Verkennen von Eigentum, Staat und Kapitalismus

Besprechung von Hans-Hermann Hoppe, Demokratie. Der Gott der keiner ist. 2001 

Josef Schüßlburner

Der in Deutschland mittlerweile in seiner partei-politischen Existenz bedrohte Liberalismus wird nur überleben und damit seine politische Wirksamkeit positiv zur Entfaltung bringen können, wenn er sich parteipolitisch auf der rechten Seite des politischen Spektrums positioniert. Für die Neukonstituierung der politischen Rechten in Deutschland werden aus dem liberalen Bereich durchaus sinnvolle Beiträge geleistet, insbesondere insoweit als dabei klargelegt wird, daß aus dem Liberalismus zwingend Argumente für einen Staaten- und Völkerpluralismus und damit für den Erhalt des Nationalstaates folgen.

Unter dem Gesichtspunkt muß man die Darlegungen im vorliegend besprochenen Werk von Hans-Hermann Hoppe, Demokratie. Der Gott der keiner ist. 2001, das bei seinen Anhängern einen Kultstatus erhalten hat und sicherlich viele kluge Argumente enthält, die das Buch ungeachtet der Problematik der zentralen These äußerst lesenwert machen, im Ergebnis als eskapistisch einstufen: Es weicht der gebotenen Selbsteinstufung des Liberalismus als politisch rechts aus und verdammt sich mit seiner Einstufung „jenseits von links und rechts“ zur politischen Unwirksamkeit. Umgekehrt ist Hoppe deshalb, trotz seiner radikal erscheinenden Aussagen, vor Nachstellungen des bundesdeutschen „Verfassungsschutzes“ geschützt. Bei einer Verortung „jenseits“ der üblichen politischen Lagerbildung, mit der bundesdeutscher „Verfassungsschutz“ etwas anfangen kann, beginnt eben die politische Irrelevanz. Da mag Hoppe noch so oft von der Friedrich-Naumann-Stiftung eingeladen (worden) sein. Der Ansatz, Freiheit durch Staatsüberwindung zu verwirklichen, liest sich zwar radikal, ist aber aufgrund seines utopischen Ansatzes für die etablierte (Verfassungsschutz-)Linke letztlich ungefährlich, ja sie mag sich sogar in einigen Punkten bestätigt sehen; denn letztlich ist es das zentrale utopische Anliegen der Linken, den Staat im Sinne von Engels „absterben“ zu lassen.

Hoppe offenbart nicht, vielleicht ist es ihm auch nicht bewußt, daß seine Grundthese auf den Schweizer von Haller zurückführt, der ungewollt der Restaurationszeit, der Epoche nach der Niederlage Napoleons den Namen gegeben hat. v. Haller hat als letzter Staatstheoretiker versucht, dem Begründungsansatz der Volkssouveränität eine grundlegende Alternative entgegenzuhalten, nämlich die Ableitung politischer Herrschaft aus dem Eigentumsrecht. Daß sich Hoppe auf einen derart extrem konservativen Ansatz abstützen muß, zeigt die Notwendigkeit der Positionierung des Liberalismus auf der rechten Seite des politischen Spektrums auf, zumindest seit dieser erkennen mußte, daß sein Widerpart nicht mehr der Konservativismus, sondern der Sozialismus ist, welcher mit dem Schlagwort Demokratie und dem damit verbundenen Gleichheitsgedanken eine Gesellschaftsordnung anstrebt, die einer sinnvollen „kapitalistischen“ Wirtschaftsordnung widerspricht. Da jedoch Demokratie, anders als noch im 19. Jahrhundert, von einem Liberalen nicht mehr wirklich kritisiert werden darf – das verbietet schon die von Tocqueville erkannte religiöse Grundstimmung, welche die Demokratieentwicklung trägt – umgeht man die eigentliche Demokratiekritik durch eine Staatskritik. Auch wenn sich die Kritik des hiermit besprochenen Buches gemäß seines Titels gegen die Demokratie zu richten scheint, ist damit eine Staatskritik gemeint. Eine derartige Staatskritik ist jedoch gerade bei einer liberalen Perspektive äußerst problematisch, weil es ohne die Staatskonstruktion keinen Kapitalismus geben kann, wie in der Rezension ausführlich dargelegt wird. Dabei wird Hoppe vorgeworfen, Eigentum, Staat und Kapitalismus grundlegend zu verkennen, womit er die zentrale wirtschaftliche Funktion des Staates, d.h. der gesetzten Rechtsordnung verfehlt, auch wenn diese Bedeutung sicherlich anders gelagert ist, als dies Sozialisten meinen.

Richtig ist an der Staatskritik, daß die Staatskonstruktion gerade im Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip der politischen Linken einen ideologischen Vorteil verschafft. Dem liberalen Anliegen kann bei dieser Situation nur entsprochen werden durch Befürwortung des Staatenpluralismus, womit sich der Liberalismus für den Erhalt des Nationalstaates einsetzen muß. Dies stellt wiederum eine politisch rechte Position dar. Hierbei könnte der Ansatz von Hoppe noch überzeugender formuliert werden, wenn man auf das Konzept der juristischen Personen abstellen würde, was ein Staat nämlich ist und seine Ähnlichkeit mit Kapitalgesellschaften erklärt, die in etwa zur selben Zeit entstanden sind wie der moderne Staat: Im Unternehmens- und Wettbewerbsrecht gibt es das Institut der Fusionskontrolle und insbesondere im US-amerikanischen Recht sogar ein Entflechtungsgebot, wenn anders eine marktbeherrschende und damit den Wettbewerb beeinträchtigende Stellung nicht zu vermeiden ist. Dieser Gedanke ist auch auf der Ebene der Staaten fruchtbar zu machen: Im Interesse der politischen Freiheit, die letztlich am effektivsten durch den Staatenpluralismus geschützt wird, ist den Staaten weitgehend ein Fusionsverbot aufzuerlegen, von dem nur etwa zur Verwirklichung des nationalen Selbstbestimmungsrechts, d.h. zur Herstellung von nationaler Demokratie abgewichen werden kann. Dagegen müßte ein Großstaat wie die USA schon wegen seiner Größe als solcher eigentlich aufgeteilt werden und „Europa“ als „Superstaat“ wäre von vornherein nach den richtig verstandenen Grundsätzen des klassischen Liberalismus illegitim und damit als politisches Programm ausgeschlossen!  

“Verkennen von Eigentum, Staat und Kapitalismus”

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