Das Jahr 1977

8. Februar 1977
Mohnhaupt aus der Haft entlassen

Nach Verbüßung ihrer gesamten Haftstrafe (vier Jahre, acht Monate) wird Brigitte Mohnhaupt in Bühl/Baden aus der Haft entlassen. Im Büro des Rechts­anwalts Croissant übernimmt sie sofort Verantwortung für nächste Aktionen der RAF. Ende Februar 1977 wechselt sie in den „Untergrund“.
Backes, S. 361

7. April 1977
Ermordung des Generalbundesanwaltes Buback durch die „Rote-Armee-Fraktion“

Der Generalbundesanwalt Siegfried Buback wird auf der Fahrt in sein Büro in den Bundesgerichtshof von Terroristen ermordet. Von einem Motorrad aus feuert der Attentäter mit einer Maschinenpistole in den Dienstwagen. Der Fahrer Wolfgang Goebel wird ebenfalls getötet; der Justizbeamte Georg Wurster erleidet lebensgefährliche Verletzungen und stirbt am 13. 4. an seinen schweren Verletzungen. Das Bundeskriminalamt gibt (u. a. durch Rundfunk, Fernsehen, Massenmedien sowie durch eine Auslobung von 200.000 DM) bekannt, daß vordringlich der am 1. 1. 1952 geborene Knut Folkerts, der am 20. 5. 1952 geborene Christian Klar und der am 21. 7. 1954 geborene Günter Sonnenberg als dringend tatverdächtig gesucht werden.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 20967 A

24. April 1977
Beschimpfung Bubacks durch AStA-Kreise

Der Allgemeine Studenten-Ausschuß der Universität Göttingen veröffentlicht in seiner Zeitung einen anonymen Nachruf, in dem „klammheimliche Freude über den Abschuß“ Bubacks geäußert wird. Der Rektor der Universität erläßt umgehend eine aufsichtsrechtliche Verfügung, daß der sog. Nachruf öffentlich zurückzunehmen ist, seine weitere Verbreitung untersagt wird und die aus den Zwangsmitgliedsbeiträgen der Studentenschaft finanzierten Druckkosten zurückerstattet werden müssen. Der AStA erhebt Widerspruch, der Rektor ordnet die sofortige Vollstreckung an.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 20968, Abs. 1

3. Mai 1977
Erste Verhaftungen im Mordfall Buback

Durch Hinweise aus der Bevölkerung gelingt im baden-württembergischen Singen die erste Verhaftung im Mordfall Buback. Zwei Polizisten stellen zwei „verdächtige Personen“, die die Polizisten niederschießen, bei der Verfolgung in ­einem Feuergefecht jedoch schwer verletzt und verhaftet werden. Die beiden Festgenommenen sind Verena Becker und Günter Sonnenberg, der das Motorrad der Mörder Bubacks mietete. Der baden-württembergische Innenminister Karl Schiess gibt auf einer Pressekonferenz bekannt, daß die beiden Tatverdächtigen zwei Revolver, drei Pistolen, ein Stilett und eine Maschinenpistole mit sich führten. Die Maschinenpistole wird als Mordwaffe im Fall Buback identifiziert.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 20968, Abs. 3

11. Mai 1977
Weitere Beschimpfungen Bubacks durch AStA-Kreise

Der AStA der Universität Göttingen veröffentlicht ein Extrablatt, in dem der „Nachruf“ dadurch gerechtfertigt wird, daß Buback der „Kopf des Staatsschutzes, der Vater der Isolationsfolter und der Verteidigerausschlüsse“ (im Stammheimer Prozeß) gewesen sei und für Programm und Praxis des Polizeistaates stehe; die Freudenbekundungen über den Tod eines Reaktionärs seien durch die politische Disziplinierung an den Hochschulen, durch die Drohung des Staatsapparates mit Ordnungsrecht, Relegationen und Berufsverboten provoziert worden; nur in den Augen der Bubacks sei der Verfasser des „Nachrufs“, der BUF-Genosse (Bewegung Undogmatischer Frühling), ein Terrorist oder zu­mindest ein Sympathisant. Gleichzeitig veröffentlicht der AStA der Technischen Universität Hannover einen Nachdruck des „Nachrufs“, während der AStA der Technischen Universität Braunschweig die „Fortführung der Kampagne gegen die großen und kleinen Bubacks“ fordert.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 20968, Abs. 1

