Begünstigung der politischen Linken durch die bundesdeutsche Verfassungsschutzkonzeption

Begünstigung der politischen Linken durch die bundesdeutsche Verfassungsschutzkonzeption – Gründe und verfassungsrechtliche Alternative

Josef Schüßlburner

Die Parteiverbotsdiskussion, welche die politische Kultur der Bundesrepublik, im Unterscheid zu liberalen Demokratien des Westens, nachhaltig prägt, richtet sich nur noch „gegen Rechts“, obwohl nach Erkenntnis eines CDU-Innenministers die Bundesrepublik Deutschland an der Schwelle zum Linksterrorismus steht. Der Beitrag versucht die Gründe für die Linksgerichtetheit der besonderen bundesdeutschen Demokratieschutzkonzeption zu erklären. Die Ausführungen des Beitrages lassen sich zusammenfassend in folgenden Thesen wiedergeben:

  1. Sofern mit dem gelegentlich von CDU-Politikern noch eingeforderten „antitotalitären Konsens“ gemeint ist, daß gegen „Verfassungsfeinde von rechts und links“ gleichermaßen vorgegangen wird, hat es diesen „Konsens“ in der Bundesrepublik Deutschland nie wirklich gegeben: Bundesdeutscher „Antitotalitarismus“ ist abgeleiteter und (ausnahmsweise) „auch gegen links“ angewandter „Antifaschismus“, wobei diese Erstreckung nur bei bestimmten, insbesondere außenpolitischen bzw. einbindungspolitischen Konstellationen durchsetzbar ist, so daß der auf die Besatzungsherrschaft zurückgehende Antifaschismus, also die Unterdrückung der politischen Rechten (von Konservativen und Nationalliberalen als „Nazis“) strukturell vorgegeben und jederzeit abrufbar ist.
  2. Selbst zur Zeit von Bundeskanzler Adenauer und des durchaus populären Antikommunismus zeigte sich: „Gegen rechts“, d.h. (konkret) mit der SRP ist „kurzer Prozeß“ gemacht worden, das KPD-Verbot konnte nur verzögert und wohl nur durch massive politische Einflußnahme bei erheblichen rechtsstaatlichen Skrupeln durchgesetzt werden, obwohl der SRP nur falsche („gegen den Liberalismus“ gerichtete) Ideologie, der KPD jedoch vorgeworfen werden konnte, Agentur einer zur Vernichtung der bundesdeutschen Verfassungsordnung entschlossenen feindlichen Macht zu sein.
  3. Die Einseitigkeit zugunsten der extremen Linken und damit (aufgrund des natürlichen ideologie-politischen Kontinuums) der politischen Linken generell, ist durch die spezielle Parteiverbots- und Demokratieschutzkonzeption der Bundesrepublik vorgegeben, die den „liberalen Demokratie des Westens“ fremd ist (BVerfG): Das Schutzgut dieser Verbotskonzeption, nämlich die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ (vgl. Art. 21 (2) GG) nimmt zwar eine Abgrenzung gegenüber der „totalitären Demokratie“ der politischen Linken vor, konzediert jedoch der (linken, totalitären) „Volksdemokratie“ den demokratischen Charakter, welcher der politischen Rechten aus ideologischen Gründen von vornherein nicht zugestanden wird.
  4. Sowohl die bundesdeutsche Demokratie mit spezieller Parteiverbots- und Grundrechtsverwirkungskonzeption, in der Tat „ein neuer Typ der demokratischen Staatsform“, „für die wir noch die richtige Vokabel suchen“ (GG-Kommentar), als auch die „Volksdemokratie“ rechtfertigen sich aus dem auf die Französische Revolution, Ursprung der „totalitären Demokratie“, zurückgehenden „jakobinischen Dilemma“ der Demokratie, die sich weit vorab vor der an sich für Demokratie stehende Mehrheit schützen will, welche die Demokratie abschaffen könnte: Um diese demokratiewidrige Mehrheit zu verhindern, müssen „Freiheit“ und „Demokratie“ über staatliche Werte zu Formeln der Gesinnungskontrolle und Meinungsbeschränkung gemacht werden: Die Bezeichnung „Deutsche Demokratische Republik“ für ein totalitäres Regime, das mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl gegen Rechts vorgeht, hat diese Jakobinerlogik für sich.
  5. Ein wesentlicher Grund, weshalb deutsche Kommunisten trotz des mit dem GG gerechtfertigten KPD-Verbots sich immer positiv gegenüber dem GG gezeigt haben, liegt darin, daß sie an der Formulierung der bundesdeutschen Parteiverbotskonzeption Anteil hatten und instinktiv erkennen, daß sich diese Konzeption bei Anlehnung an die klug konzipierte antifaschistische DDR-Verfassung von 1949 mit der Umformulierung von Grundrechten in staatliche Kompetenznormen zur Verfolgung politischer Opposition zur totalitären (Links-) Demokratie weiterentwickeln läßt: Die bundesdeutsche Verfassungsschutzkonzeption birgt „DDR-Potential“ in sich: Die staatliche Ächtung falscher politischer Auffassung vermindert die Meinungsfreiheit im Bereich des „Verfassungsschutzes“ methodisch auf den Stand der DDR-Verfassung von 1968/74, die die Garantie der Meinungsfreiheit auf „Verfassungsgrundsätze“ reduziert hatte.
  6. Das „DDR-Potential“ des bundesdeutschen Verfassungsschutzes verwirklicht sich derzeit vor allem durch eine gegen „diskriminierende“ Ideen gerichtete Anti-Diskriminierungsgesetzgebung „gegen Rechts“, die sich in der Handhabung des „Extremismus“ spiegelt: „Rechtsextremismus“ stellt überwiegend eine amtlich unerwünschte Ideologie dar, die im Wege der staatlichen Nachzensur in einer rechtsstaatlich unberechenbaren Weise bekämpft wird, während „Linksextremismus“ rechtsstaatlich eindeutiger am Maßstab der Gewaltbereitschaft beschrieben wird.
