Interview zum Verfassungsschutz

Interview mit Josef Schüßlburner zum Verfassungsschutz anläßlich der rechtswidrigen Ankündigung der AfD als „Prüffall“ durch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und von Teilen dieser Partei als „Verdachtsfall“

Die Einstufung der größten deutschen Oppositionspartei durch den Verfassungsschutz (VS) als „Prüffall“ und Teile der AfD als „Verdachtsfall“ zeigen: Die Bundesrepublik Deutschland praktiziert eine Staatsschutz-Konzeption, die der westlich-liberalen Tradition im Kern widerspricht. Doch die Aussichten der AfD, sich dagegen zu behaupten, sind nicht schlecht.

Das Interview behandelt die Problematik eines bundesdeutschen Demokratie-Sonderwegs, der seinen Ausgangspunkt in einer vom Standardmodell westlicher Demokratien abweichenden Parteiverbotskonzeption hat, die in einer Bewertung zu einem jüngsten kongenialen Parteiverbot in Süd-Korea wie folgt zum Ausdruck kommt: „Im internationalen Vergleich steht Korea mit seinem historischen Parteiverbot in der Reihe nur weniger anderer Staaten wie Ägypten, Deutschland, Spanien, Thailand und der Türkei.“

Diese Situation erfährt eine Radikalisierung durch die Begründung eines Parteiverbotsersatzsystems, das die behauptete Legalitätswirkung, die der Monopolisierung des Parteiverbots beim Bundesverfassungsgerichts zugeschrieben wird, leider mit Zustimmung der Rechtsprechung entschieden negiert. Danach dürfte nämliche keine staatliche Stelle vor einem förmlichen Verbot behaupten, daß eine verfassungswidrige Partei vorliege. Das Parteiverbotsersatzregime besteht vor allem im Einsatz der Inlandsgeheimdienste gegen eine unerwünschte Oppositionspartei, was in Form von „Verfassungsschutzberichten“ zu einer Beteiligung der Polizeiministerien an der Meinungsbildung des Volkes führt. Obwohl diese Berichte keine rechtliche Bedeutung haben (so ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht) stellen sie die Grundlage dar, um gegen Parteimitglieder und Anhänger einer „noch nicht verbotenen Partei“ ideologie-politische Disziplinarmaßnahmen im öffentlichen Dienst durchzuführen, um zu verhindern, daß diese unerwünschte Partei den Wählern attraktive Kandidaten anbieten kann.

Dies richtet sich zentral gegen Mehrparteienprinzip, Chancengleichheit der Parteien, freie Meinungsbildung des Volks und Freiheit des Wahlaktes. Und dies wird mit Hilfe einer Institution vorgenommen, welche die irreführende Bezeichnung „Verfassungsschutz“ trägt und immer wieder als Skandalbehörde in Erscheinung getreten ist. Irreführend ist diese Bezeichnung, weil diese nachgeordneten Behörden der Innenministerien die Verfassung gar nicht wirklich schützen können: Als staatliches Organisationsstatut wird die Verfassung naturgemäß von Politikern der Regierung gefährdet, die dazu die Macht haben. Darüber findet sich in „Verfassungsschutzberichten“ nichts ausgeführt. Bürger und Parteien, die keine Macht haben, können die Verfassung, abgesehen von politisch motivierter Kriminalität, nur dann „verletzen“ oder „gefährden“, wenn man die Verfassung, also das Grundgesetz, religionsrechtlich handhabt, wonach bereits die (angebliche) Kritik am Grundgesetz eine „Verletzung“ darstellt, was aber den Charakter einer weltlichen Demokratie verfehlt.

„Verfassungsschutz“ als Geheimdienst ist konzeptionell mehr Militär als Polizei, was man daran erkennt, daß von Amtswegen Feinde bekämpft werden, nämlich die im Grundgesetz nicht vorkommenden „Verfassungsfeinde“. Dieser „Verfassungsfeind“ wird als „Extremist“ eingeordnet, eine Kategorie, die in den Ermächtigungsnormen des Verfassungsschutzes nicht vorkommt und zu einer ideologie-politischen Einordnung führt, die im Kontrast mit dem Rechtsstaatsprinzip, insbesondere im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot wegen politischer Anschauungen und der Allgemeinheit (= weltanschaulichen Neutralität) des die Meinungsfreiheit rechtmäßig beschränkenden Gesetzes steht. Dies richtet sich auch gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes, weil unter dem Begriff des „Extremismus“ zum einen sicherlich als rechtswidrig zu kennzeichnende politische Kriminalität erfaßt wird und gleichzeitig unerwünschte Auffassungen völlig rechtstreuer Bürger. Im Wege eines fast als rassistisch einzustufenden Zurechnungskollektismus wird dann politisch motivierte Kriminalität rechtstreuen Bürgern zugerechnet, obwohl rechtsstaatliche Zurechnungskriterien wie Anstiftung oder Beihilfe nicht vorliegen.

Wegen der Vorselektion durch den überwiegend ideologie-politisch gehandhabten Begriff des „Extremismus“ wird natürlich bei etablierten Parteien nicht nach Verfassungsfeindlichkeit gesucht und dementsprechend auch nichts gefunden, obwohl selbst ein ehemaliger Präsident des Bundesamtes „linksradikale Kräfte in der SPD“ erkannt hat.

Aufgrund eines weltanschaulich-ideologischen Kontinuums, das nicht anrüchig ist, weil es zwischen den Menschen keine absolute Fremdheit gibt, ist die ideologie-politische Abgrenzung, die vom deutschen „Verfassungsschutz“ vorgenommen wird, rechtsstaatlich nicht operabel. Wie in normalen „liberalen Demokratien des Westens“ (so das Bundesverfassungsgericht im KPD-Urteil zur Abgrenzung normaler Demokratien von der bundesdeutschen Parteiverbotsdemokratie) ist auf das Gewaltkriterium (einschließlich Gewaltbereitschaft) zur Kennzeichnung verfassungswidriger Bestrebungen abzustellen. Dementsprechend ist der Inlandsgeheimdienst auf die Bekämpfung des unrechtmäßigen Machterwerbs (Hochverrat) und vergleichbarer politisch motivierter Kriminalität wie Terrorismus, was geheim vorbereitet wird, zu beschränken.

Im Ergebnis wird daher der von den Inlandsgeheimdiensten „beobachteten“ Hauptoppositionspartei im Deutschen Bundestag empfohlen, eine alternative Staatsschutzkonzeption zu entwickeln, die den Normalstandards einer liberalen Demokratie des Westens entspricht.

Eine gekürzte Fassung dieses Interviews findet sich in der April-Ausgabe 2019 des Monatsmagazins „Zuerst“ auf den Seiten 25 bis 27 unter der Überschrift „Mehr Militär als Polizei“ erschienen.

Zur Vertiefung der Aussagen des Interviews wird auf die Broschüre verwiesen: Josef Schüßlburner, „Verfassungsschutz“ – Der Extremismus der politischen Mitte, erschienen 2016 als Heft 30 der vom Institut für Staatspolitik herausgegebenen Wissenschaftlichen Reihe. Bezug über: Rittergut Schnellrode, Oberdorf 24, 06268 Steigra. Per E-Mail: vertrieb@antaios.de. Erhältlich auch hier.

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