9. Juni 1977
Rechtsanwalt Croissant setzt sich wegen Verbindung zur Terroristen-Szene nach Frankreich ab

Der Rechtsanwalt Claus Croissant, der im Juni/Juli 1975 und im Juli 1976 wegen des Verdachts auf Mittäterschaft bei Aktionen des politischen Terrorismus kurzfristig in Untersuchungshaft war, erhielt im Mai 1977 ein eingeschränktes Berufsverbot und flieht trotz einer dadurch verfallenden Kaution von 80.000 DM nach Frankreich. Die baden-württembergische Landesregierung übermittelt über die Bundesregierung an die französische Regierung einen Antrag, Croissant wegen Verdachts der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung festzunehmen und auszuliefern. Croissant, der seine Flucht damit begründet, daß es ihm nicht mehr möglich erscheine, das Leben der Gefangenen der „Roten-Armee-Fraktion“ zu schützen, hat nach der Verhaftung von Meinhof, Ensslin und Baader (1972) damit begonnen, eine sog. Info-Zentrale zu schaffen, deren Aufgabe es war, den Häftlingen Möglichkeiten kollektiver Schulung, von Diskussionen, Information und weiteren Planungen sowie von Appellen an die Öffentlichkeit zu verschaffen. Personelle Beziehungen zwischen Croissant und Susanne Albrecht, Silke Maier-Witt, Sigrid Sternebeck sowie Angelika Speitel (aus dem Fall Ponto und dem Düsseldorfer Stockholm-Prozeß) als Mitarbeiter seines RA-Büros in Stuttgart, zu Siegfried Hausner (aus dem Überfall in Stockholm) als seinem Kanzlei-Gehilfen, zu Hans-Joachim Klein aus der OPEC-Affäre, aus dem Sartre-Besuch bei Baader und anderen Mitgliedern der Terroristen-Szene sind nach Angaben des BKA eindeutig nachgewiesen. Beschlagnahmte Papiere aus Croissants Wohnung und seinem Büro sollen ferner direkte Beziehungen zu den Mördern Bubacks sowie die Tatsache beweisen, daß Croissant nach Methoden der Geheimdienste ein zentrales Informationssystem des Terrorismus in der BRD mit Kontaktlinien nach Frankreich, Schweiz, Italien, Spanien, Irland, Nordafrika, Nahost, Skandinavien und Japan eingerichtet habe. Claus Croissant ersucht am 27. 7. 1977 um politisches Asyl in Frankreich.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21163 I

20. Juli 1977
Urteile gegen die Terroristen von Stockholm

Der IV. Senat des Oberlandesgerichts in Düsseldorf fällt die Urteile gegen die Terroristen im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Botschaft der BRD in Stockholm am 24. 4. 1975. Die überlebenden Terroristen Lutz Manfred Taufer, Bernhard Maria Rössner, Karl-Heinz Dellwo und Hanna Elise Krabbe werden zu zweimal lebenslangen Freiheitsstrafen wegen gemeinschaftlichen Mordes in zwei Fällen, der Nötigung eines Verfassungsorgans und der Geiselnahme verurteilt. Der Vorsitzende Richter läßt zu Beginn der Urteilsverkündung den Saal räumen, da Sympathisanten der Angeklagten in Sprechchören „Solidarität mit den Gefangenen“ und „Schluß mit der Vernichtungshaft“ fordern und den Vollzugsbeamten von Justiz und Polizei eine Massenrauferei liefern. Die Angeklagten werden wegen ungebührlichen Verhaltens ebenfalls ausgeschlossen. In der Urteilsbegründung heißt es, daß alle Attentäter nach einem sorgfältig und in allen Einzelheiten vorbereiteten Plan entschlossen gewesen seien, Geiseln zu erschießen; die Besetzer hätten sich als Einzelkämpfer verstanden und zum Ziel gehabt, die demokratische Ordnung in der Bundesrepublik mit rücksichtsloser Waffengewalt zu zerstören; wer im Einzelfall die tödlichen Schüsse auf die Diplomaten abgegeben habe, sei in der Beweisaufnahme nicht zu klären gewesen; ebenso habe man die Sprengung des Botschaftsgebäudes nicht aufklären können, die aber keinesfalls von dritter Seite erfolgt sei, sondern vermutlich auf Unachtsamkeit der Täter, auf technisches Versagen oder auf unbedachtes Verhalten der Geiseln zurückzuführen sei.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21141 A

30. Juli 1977
Ermordung von Jürgen Ponto

In der Villa des Vorstandssprechers der Dresdner Bank Jürgen Ponto kommt es zwischen diesem und drei Besuchern zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf Ponto durch fünf Schüsse getroffen wird, an deren Folgen er kurz nach der Einlieferung in die Frankfurter Universitätsklinik stirbt.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21164 A

