Das Jahr 1971

April 1971
Rote-Armee-Fraktion (RAF): „Das Konzept Stadtguerilla“

Die 15seitige, von Ulrike Meinhof verfaßte Schrift „Das Konzept Stadtguerilla“ taucht erstmals im April 1971 auf. Hierin bezeichnet sich die Gruppe auch zum ersten Mal mit dem Namen „Rote-Armee-Fraktion“. In dieser Schrift kommt Meinhof zu dem Schluß: „Wir behaupten, daß die Organisierung von bewaffneten Widerstandsgruppen zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik und West-Berlin richtig ist, möglich ist, gerechtfertigt ist. Daß es richtig, möglich und gerechtfertigt ist, hier und jetzt Stadtguerilla zu machen.“
Gerd Langguth, Die Protestbewegung in der Bundesrepublik Deutschland 1968–1976, Verlag Wissenschaft und Politik, Berend von Nottbeck, Köln 1976, S. 243

5. April 1971
Bericht des Bundesinnenministers Genscher zur Tätigkeit links- und rechtsextremer Gruppen

In diesem Bericht macht Genscher deutlich, daß der Bundesregierung rund 250 linksradikale Gruppen im Bundesgebiet einschließlich West-Berlins mit etwa 84.300 Mitgliedern bekannt sind. Davon gehören allein rund 81.000 Mitglieder 130 Moskau-orientierten kommunistischen Gruppen an.
„Die 120 anderen Organisationen verteilen sich auf fünf trotzkistische Gruppen mit rund 400 Mitgliedern, 20 maoistische Gruppen mit rund 800 Mitgliedern, fünf anarchistische Gruppen mit rund 80 Mitgliedern und sonstige linksradikale Gruppen mit rund 200 Mitgliedern. Die Gesamtzahl der Personen, die linksradikalen Gruppen angehören, beträgt etwa 65.000, da viele Personen bei mehreren Organisationen Mitglied sind.“ Insgesamt erscheinen 420 linksextreme Blätter mit einer Gesamtauflage von rund 2 Millionen Exemplaren. Dabei sollen die moskauorientierten Gruppen über ca. 320 Blätter mit einer Auflage von rund 1,650.000 Exemplaren verfügen. Die Erscheinungsweise der einzelnen Blätter ist verschieden. Im Jahre 1970 wurden insgesamt rund 11,2 Millionen Exemplare gedruckt, so daß sich ein Monatsdurchschnitt von knapp einer Million Exemplaren ergab.
Gerd Langguth, Protestbewegung am Ende – Die Neue Linke als Vorhut der DKP, v. Hase & Koehler Verlag, Mainz 1971, S. 61 f.

21. Mai 1971
Urteile im Baader-Prozeß

Das Berliner Schwurgericht verkündet die Urteile im ersten Prozeß wegen der gewaltsamen Befreiung von Andreas Baader am 14.5.1970. Der angeklagte Rechtsanwalt Horst Mahler, als APO-Anwalt bekannt, wird von der Anklage des versuchten Mordes und der gewaltsamen Befreiung freigesprochen, da ihm die Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden kann. Die mitangeklagte Medizinstudentin Ingrid Schubert wird zu sechs Jahren Haft, die Schülerin Irene Görgens zu vier Jahren Jugendhaft verurteilt.
Archiv der Gegenwart 1971, S. 16269 A

24. Mai 1971
Publikation in „Hochschulkampf“, Nr. 9/10 – Linke Gruppen äußern sich offen zur Gewalt

„… Noch immer zeigen die Genossen beim Steinewerfen zu wenig Disziplin. Wir haben beobachtet, daß Genossen einfach – aus Angst oder Hast – blind in die Gegend feuerten. Wir müssen zielsicher werfen, den Abwurf eines Steines genau kalkulieren, so daß der Bulle, das Schaufenster oder der Bullenwagen auch wirklich getroffen wird. Und sonst nichts. Dieses Wild-in-die-Gegend-Feuern ist Ausdruck der Schwäche. Wir müssen lernen, auch innerhalb von Straßenkämpfen und Aktionen, die in ihrem Ablauf nicht im voraus zu planen sind, uns die Initiative nicht aus der Hand nehmen zu lassen.“
Gerd Langguth, Protestbewegung am Ende – Die Neue Linke als Vorhut der DKP, v. Hase & Koehler Verlag, Mainz 1971, S. 57

19. Juni 1971
Lutz Fischer zur „Frage der Gewalt(-anwendung)“

Das Vorstandsmitglied des MSB Spartakus äußert sich in einem Interview mit der Neuen Westfälischen zum Thema Gewalt(-anwendung) wie folgt: „Wir wägen jeweils ab und setzen das adäquateste Mittel dann ein. Und in der ­historischen Phase, in der wir uns jetzt befinden, wird die physische Auseinandersetzung wahrscheinlich noch nicht das adäquate Mittel sein.“ Auf die Frage, ob diese heiße Phase noch bevorstünde, antworten die beiden Vorstandsmitglieder des MSB Spartakus Weber und Fischer: „Das ist eine Frage, wie die Entwicklung der Bundesrepublik weitergeht. Wenn z. B. die CDU wieder die Regierung übernimmt, wird die Auseinandersetzung sehr viel härter sein und auch die Auseinandersetzung in bezug auf Gewalt eine ganz andere sein als bei der jetzigen Regierung.“
Gerd Langguth, Protestbewegung am Ende – Die Neue Linke als Vorhut der DKP, v. Hase & Koehler Verlag, Mainz 1971, S. 60

12. Juli 1971
Tod von Petra Schelm

In Hamburg wird die zum harten Kern der Baader-Meinhof-Gruppe gerechnete Petra Schelm von der Polizei erschossen.
Archiv der Gegenwart 1971, S. 16278 B

5. Dezember 1971
Tod von Georg von Rauch

In Berlin wird Georg von Rauch von der Polizei erschossen. Er wird dem inneren Kern der Baader-Meinhof-Gruppe zugerechnet.
Archiv der Gegenwart 1972, S. 17119 B

Zusammengestellt von Hans-Helmuth Knütter und Alexander Helten

Abkürzungen der Literaturangaben


AL = Michael Bühnemann u. a. (Hg.): AL. Die Alternative Liste Berlin. Berlin 1984
APuZ = Aus Politik und Zeitgeschichte
Backes = Uwe Backes / Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 1996
BPA-Bulletin = Bulletin des Bundespresseamtes (Bonn)
Schlomann = Friedrich W. Schlomann: Die Maulwürfe. Berlin 1994

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