Das Jahr 1994

1994
Revolutionäre Zellen (RZ)/Rote Zora (Frauenorganisation)
Einzelne Gruppen der RZ zeichnen 1994 für zwei Anschläge verantwortlich. Inhaltlich setzen sie sich wieder mit der Asyl- und Flüchtlingsproblematik auseinander, gegen die sich auch die Terrorakte richten. Am 26. 10. 1994 werden in Leip­zig auf mehrere Transportfahrzeuge eines Unternehmens, das Versorgungsgüter für Asylantenheime liefert, Brandanschläge verübt. Ferner wird ein Fahrkartenautomat des Verkehrverbundes Frankfurt am Main Opfer eines terroristischen Gewaltakts. Auch hier soll auf die Hauptthematik der RZ aufmerksam gemacht werden, da durch die erfolgten Fahrpreiserhöhungen die sozial schwächeren Schichten betroffen seien, zu denen insbesondere auch die Asylanten und Flüchtlinge zählen würden. Die Frauenorganisation Rote Zora tritt wieder aktionistisch mit einem Brandanschlag auf ein Versorgungsunternehmen für Asylantenheime am 13. 6. 1994 in Nürnberg in Erscheinung. Somit setzt sich die Rote Zora auch inhaltlich mit dieser Problematik auseinander.
Verfassungsschutzbericht 1994

1994
Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)
Die PDS verfügt Ende 1994 über 124.000 Mitglieder. Exponenten der Partei stellen dar: Gregor Gysi, Lothar Bisky, André Brie, Dietmar Bartsch und Hans Modrow. Die PDS lehnt das bestehende Gesellschaftssystem fundamental ab. „In der PDS haben sowohl Menschen einen Platz, die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen wollen und die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen, als auch jene, die ihren Widerstand damit verbinden, die gegebenen Verhältnisse positiv zu verändern und schrittweise zu überwinden.“
Für die PDS hat der außerparlamentarische Widerstand Vorrang. Die Errichtung eines Sozialismus im Geiste von Marx und Engels ist „notwendiges Ziel“ der PDS.
Verfassungsschutzbericht 1994

1994
Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ)
Die SDAJ bleibt auch 1994 bei ihrer ideologischen Ausrichtung, sie tritt für eine Umwälzung der „kapitalistischen BRD“, die „mit dem Faschismus schwanger“ geworden sei, ein. Auch 1994 veranstaltet sie ihr traditionelles Pfingstcamp in Bottrop, an dem rund 400 Jugendliche teilnehmen. Darüber hinaus arbeitet die SDAJ mit anderen gewaltbereiten Linksextremisten in Aktionsbündnissen zusammen. So beteiligen sie sich an den Vorbereitungen zu den Protesten gegen den EU-Gipfel in Essen im Dezember.
Verfassungsschutzbericht 1994

5. Juni 1994
Antiimperialistische Zellen (AIZ)
Die Antiimperialistischen Zellen (AIZ) verüben einen Sprengstoffanschlag auf die CDU-Geschäftsstelle in Düsseldorf. Der Gesamtschaden beträgt 30.000 DM.
FOCUS, 25. 9. 1995

Juni 1994
Brandanschläge auf zwei Firmen im Kreis Gera und in Nürnberg
Auf zwei Firmen im Kreis Gera und in Nürnberg werden in der Nacht Brandanschläge verübt. Als Täterin kommt möglicherweise die linksterroristische Frauenorganisation „Rote Zora“ in Frage (vgl. Brandanschlag vom 26. 10. 1994).
Die Welt, 28. 10. 1994

Juli 1994
Urteil gegen den Antifaschisten Gunter S.
Das Mainzer Landgericht verurteilt den jungen Antifaschisten Gunter S. in einem Indizienprozeß zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung. Gunter S. wird beschuldigt, im Januar 1993 an einem Überfall auf Mitglieder einer verbotenen Neonazi-Truppe beteiligt gewesen zu sein, bei dem einige Angehörige leicht verletzt wurden sowie Autoscheiben in Brüche gingen. Die Anklage lautet auf schweren Landfriedensbruch.
Neues Deutschland, 19. 7. 1994