2. August 1977
Erlaß von Haftbefehlen im Fall Ponto

Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe erläßt Haftbefehl gegen Susanne Albrecht (26), Silke Maier-Witt (27), Sigrid Sternebeck (28) und Angelika Speitel (25) sowie gegen einen Unbekannten. Die Begründung lautet für alle dringender Tatverdacht auf versuchten erpresserischen Menschenraub, versuchte Geiselnahme, vollendeten Mord aus niederen Beweggründen und um eine andere Straftat zu verdecken sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Generalbundesanwalt Kurt Rebmann erklärt auf einer Pressekonferenz in Karlsruhe ferner, daß der Mordanschlag der Terroristenszene zuzuordnen ist. Ferner bestehen Querverbindungen zu Claus Croissant, zum Anschlag auf die Botschaft in Stockholm, zum Mord an Generalbundesanwalt Buback und zum Mord am Berliner Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann. Des weiteren wird am 3. August 1977 noch Haftbefehl gegen Adelheid Barbara Schulz (22) und Eleonore Poensgen (23) erlassen. Poensgen wird aber wegen zahlreicher Alibizeugen wieder freigelassen.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21164 A

3. August 1977
Kabinettssitzung zur Terrorismusbekämpfung

Die Bundesregierung beschließt u. a., BKA, Verfassungsschutz und Bundesgrenzschutz weiter auszubauen. Bundesinnenminister Werner Maihofer berichtet bei dieser Gelegenheit, daß im Innenministerium fünf Arbeitsgruppen gebildet worden seien, die ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung des Terrorismus vorlegen sollen. Dies sei in erster Linie eine politische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, weshalb eine alle Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfende Ursachenforschung erforderlich sei. Hierbei seien u. a. folgende Fragen zu beantworten: Liege die Ursache in einem Strukturdefekt der Gesellschaft, so daß Terrorismus als strukturelle politische Kriminalität zu deuten wäre? Sei Terrorismus als natürlicher Kontrast zum Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zu verstehen, also eine Fehlentwicklung verständlichen jugendlichen Aufbegehrens gegen die Stumpfheit einer saturierten Konsumgesellschaft? Inwieweit trügen Philosophen, Hochschullehrer und andere „Schreibtischtäter“ historische Mitschuld, indem sie zunächst Gewalt gegen Sachen um des demonstrativen Effekts willen und sodann Gewalt als Notwehr gegen die Macht des Staates und der Gesellschaft gebilligt hätten? Sozial- und individualpsychologische Aspekte des Terrorismus seien gründlicher zu untersuchen, um zu klären, ob es sich um psychisch defekte Kriminelle mit politischem Alibi handele, also um eine „Revolution der Gestörten“.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21164 A

25. August 1977
Anschlag der RAF auf Bundesanwaltschaft gescheitert

Generalbundesanwalt Kurt Rebmann gibt bekannt, daß ein terroristischer Anschlag auf das Gebäude der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gescheitert ist. Gegen 10 Uhr sei in einem Privathaus etwa 10 Meter von der Rückfront der Bundesanwaltschaft entfernt bei dem 69jährigen Maler Theo Sand ein junger Mann in Begleitung einer jungen Frau nach vorhergehender telefonischer Anmeldung erschienen, um ein Bild zu erwerben. Nach zweistündiger Unterhaltung seien die beiden gegen 12.30 Uhr aufgesprungen, hätten Pistolen gezogen und gerufen: „Dies ist eine Aktion der RAF; sie richtet sich nicht gegen Sie“; man habe das Ehepaar Sand gefesselt und in einen Nebenraum gebracht; anschließend seien drei weitere junge Männer erschienen, die eine Kiste mitgeführt und daraus bis gegen 15 Uhr einen Flächenschußapparat mit 42 Rohren für raketenartige Sprengsätze nach Art einer „Stalinorgel“ montiert hätten; zu der Anlage habe auch ein Zeitzünder gehört. Dem Ehepaar Sand sei es gelungen, sich gegen 19 Uhr selbst zu befreien und die Polizei zu alarmieren; man habe zunächst für die Evakuierung der umliegenden Gebäude gesorgt und gegen 22 Uhr die Zündanlage entschärft. Die bisher einzigen Hinweise seien die Personenbeschreibungen durch das Ehepaar sowie zwei aufgefundene Fluchtfahrzeuge. Man habe einen „Bekennerbrief“ gefunden, in dem die Terroristen die „Fortführung des anti-­imperialistischen Kampfes“ angekündigt hätten.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21299 A

5. September 1977
Entführung von Hanns Martin Schleyer und Ermordung seiner vier Begleiter

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Hanns Martin Schleyer wird in Köln entführt. Die Entführer erschießen die vier Begleiter Schleyers und fordern die Freilassung von elf Baader-Meinhof-Terroristen. In Köln wird um 17.28 Uhr das Fahrzeug von Hanns Martin Schleyer u. a. durch einen auf die Fahrbahn geschobenen Kinderwagen gestoppt. Mindestens fünf Personen eröffnen sofort aus Maschinenpistolen das Feuer auf die zwei Fahrzeuge, wodurch der Fahrer Heinz Peter Marcisz (41) und die Leibwächter Polizeihauptmeister Reinhold Brändle (41), Polizeimeister Helmut Ulmer (24) und Polizeimeister Roland Pieler (20) ermordet werden. Schleyer wird von den Tätern entführt.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21300 A

