Politische Mitte als Obrigkeit – Rückgewinnung des Demokratischen durch Etablierung einer politischen Rechten
Josef Schülburner
(Stand: 23.05.2024) Die wesentliche Erkenntnis der Ausführungen des nachfolgend online gestellten Beitrags ist: Eine politische Mitte, die wie die bundesdeutsche selbsterklärte „Mitte“ nur mehr nach links vermittelt, die politische Rechte dagegen mit umfassend gemeinten ideologie-politischen Verbotsdrohungen in eine ideologie-politische Apartheid verbannt und damit – soll die ideologie-politische Einteilung links-Mitte-rechts einen Sinn haben – Teil der politischen Linken ist, sich nur noch insoweit als „Mitte“ bezeichnen kann, als sie dann zwar nicht mehr demokratiekonform zwischen links und rechts vermittelt, sondern zwischen unten und oben. Eine derartige „Mitte“ wird jedoch nicht mehr das sich aus dem politischen Ringen zwischen linken und rechten Formationen resultierende reversible Ergebnis der demokratischen Entscheidungsfindung darstellen, sondern Obrigkeit sein, die ihren Machtanspruch letztlich (zivil-)religiös und damit als „irreversibel“ begründet und dabei im Gegensatz zur politischen Freiheit steht. Eine nicht mehr zwischen rechts und links vermittelnde, sondern nur zwischen oben und unten vermittelnde Mitte wäre als „Mitte“ wieder dort angesiedelt, wo sie in vordemokratischen politischen Systemen verortet war, wie dies etwa im traditionellen China, dem „Reich der Mitte“ formuliert worden ist, nämlich als bloßes, letztlich politisch inhaltsleeres Machtzentrum. Der westliche Sonderweg der Menschheitsentwicklung, der für die Entwicklung zur Demokratie steht, besteht jedoch darin, daß man die offene politische Auseinandersetzung zwischen einem rechten und einem linken Teil eines Volks um die jeweils zeitlich befristete Hegemonie entsprechend dem Mehrheitsprinzip einer freien Demokratie zu akzeptieren gelernt hat. Genau in diesem Mechanismus liegt das demokratische Element des Politischen, darin besteht das Politische überhaupt. Die Rückgewinnung des demokratischen Elements in der bundesdeutschen Politik erfordert daher die Etablierung einer allgemein als legitim akzeptierten politischen Rechten. Damit werden die obrigkeitlichen Züge der Mitte, wie insbesondere die als „Einbindung“ bezeichnete internationale Irreversibilität und Alternativlosigkeit, wofür zunehmend „Europa“ steht, überwunden und eine funktionierende Volksherrschaft in Deutschland hergestellt. Die Ausführungen lassen sich mit folgenden Thesen zusammenfassen:
1. Eine selbsterklärte politische Mitte, die durch prominente Beteiligung beim „Kampf gegen rechts“ nur noch nach links vermittelt, ist Teil der politischen Linken. Der tatsächliche Nachweis des linken Charakters der bundesdeutschen Mitte wird dadurch erbracht, daß es mittlerweile undenkbar ist, daß CDU / CSU mit der Parole „Freiheit statt Sozialismus“ in den Wahlkampf ziehen, da sich diese Parole gegen sie selbst richten würde.
2. Die Mitte-Position kann dann nur noch aufrechterhalten, indem die Mitte nicht mehr demokratiekonform zwischen links und rechts, sondern eher vor- oder postdemokratisch zwischen oben und unten, d.h. zwischen einer übergeordneten realen Macht (Siegermacht USA) oder gar einer transzendenten Macht (Anerkennen des alliierten Bombenlegens als „Gottesgericht“) und den „Menschen in Deutschland“ vermittelt, was die Volksherrschaft in Deutschland in die Selbstverwaltung einer zivilreligiösen Bewältigungsgemeinschaft transformiert.
3. Der Charakter der Mitte als Obrigkeit, der sich aufgrund dieser Art der vor- / postdemokratischen Ver-Mittelung ergibt, drückt sich mentalitätsmäßig in der Hochschätzung möglichst vermittelnder Institutionen, wie dem deifizierten Grundgesetz und dem oligarchischen Bundesverfassungsgericht aus, während weniger vermittelnde Institutionen wie Parteien, welche die unmittelbare Parteiergreifung und damit Demokratie darstellen, eher auf Verachtung stoßen.
4. Da aber die offene Auseinandersetzung zwischen einer linken und einer rechten politischen Richtung um die zeitlich befristete ideologie-politische Hegemonie kennzeichnend für eine freie Demokratie ist, ist die politische Freiheit in der Bundesrepublik Deutschland durch die Linksvermittelung der politischen Mitte, welche in Übereinstimmung mit der obrigkeitlichen oben-unten-Ver-Mittelung nur noch die Gleichheitsanliegen der Linken, wie die Ersetzung der Deutschen durch „Menschen in Deutschland“ oder die Abschaffung des internationalen Währungspluralismus (Währungssozialismus), als legitim erachtet, strukturell gefährdet.
