Ermordung von Dr. Ernst Zimmermann in Gauting, ab.
Verfassungsschutzbericht NRW 1985, S. 47

18. Dezember 1984
Anschlag auf die NATO-Schule in Oberammergau gescheitert

Ein von der „Roten-Armee-Fraktion“ (RAF) geplanter Bombenanschlag auf die NATO-Schule in Oberammergau scheitert. Ein Sprengstofftrupp findet im Kofferraum eines PKW eine 25-Kilo-Rohrbombe, ein Bündel Ammongelitstangen und drei Camping-Gasflaschen, alle mit einer Zündanlage verbunden. Den Experten gelingt es, die Bombe zu entschärfen. Der Sprengsatz von Oberammergau stammt aus demselben Einbruch in einen belgischen Steinbruch wie das brisante Gemisch, das im August 1984 in Paris bei einem Attentatsversuch auf das Gebäude der Westeuropäischen Union benutzt wurde. Auch die Konsistenz des Sprengstoffs, der bei einem Einsatz gegen eine NATO-Pipeline in Belgien am 11. 12. 1984 explodierte, ist mit dem Gemisch aus dem PKW von Oberammergau identisch. Das zeigt die starken Querverbindungen im internationalen Terrorismus.
Der Spiegel, 2/1985, S. 70

25. Dezember 1984
Anschlag auf Reutlinger Rechenzentrum

Auf das kommunale Rechenzentrum in Reutlingen, an dem die Kommunen des gesamten Regierungsbezirks Tübingen bis hin zur bayerischen Landesgrenze angeschlossen sind, wird ein Sprengstoffanschlag verübt, durch den ein Sachschaden von ca. 500.000 Mark entsteht. Die Explosion beschädigt die Glasfront des Gebäudes und auf der Straße abgestellte Fahrzeuge. In einem Schreiben bekennt sich eine „kämpfende Einheit Gudrun Ensslin“ zu dem Anschlag.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. 12. 1984; 28. 12. 1984

28. Dezember 1984
RAF-Sympathisanten besetzen Landeszentrale der Grünen

Rund 15 Sympathisanten der 39 in der Bundesrepublik verurteilten beziehungsweise in Untersuchungshaft sitzenden mutmaßlichen Mitglieder der „Roten-Armee-Fraktion“ (RAF) halten für mehrere Stunden die Landeszentrale der niedersächsischen Grünen in Hannover besetzt. Mit ihrer Aktion wollen die Besetzer auf die Lage der Inhaftierten aufmerksam machen, die sich seit dem 4. 12. in Hungerstreik befinden. Außerdem wollen sie auf diese Weise der Forderung der RAF-Gefangenen nach Zusammenlegung und Abschaffung der Kontaktsperre Nachdruck verleihen. Mit diesen Forderungen solidarisiert sich im wesentlichen der Landesvorstand der niedersächsischen Grünen. In einer nach der Besetzung veröffentlichten Mitteilung an die Presse bezeichnen die Grünen Isolationshaft und Hochsicherheitstrakte als „Foltermethoden, die den Gefangenen brechen sollen“.
Süddeutsche Zeitung, 29. 12. 1984

30. Dezember 1984
Anschläge auf US-Militäranlagen

Auf US-Militäranlagen in Wiesbaden, Düsseldorf und in Edingen bei Mannheim werden Anschläge verübt. Dabei entsteht ein Sachschaden von ca. 350.000 Mark. Verletzt wird bei den Explosionen niemand. Seit der Woche vor Weihnachten sind damit bundesweit bereits über ein halbes Dutzend Brand- und Sprengstoffanschläge verübt beziehungsweise versucht worden. In fast allen Fällen haben sich die „Rote-Armee-Fraktion“ (RAF) und terroristische Kommandos zu den Anschlägen bekannt. Die Bundesanwaltschaft geht von einem Zusammenhang zwischen der Anschlagsserie und dem am 4. 12. begonnenen Hungerstreik von etwa 30 inhaftierten RAF-Mitgliedern aus.
Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung, 31. 12. 1984

Zusammengestellt von Hans-Helmuth Knütter und Alexander Helten

Abkürzungen der Literaturangaben

AL = Michael Bühnemann u. a. (Hg.): AL. Die Alternative Liste Berlin. Berlin 1984
APuZ = Aus Politik und Zeitgeschichte
Backes = Uwe Backes / Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 1996
BPA-Bulletin = Bulletin des Bundespresseamtes (Bonn)
Schlomann = Friedrich W. Schlomann: Die Maulwürfe. Berlin 1994

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