5. September 1977
Schmidt ruft zu „Front gegen Terrorismus“ auf

Bundeskanzler Helmut Schmidt stellt in einer Erklärung über Rundfunk und Fernsehen u. a. fest: „Die Nachricht von dem Mordanschlag auf Hanns Martin Schleyer und die ihn begleitenden Beamten und Mitarbeiter hat mich tief getroffen, nicht anders als die Nachricht, die erst wenige Wochen zurückliegt, vom Mord an Jürgen Ponto, nicht anders als die Morde an Buback, Wurster und ­Goebel. Vier tote Bürger unseres Staates verlängern seit heute abend die Reihe der Opfer von blindwütigen Terroristen, die, wir waren uns darüber stets im klaren, noch nicht am Ende ihrer kriminellen Energie sind. Uns alle erfüllt nicht bloß tiefe Betroffenheit angesichts der Toten. Der Staat – ob die Organe des Bundes oder der Länder oder der Städte –, muß darauf mit aller notwendigen Härte antworten. Alle Polizei- und Sicherheitsorgane haben deshalb die uneingeschränkte Unterstützung der Bundesregierung und ebenso meine sehr persönliche Rückendeckung. Jedermann weiß, daß es eine absolute Sicherheit nicht gibt. Aber diese Einsicht kann nicht die staatlichen Organe davon abhalten, mit allen verfügbaren Mitteln gegen den Terrorismus Front zu machen … Der Terrorismus hat auf die Dauer keine Chance, denn gegen den Terrorismus steht nicht nur der Wille des ganzen Volkes. Dabei müssen wir alle trotz unseres Zornes einen kühlen Kopf behalten. Doch mit kühlem Kopf will ich sagen, daß sich einer, der jetzt noch verharmlost, der jetzt noch nach Entschuldigungen sucht, von der Gemeinschaft aller Bürger isoliert, die sich mit unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung identifizieren …“
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21301/2

7. September 1977
Croissant gibt ein Fernsehinterview

Das Zweite Fernsehen Frankreichs sendet ein Interview mit Croissant, zu dessen Beginn der Moderator feststellt, daß es im Gegensatz zur Polizei findigen Reportern der Sendeanstalt gelungen sei, den gesuchten Croissant aufzustöbern. Dieser erklärt u. a.: Auf die Frage, ob die Terroristen in Deutschland die Ursache polizeilicher Verfolgung seien oder ob polizeiliche Repression am Anfang des Terrorismus gestanden habe, sei festzustellen, daß noch nie eine Widerstandsbewegung vom Himmel gefallen sei. Das Regime der Nazis in der BRD habe die Repression organisiert. Sie wirkte sich gegen die ganze Linke aus. Nach dem II. Weltkrieg hätten in der BRD die Nazis wieder ihre Ämter angetreten, vor allem in der Wirtschaft. Die BRD sei als antikommunistische und antisozialistische Festung aufgerüstet und mit Atomwaffen versehen worden. Für die Baader-Meinhof-Leute gebe es kein anderes Mittel mehr, als mit Waffen gegen ein Regime zu kämpfen, das schon zum Faschismus übergegangen sei. Der deutsche Staat habe nur die Fassade gewechselt, die sozioökonomischen Strukturen haben sich nicht verändert. Die Terroristen in der BRD seien als Vertreter einer kommunistischen bzw. sozialistischen Bewegung anzusehen. Regierungssprecher Bölling gibt in Bonn vor der Presse zu, daß die Bundesregierung sehr irritiert sei, daß im französischen Fernsehen ein Interview mit dem durch deutschen Haftbefehl und von Interpol gesuchten Croissant veröffentlicht wird, während die französischen Behörden erklären, der Gesuchte sei nicht aufzuspüren.
Archiv der Gegenwart, 1977 S. 21305/7

19. September 1977
Schießerei in Den Haag zwischen Polizisten und Terroristen

In Den Haag versuchen zwei Unbekannte, bei einem Autoverleih ein Auto zu mieten, wobei sie sich verdächtig machen. Es kommt zu einer Schießerei mit herbeigerufenen Polizisten, von denen einer schwer verletzt wird, jedoch eine detaillierte Beschreibung der Täter liefern kann. Es werden mindestens zwei weitere Komplizen festgestellt. Es wird festgestellt, daß die Verdächtigen unter den Namen Axel Engelsberger und Ursula Dietrich bei einer Autoverleihfirma in ­Utrecht für den 22. 9. ein Auto bestellt haben.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21304/5