5. Juli 1994
Hausdurchsuchung bei Mitgliedern der Göttinger „Autonomen Antifa (M)“
Beamte des Landes- und des Bundeskriminalamtes durchsuchen die Wohnun­gen von 15 Mitgliedern der Göttinger „Autonomen Antifa“ sowie einen lin­ken Buchladen, der als Anlaufstation und Postadresse für die „autonome“ Szene dient, und Büros des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) der Göttin­ger Uni. Begründet wird die Staatsschutzaktion mit dem Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung und Unterstützung der Roten-Armee-Fraktion (RAF). Die Göttinger „autonome“ Szene gilt als eine der berüchtigtsten in der Bundesrepublik. Die Polizei zählt ungefähr 60 Personen zum harten Kern, weitere 800 zum engeren Kreis und 2000 Sympathisanten. Die „Antifa (M)“ hat vereinsähnliche Strukturen mit geregelter Mitgliedschaft und regelmäßigen Arbeitskreisen. Auf die Razzia reagierte die „autonome“ Szene mit einer gewalttätigen Demo.
Frankfurter Rundschau, 6. 7. 1994

19. August 1994
Meldung in der Untergrundzeitung „Göttinger Drucksachen“
In den wöchentlich erscheinenden „Göttinger Drucksachen“ steht am 19. 8. folgende Erfolgsmeldung der „antifaschistischen feuersalamanderInnen“:  „Wir haben in der Nacht vom Donnerstag auf den Freitag die Autos von Wolfgang J. in Hessisch Lichtenau und Wilhelm K. (zwei ortsbekannte Neonazis) in Eschwege abgefackelt. Die Autonome Antifa (M) gibt detaillierte Anweisungen zum ,Entglasen‘ von Schaufenstern.“
Süddeutsche Zeitung, München, 27. 9. 1994

26. September 1994
Antiimperialistische Zellen (AIZ)
Die Polizei entdeckt einen Sprengsatz der AIZ vor der FDP-Landeszentrale in Bremen.
FOCUS, 25. 9. 1995

26. Oktober 1994
Brandanschlag auf Leipziger Firma
Zwei Lastkraftwagen der Leipziger Firma Ogeva, die Lebensmittelpakete für Asylbewerber vertreibt, werden in der Nacht in Brand gesteckt. Am Tatort weisen Sprühparolen auf die linksterroristische Frauenorganisation „Rote Zora“ hin.
Die Welt, 28. 10. 1994

Oktober 1994
Sprengstoffanschlag auf Kaserne
Zu dem Anschlag auf die Bundeswehrkaserne in Bad Freienwalde bekennt sich das linksterroristische „K.O.M.I.T.E.E.“.
Frankfurter Rundschau, 14. 6. 1995

November 1994
Ende des Kaindl-Prozesses
Der sogenannte Kaindl-Prozeß endet überraschend früh und mit milden Urteilen. Wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolgen werden drei Angeklagte zu je drei Jahren Haft verurteilt, zwei weitere erhalten Jugendstrafen auf Bewährung. Das Solidaritätskomitee der „verfolgten Berliner AntifaschistInnen“ fordert die Aufhebung des Haftbefehls gegen vier weiterhin Gesuchte, unter denen sich auch der eigentliche Täter befindet. Gerhard Kaindl, Schatzmeister der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“, wurde bei einem Überfall antifaschistischer Kreuzberger in einem Chinalokal am 4. April 1992 tödlich verwundet.
Wochenpost, 24. 11. 1994

Zusammengestellt von Hans-Helmuth Knütter und Alexander Helten

Abkürzungen der Literaturangaben
AL = Michael Bühnemann u. a. (Hg.): AL. Die Alternative Liste Berlin. Berlin 1984
APuZ = Aus Politik und Zeitgeschichte
Backes = Uwe Backes / Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 1996
BPA-Bulletin = Bulletin des Bundespresseamtes (Bonn)
Schlomann = Friedrich W. Schlomann: Die Maulwürfe. Berlin 1994

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