  7. Die weitgehende politische Irrelevanz des Vorwurfs des „Linksextremismus“, der einer Diskussionsbeteiligung im sozialisierten Rundfunk, ja einer Regierungsbeteiligung nicht entgegensteht, spiegelt den linken Charakter der bundesdeutschen Verfassungsschutzkonzeption: Deren Prämissen lassen es als grundsätzlich widersinnig erscheinen, die politische Linke, die auf eine demokratische Einheitsmeinung abzielt, zum Objekt eines Verfassungsschutzes zu machen, der damit methodisch verwandt eine demokratische Mitte-Konformität herbeizuführen will: „Extremismus“ kann bei beiden Ansätzen eigentlich nur rechts, als „Rechtsextremismus“ sein.
  8. Da nach der Einschätzung bundesdeutscher Demokraten (so Peter Glotz, SPD) die Deutschen ohnehin „Nazis“ wählen würden, wenn man sie nur einfach Demokratie praktizieren ließe, stellt die „DDR“, also der „Kampf gegen rechts“ mit „antifaschistischen Schutzwall“ konzeptionell das logische Ende einer ideologie-politischen Verfassungsschutz-Konzeption dar, mag sich dieses Potential auch nicht realisieren, aber es gibt eine entsprechende Tendenz hierzu, was durch die Tatsache illustriert werden kann, daß sich nunmehr die ehemalige DDR-Diktaturpartei als die eigentliche bundesdeutsche Verfassungsschutzpartei verstehen will.
  9. In der Tat muß eine Partei, wie Die Linke, die durch ihre Selbstbezeichnung deutlich macht, daß sie „links“ und damit logischerweise auch „rechts“ für bedeutsam hält, dabei aber mit der Kampfparole „Faschismus ist kein Meinung, sondern ein Verbrechen“ politische Konkurrenz von rechts generell illegalisieren will, notwendigerweise eine „DDR“ anstreben, wobei ihr die besondere VS-Konzeption vor- und zuarbeitet.
  10. Versuche der CDU, auch zur Wahrung ihrer Mitte-Position und zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wieder den Anti-Totalitarismus anzustreben, werden sich auf einer ideologischen Ebene mangels diesen Ansatz tragender einbindungsbedingter Interessen nicht mehr durchsetzen können: Die CDU würde es nicht einmal mehr wagen, mit dem Slogan „Freiheit oder Sozialismus“ Wahlkampf zu machen, obwohl dieser Slogan angesichts der extremen Linkstendenzen berechtigter wäre als zu der Zeit als damit Wahlkampf gemacht worden war.
  11. Um völlig legitimer Weise den von links ausgehenden Demokratiegefährdungen entgegentreten zu können, ist die Abkehr von einer ideologie-politisch ausgerichteten Demokratieschutzkonzeption erforderlich: In der Bundesrepublik Deutschland ist eine normale „liberale Demokratie des Westens“ (BVerfG) zu verwirklichen, indem eine Parteiverbotskonzeption verankert wird, wie sie in der Vereinsverbotsvorschrift des freien Königreichs Dänemark mit § 78 seiner Verfassung formuliert ist.
  12. Der entscheidende Schritt zur Verwirklichung einer liberalen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland ist die Verabschiedung vom amtlichen Extremismus-Begriff: Zur rechtsstaatlich legitimen Bekämpfung des umgangssprachlich oder auch politikwissenschaftlich als „Linksextremismus“ zu definierenden Phänomens, d.h. insbesondere seiner kriminellen Grundrechtsverhinderungsaktionen, ist der Extremismusbegriff rechtlich überflüssig; dessen Verabschiedung würde jedoch gleichzeitig der politischen Rechten endlich die unverbrüchliche Legalität sichern, die durch eine geheimdienstlich geschützte „Werteordnung“, welche mit rechtsstaatsfremden Kategorien wie „Rechtsextremismus“ operiert, strukturell beeinträchtigt ist.
  13. Politische Freiheit, insbesondere Meinungsfreiheit ist erreicht, wenn – wie für „die liberalen Demokratien des Westens“ (BVerfG) kennzeichnend – der friedliche Antagonismus von links und rechts zur politischen Entscheidungsfindung des Volks offen und frei in Erscheinung treten kann: Dieser Antagonismus ist das einzige demokratiekonforme Instrument, den ideologischen Gefährdungen von Demokratie durch das Instrument der freien politischen Auseinandersetzung zu neutralisieren.
  14. Der administrative und rechtliche Demokratieschutz ist in einer rechtsstaatlich legitimen Weise zu verwirklichen, indem das Schutzgut „freiheitliche demokratische Grundordnung“ als die „verfassungsmäßige Ordnung“ erkannt wird, die gemäß § 81 StGB (Hochverrat) vor politisch motivierter Gewaltbereitschaft geschützt werden darf. Dagegen ist die Vorstellung des „ideologischen Hochverrats“, der dem Extremismus-Begriff zugrunde liegt, als Verletzung des Prinzips der Volkssouveränität zu erkennen, das individualrechtlich das Recht zur unbegrenzten Verfassungsdiskussion gibt.

“Begünstigung der politischen Linken durch die bundesdeutsche Verfassungsschutzkonzeption – Gründe und verfassungsrechtliche Alternative”


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