22. September 1977
Knut Folkerts in den Niederlanden festgenommen

Als die beiden Verdächtigen die Verleihfirma betreten, werden sie von Polizisten aufgefordert, sich zu ergeben, eröffnen aber sofort das Feuer, wobei ein Polizist ermordet, ein weiterer schwer verletzt wird. „Engelsberger“ wird verhaftet und wird als der der Mittäterschaft an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback verdächtigte Knut Folkerts identifiziert, seine Begleiterin – als die ebenfalls gesuchte Brigitte Mohnhaupt (die nach Verbüßung ihrer Haftstrafe freigelassen und sofort im terroristischen Untergrund verschwunden war) identifiziert – kann fliehen. Die niederländische Regierung beschließt, Folkerts nicht an die BRD auszuliefern, sondern ihn in den Niederlanden wegen Mordes vor Gericht zu stellen. Seine Verteidigung übernimmt der Utrechter Rechtsanwalt Hermann Bakker-Schut, bekannt seit seiner Verteidigung des niederländischen RAF-Mitglieds Ronald Augustin. Das BKA stellt hierzu fest, daß der Anwalt schon seit Jahren konspirative Verbindungen zu deutschen Terroristen unterhält. Der Anwalt bezeichnet dies als „übliche psychologische Kriegsführung der westdeutschen Justiz“. Die niederländische Polizei dehnt ihre Großfahndung außer auf Mohnhaupt auf folgende elf weitere Terroristen aus: Friederike Krabbe, Willy Peter Stoll, Christian Klar, Susanne Albrecht, Silke Maier-Witt, Adelheid Schulz, Elisabeth van Dyck, Rolf Wagner, Ursula Rothe, Dieter Salewski und Franzisca Souren.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21304/5

22. September 1977
Urteile im sogenannten „Kleinen Baader-Meinhof-Prozeß“

Die Vierte Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern verkündet die Urteile im sog. „Kleinen Baader-Meinhof-Prozeß“. Manfred Grashof (30) und Klaus Jünschke (29) werden wegen Mordes, Beihilfe zum Mord, schweren Raubes und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung (RAF) zu lebenslänglichem Freiheitsentzug verurteilt, Wolfgang Grundmann (28) wegen unerlaubten Waffen­besitzes und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung zu vier Jahren Haft, die durch die Untersuchungshaft als abgebüßt gilt. Die Staatsanwaltschaft hatte für Grundmann zehn Jahre Haft beantragt, doch sieht das Gericht die Anklagepunkte Beihilfe zum Mord, schwerer Raub und Beihilfe zum schweren Raub nicht als erwiesen an. Während des Prozesses, der am 2. 9. 1975 begann, wurden rund 240 Zeugen vernommen und 20 Sachverständige gehört. Hauptanklagepunkte waren der Überfall auf die Kaiserslauterner Hypotheken- und Wechselbank am 22. Dezember 1971, wobei Polizeiobermeister Herbert Schöner erschossen und 130.000 DM erbeutet wurden, sowie die Ermordung des Hamburger Kriminalhauptkommissars Hans Eckhardt am 2. 3. 1972.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21038 C

13. Oktober 1977
Entführung der Lufthansa-Boeing 737 „Landshut“

Die von Mallorca kommende „Landshut“ mit Flugkapitän Jürgen Schumann, ­Kopilot Jürgen Vietor sowie drei Stewardessen als Besatzung und 82 Passagieren – mehrheitlich Bundesbürger – an Bord wird um 13.30 Uhr über Elba von einem sich „Martyr Halimeh“ nennenden Kommando aus vier Arabern zum Abdrehen gezwungen und landet um 15.50 Uhr in Rom. Um 17.00 Uhr teilt die Flugsicherungszentrale Mailand als Forderung der Entführer die Freilassung von „Kampfgenossen, die in der Bundesrepublik und in der Türkei inhaftiert sind“ mit. (Gemeint sind die Terroristen der RAF Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe, Verena Becker, Werner Hoppe, Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernd Rössner, Ingrid Schubert, Irmgard Möller, Günter Sonnenberg.)
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21311/10, A

16. Oktober 1977
Ermordung des „Landshut“-Kapitäns Schumann

Der Lufthansa-Flugkapitän Jürgen Schumann wird in Aden von den Entführern ermordet.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21312, Abs. 2

18. Oktober 1977
Befreiung durch GSG 9 in Mogadishu

Um 00.05 Uhr beginnt, nachdem ab 23.50 Uhr Ablenkungsmanöver stattgefunden haben, die Aktion der GSG 9, die um 00.12 Uhr nach kurzem Feuergefecht, bei dem drei Terroristen erschossen werden, eine Terroristin schwer verletzt wird, bei unwesentlichen Verletzungen einiger Geiseln und eines GSG-Mannes, erfolg­reich beendet wird.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21312 B