5. Das Potential dieser strukturellen Freiheitsgefährdung durch die generelle Links-Ver-Mittelung der Mitte droht sich etwa durch ideologiepolitisch einseitige Parteiverbotsverfahren, amtliche Feinderklärungen gegen rechts, was mit der Erhöhung des repressiven zivilreligiösen Charakters der Mitte-Obrigkeit einhergeht, zu realisieren, weil nur dadurch der zunehmende Mangel des repräsentativen Charakters parlamentarischer Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland, die etwa in einer gegen die Mehrheitsmeinung gerichteten Europapolitik deutlich wird, aufrecht erhalten werden kann.
6. Das DDR-Potential dieser Freiheitsgefährdung läßt sich daran ermessen: Eine Partei, die durch ihre Eigenbezeichnung Die Linke deutlich macht, daß für sie die traditionelle links-(Mitte)-rechts-Anordnung von zentraler Bedeutung ist, dabei aber rechts unter der Parole „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ verknasten will, kann bei Zustimmung der politischen Mitte nur die Neuerrichtung einer neuen Art von DDR anstreben wollen, bei der die Mitte zur ideologischen Blockpartei eines Linksregimes gerinnt.
7. „DDR“ bedeutet historisch „Kampf gegen rechts“ und damit gegen die Freiheit der Deutschen, zumindest mit der Wahl von rechts ihren gemäß dem „ehernen Gesetz der Oligarchie“ (Michels) zur Obrigkeit (Mitte als Machtzentrum) strebenden Politikern drohen zu können, durch Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl; dies war möglich gewesen, indem feindliche Besatzungsmächte unter dem Vorwand des Antifaschismus den traditionellen rechten Flügel des deutschen Parteiwesens gekappt haben.
8. In der Bundesrepublik Deutschland kommt dieser gegen Konservativismus und Nationalliberalismus gerichtete freiheitsfeindliche Antifaschismus der Besatzungsmächte in der auf Ausschaltung von Ideen und damit gegen die Meinungsfreiheit, Grundlage der Freiheit überhaupt, gerichteten Parteiverbotskonzeption des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck, die sich durch „Verfassungsschutz“ als Parteiverbotsersatzregime zu einem ideologie-politischen Notstand in Permanenz verewigt hat.
9. Die Mitte, die einst ihre Mitte-Position durch die Ausweitung des Antifaschismus zum Antitotalitarismus „auch gegen links“ zu retten versucht hat, was zum KPD-Verbot führen konnte, legt nunmehr durch ihre prominente Mitwirkung am „Kampf gegen rechts“ ersichtlich keinen Wert mehr auf ihre gewissermaßen demokratiekonforme Mitte-Position; damit wird notwendigerweise die vordemokratische oben-unten-Ver-Mittelung durch Irreversibilitätserklärung, politische Alternativlosigkeit und Zivilreligion (Sakralisierung des Grundgesetzes, insbesondere seines „ungeschriebenen Teils“) bei Dämonisierung der Rechtsoption gesteigert.
10. Dieser obrigkeitlichen Mitte ist, eine entsprechende Aussage von Machiavelli in Demokratische übersetzt, entgegenzuhalten: „Mir scheint, wer die Kämpfe zwischen der rechten Partei und der linken Partei verdammt, der verdammt auch die erste Ursache für die Erhaltung der demokratischen Freiheit.“
11. Will die bundesdeutsche Mitte wieder eine demokratiekonforme Mitte werden, wird man vor ihr verlangen müssen, sich für die Freiheit einer rechten politischen Position einsetzen zu müssen, auch wenn sich diese gegen die internationalen Einbindungsanliegen der nicht mehr ultramontanen, sondern ultraozeanischen Mitte wendet: Die Mitte muß dann akzeptieren, daß man die Frage der Abschaffung des währungssozialistischen Euro, des Austritts aus der EU und der NATO auf die Tagesordnung von Wahlen setzt, ohne daß dies zu autokratischen Diffamierungen in amtlichen Mitteschutzberichten (sog. „Verfassungsschutzberichten“) führt.
12. Politische Freiheit, insbesondere Meinungsfreiheit, ist dementsprechend erreicht und der Charakter der Mitte als Obrigkeit überwunden, wenn – wie für „die liberalen Demokratien des Westens“ (BVerfG) kennzeichnend – der friedliche Antagonismus von links und rechts zur politischen Entscheidungsfindung des Volks offen und frei in Erscheinung treten kann.
Hinweis
Der nachfolgend online gestellte Beitrag geht auf einen Vortrag zurück, der vor Auftreten der Oppositionspartei Alternative für Deutschland (AfD) gehalten worden ist. Dies sollte deutlich machen, was bei einer Ausschaltung dieser Partei durch die Instrumente des bundesdeutschen Demokratiesonderwegs (ideologischer Parteiverbot, „Verfassungsschutz“, weltanschauliche Diskriminierung im öffentlichen Dienst und dergleichen mehr) demokratietheoretisch auf dem Spiel steht, nämlich die freie Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland als solche. Diese würde durch eine Autokratie der Mitte ersetzt werden. Der Beitrag kann auch als Ergänzung zu der gerade erschienenen Neuauflage des Kaplakenbandes zur „Mitte“ gelesen werden:
Josef Schüßlburner
Konsensdemokratie. Die politische „Mitte“ als Demokratieproblem
Neuauflage 2024, Reihe kaplaken, Band 24, Verlag Edition Antaios (Gebundene Ausgabe), 8,50 Euro
ISBN: 9783935063944