18. Oktober 1977
Selbstmorde in Stammheim (Baader, Raspe, Ensslin)

Jan-Carl Raspe, Andreas Baader und Gudrun Ensslin verüben in der Strafvollzugsanstalt in Stammheim Selbstmord. Irmgard Möller überlebt mit Stichverletzungen in der Brust. Sie wird sofort in ein Krankenhaus überführt, wo sie erfolgreich behandelt werden kann. Vom baden-württembergischen Justizminister Traugott Bender werden Autopsien in Anwesenheit ausländischer Spezialisten angeordnet. Diese erweisen, daß es sich in allen Fällen einwandfrei um Selbstmord handelt und daß keine Anzeichen auf Fremdeinwirkung hinweisen. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Selbstmorde von Stammheim setzen in vielen Ländern, insbesondere in Italien, Frankreich und Griechenland, von Linksextremisten gesteuerte, teils auch spontane antideutsche Demonstrationen ein. Sie richten sich vor allem gegen die Niederlassungen deutscher Industriebetriebe, von denen zahlreiche u. a. durch Brand zerstört werden. Deutsche Reisebusse werden in Brand gesteckt, deutsche Konsulate und Generalkonsulate mit Steinen beworfen. Überall werden Polizeiposten verstärkt oder erstmals eingesetzt. In Demonstrationszügen werden die Selbstmörder als Opfer einer Mordapparatur der BRD dargestellt und als Märtyrer im Kampf gegen den Imperialismus ge­feiert.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21315/13

19. Oktober 1977
Reaktionen in der BRD auf die Selbstmorde

Eine Reihe der Vertrauensanwälte der von der Kontaktsperre betroffenen Häftlinge – u. a. Otto Schily, Axel Azzola, Hans-Heinz Heidemann, Hans-Joachim Weider – stellen auf einer Pressekonferenz in Bonn Überlegungen an, ob nicht die bisher bekanntgewordenen Informationen den Schluß zuließen, daß der Tod der Häftlinge auf Gewaltanwendung zurückgeführt werden müsse. Schily erklärt, er halte es für vorstellbar, daß es Apparate gebe, die aus ganz eiskalten Überlegungen heraus solche Taten vollbringen. Die Anwälte formulieren die Forderung nach Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission, weil der Staat von den Stammheimer Vorgängen in einer Weise betroffen sei, die seine Neutralität in Frage stelle. 17 Berliner Anwälte stellen in einem Telegramm an das Bonner Justizministerium fest, daß sie den Eindruck haben, daß die von Prof. Golo Mann in einer Panorama-Sendung am 17. 10. vorgetragene Erwägung, politische Häftlinge als Geiseln zu erschießen, bereits Wirklichkeit geworden ist. Der AStA der Frankfurter Universität diskutiert Fragen zum Terrorismus, wobei sehr bald die Frage aufgeworfen wird, wie die Pistolen in den Besitz der Häftlinge kamen, ob sie nicht ausreichend Beweis für die Vermutung sind, daß es sich nicht um Selbstmord handelt, sondern daß diese letzten Terroristen der ersten Generation umgebracht wurden. Daniel Cohn-Bendit stellt hierzu fest: Er könne zur Frage der Herkunft der Pistolen keine Antwort geben, sei aber sicher, daß die Bundesregierung sich den Tag ihres größten Triumphes in der Gestalt der Geiselbefreiung (gemeint die Befreiung der Lufthansa-Boeing 737 „Landshut“) nicht durch Morde in Stammheim habe verderben wollen, weshalb es sich doch mit Sicherheit um Selbstmorde handle. Daniel Cohn-Bendit wird nach seiner Äußerung von Anhängern der „linken Szene“ verprügelt.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21316, Abs. 3 u. 4

19. Oktober 1977
Hanns Martin Schleyer wird ermordet in Frankreich aufgefunden

Gegen 17.30 Uhr wird dem dpa-Büro in Stuttgart telefonisch folgende Mitteilung durchgegeben: „Wir haben nach 43 Tagen Hanns Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet. Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekulierte, kann ihn in der Rue Charles Peguy in Mülhausen in ­einem grünen Audi 100 mit Bad Homburger Kennzeichen abholen. Für unseren Schmerz und unsere Wut über die Massaker von Mogadishu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos. Andreas, Gudrun, Jan, Irmgard und uns überrascht die faschistische Dramaturgie der Imperialisten zur Vernichtung der Befreiungsbewegung nicht. Wir werden Schmidt und den ihn unterstützenden Imperialisten nie das vergossene Blut vergessen. Freiheit durch bewaffneten antiimperialistischen Kampf!“ Nach Auffindung der Leiche am bezeichneten Ort und ihrer Obduktion durch französische Gerichtsmediziner in Anwesenheit deutscher Experten wird festgestellt, daß Schleyer vermutlich gegen 4.00 Uhr am 18. Oktober, also lange nach Ablauf des Ultimatums am 16. 10. und kurz nach Bekanntgabe der Aktion von Mogadishu sowie kurz nach den Selbstmorden in Stammheim, durch drei Schüsse in den Kopf ermordet worden ist.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21316/14

9. November 1977
Entführung Palmers

In Wien wird der Textilfabrikant Walter Michael Palmers entführt. Nach späteren Erkenntnissen der Polizei soll die Entführung von Angehörigen der deutschen Terroristengruppe „Bewegung 2. Juni“ mit Hilfe österreichischer Sympathisanten aus dem Universitätsbereich und gemieteter Berufsverbrecher durchgeführt worden sein. Palmers wird nach Zahlung eines Lösegelds von 4,5 Mill. DM wieder freigelassen.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21457 G/1

11. November 1977
Verhaftung der RAF-Mitglieder Wackernagel und Schneider

Die niederländische Polizei nimmt in Amsterdam nach einer Schießerei zwei deutsche Terroristen fest: Christoph Wackernagel, dem insbesondere Beteiligung an der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer zur Last gelegt wird, und Gerd Richard Schneider, vor allem der Teilnahme am Anschlag auf das Oberlandesgericht in Zweibrücken verdächtigt. Drei Polizisten und Wackernagel werden leicht verletzt, Schneider schwer.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21457/2

12. November 1977
Selbstmord der RAF-Terroristin Schubert

Die Terroristin Ingrid Schubert (33) begeht in ihrer Zelle in der Münchner Haftanstalt Stadelheim Selbstmord durch Erhängen. Sie hätte eine Haftzeit von insgesamt 13 Jahren zu verbüßen gehabt, zu der sie 1974 vom Landgericht Berlin wegen versuchten Mordes, Gefangenenbefreiung, schweren Raubes und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden war. Sie gehörte zum sog. harten Kern der Baader-Meinhof-Gruppe und sollte sowohl im Rahmen der Aktion gegen die Botschaft der BRD in Stockholm als auch durch die Schleyer-Entführung und schließlich durch die „Entebbe-Aktion“ freigepreßt werden.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21457/3

6. Dezember 1977
Urteil in der Buback-Affäre

Das Schöffengericht beim Amtsgericht Göttingen verurteilt den Studenten der Germanistik Andreas Schraknepper wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Freiheitstrafe ohne Bewährung. Schraknepper, Mitglied des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands (KBW) und Vorsitzender des Kommunistischen Studentenbundes (der Hochschulorganisation KBW) in Göttingen, ist presserechtlich verantwortlich für ein Flugblatt mit dem Text eines Artikels aus dem KBW-Organ „Kommunistische Volkszeitung“, das am 12. 5. vom AStA in der Mensa verteilt worden ist. In diesem Flugblatt heißt es unter dem Titel „Buback erschossen, Gründe gibt’s genug, aber was nützt das schon?“ u. a.: „Gründe, einen Staatsanwalt, einen Richter, einen Regierungspräsidenten oder Polizeipräsidenten zu erschießen, ach herrje, Gründe gäb’s genug und auch gute … Buback ist jetzt erschossen. Aber die Brüder wachsen nach. Das weiß jeder. Diejenigen, die sich die Mühe gemacht haben, den Buback zu erschießen, sie hätten geradesogut auf eine Papierscheibe schießen können. Die wird auch immer neu wieder aufgezogen. Der Mist, auf dem diese Volksunterdrücker nachwachsen, ist der Mehrwert, den die Kapitalisten aus den Arbeitern herauspressen. Von diesem Mehrwert kann die Kapitalistenklasse immer Existenzen einkaufen, die den staatlichen Unterdrückungsapparat bilden …“
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21429 A

20. Dezember 1977
Verurteilung Folkerts

Das Gericht von Utrecht verhängt im Verfahren gegen Knut Folkerts wegen Mordes, versuchten Mordes und illegalen Waffenbesitzes 20 Jahre Freiheitsstrafe. Das Gericht sieht es als erwiesen an, daß Folkerts „kaltblütig und mit Vorbedacht, in Übereinstimmung mit einem vorher gefaßten Entschluß für den Fall seiner Festnahme“ am 22. 9. auf die Polizisten Arie Kranenburg (46) und Leendert Pieterse (36) geschossen hat, wobei der eine Beamte tödlich getroffen, der andere lebensgefährlich verletzt wurde. Zur Bewertung des Motivs führt das Gericht aus: „Es ist völlig unakzeptabel, daß in einem demokratischen Land – und das gilt für die USA und die BRD ebenso wie für die Niederlande – Individuen, die mit der betriebenen Politik nichts im Sinn haben, zur Gewaltanwendung übergehen. Solch ein Verhalten tastet die fundamentalsten Grundlagen des rechtsstaatlichen Prinzips an. Wenngleich die im Ausland begangenen Straftaten hier nicht zur Debatte stehen, können sie doch niemals gutgeheißen oder verharmlost werden …“
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21457/6

20. Dezember 1977
Verhaftung der RAF-Terroristen Kröcher-Tiedemann und Möller

Die Schweizer Polizei nimmt bei Delsberg die deutschen Terroristen Gabriele Kröcher-Tiedemann und Christian Möller fest. Beide versuchen, sich den Weg freizuschießen, wobei zwei Schweizer Zöllner sowie Möller verletzt werden. Möller (geb. 18. 10. 1949) war am 22. 6. 1977 unter dem Verdacht verhaftet worden, am 30. 3. 1977 gemeinsam mit Ingrid Barabass bei Raubüberfällen auf zwei Sparkassen in Kassel insgesamt 84.000 DM geraubt zu haben, wurden vom Haftrichter wegen mangelnder Beweise wieder freigelassen, tauchte anschlie­ßend unter und lebte seither im terroristischen Untergrund. Gabriele Kröcher-Tiedemann (geb. 1953 und mit Norbert Kröcher verheiratet, den die schwedische Polizei im Frühjahr 1977 zusammen mit Manfred Adomeit wegen versuchter Entführung der früheren Ministerin Anna-Greta Lejon verhaftet und in die BRD abgeschoben hatte) wurde 1973 wegen versuchten Mordes an einem Polizeibeamten in Bochum vom Schwurgericht zu sieben Jahren Haft verurteilt. Nach ihr wurde wegen Bankraubs in Berlin im Februar 1972 gefahndet. Sie wollte durch terroristische Kampfaktionen das Ruhrgebiet in ein „rot-revolutionäres Ruhr­gebiet“ umwandeln und dafür die „Rote Ruhr-Armee“ aufbauen. Nach ihrer Freipressung durch die Affäre Lorenz hat sie nach Ansicht der österreichischen Polizei an der OPEC-Affäre teilgenommen und höchstwahrscheinlich die beiden Morde begangen. Sie gilt als führender Kopf der „Bewegung 2. Juni“, zu der ferner Inge Viett, Juliane Plambeck und Gabriele Rollnick gehören. Die Gruppe soll in Berlin und Düsseldorf seit 1971 bei mindestens 12 Banküberfällen ca. 1 Mill. DM, durch die Wiener Entführung weitere 7,4 Mill. DM erbeutet haben. Die Bewegung gilt nach der Zerschlagung der Baader-Meinhof-Gruppe als „2. Front“.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21457/8

21. Dezember 1977
Verurteilung von Dierk Hoff

Der Staatsschutzsenat beim Oberlandesgericht Frankfurt/Main verurteilt Dierk Hoff (40) zu vier Jahren und acht Monaten Haft, da er schuldig sei, im Frühjahr 1972 in sechs Fällen eine kriminelle Vereinigung (Baader-Meinhof-Gruppe) unterstützt und ohne Erlaubnis Waffen hergestellt zu haben. In zwei Fällen habe er ferner fahrlässige Körperverletzung begangen, da bei der Explosion der von ihm hergestellten Bomben über 30 Menschen verletzt worden seien. Während des Prozesses, der am 25. 10. begonnen hatte, hatte Hoff ausgesagt, daß er zu Beginn seiner Kontakte zu Holger Meins und Jan-Carl Raspe nicht gewußt habe, wie gefährlich deren Pläne seien, was das Gericht jedoch nicht für glaubwürdig befindet. Hoff, von Beruf Metallbildner, hatte angeblich von beiden 1971 den Auftrag erhalten, Waffen für einen Revolutionsfilm anzufertigen und sei später, nachdem er mißtrauisch geworden sei, unter Drohungen gegen ihn und seine Freundin gezwungen worden, Handgranaten, Feldflaschenbomben, eine Maschinenpistole, eine Babybombe und sechs große Rohrbomben anzufertigen. Die Drohungen erkannte das Gericht an, nicht aber, daß dadurch Hoff in einen Notstand geraten sei, da er für seine Arbeiten mindestens 3.500 DM kassiert habe. In der Urteilsbemessung erkennt das Gericht an, daß Hoff nach seiner Verhaftung im Juli 1975 in vollem Umfang geständig gewesen ist, was erheblich zur Aufhellung der in Stammheim behandelten Probleme beigetragen hat. Durch seine Aussagen hat er sich ferner in den Augen der Terroristen zum Verräter gemacht und so erheblichen Mut bewiesen.
Archiv der Gegenwart 1977, S. 21458/9

Zusammengestellt von Hans-Helmuth Knütter und Alexander Helten

Abkürzungen der Literaturangaben
AL = Michael Bühnemann u. a. (Hg.): AL. Die Alternative Liste Berlin. Berlin 1984
APuZ = Aus Politik und Zeitgeschichte
Backes = Uwe Backes / Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 1996
BPA-Bulletin = Bulletin des Bundespresseamtes (Bonn)
Schlomann = Friedrich W. Schlomann: Die Maulwürfe. Berlin 1994



WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner