Eine rechte und liberale Verfassungsoption

Eine rechte und liberale Verfassungsoption – Überlegungen zum 140. Jahrestag des Erlasses der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871, bzw. zum 144. Jahrestag der Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867

Josef Schüßlburner

Für den Erfolg der Bundesrepublik Deutschland sind noch immer die grundlegenden Entscheidungen zur Rechts- und Wirtschaftordnung maßgebend, die zur Zeit der sog. Bismarckschen Reichsverfassung unter der politisch-ideologischen Hegemonie der politischen Rechten (Konservative und Nationalliberale) getroffen wurden. Da diese Reichsverfassung als die legitimste Verfassung der deutschen Geschichte angesehen werden kann, ist sie noch in einer Weise mentalitätsprägend, daß ein Politologe von einem „latenten Verfassungskonflikt“ zwischen der bundesdeutschen Verfassung und den immer noch von der Verfassung von 1867 / 1871 geprägten Erwartungen der Deutschen an ihr politisches System spricht.

Dies gäbe der in der Bundesrepublik Deutschland diskriminierten politischen Rechten die Möglichkeit, ihre Wirkung dadurch zu erhöhen, indem sie sich für eine republikanisch-demokratische Version dieser Reichsverfassung als Verfassungsoption ausspricht. Letztlich meint dies auch der Parteienkritiker von Arnim, wenn er zur Bewältigung der grundlegenden Krisen der bundesdeutschen Verhältnisse für die Übernahme des US-amerikanisches Verfassungsmodells plädiert. Diese Verfassungsordnung würde einen rationellen verfahrenrechtlichen Verfassungsschutz ermöglichen, womit der ideologisch ausgerichtete bundesdeutsche „Verfassungsschutz“ endlich im Interesse der politischen Freiheit und des weltanschaulich-politischen Pluralismus überwunden werden könnte. Die dazu notwendige Verfassungsdiskussion ist als permanenter Prozeß zu verstehen, deren Erfolg nicht unbedingt dadurch nachgewiesen wird, daß förmlich eine andere Verfassung verabschiedet wird. Vielmehr kann durch die Geltendmachung maßgeblicher Überlegungen für eine alternative Verfassung auf die Praktizierung und das Verständnis der bestehenden Verfassung eingewirkt werden. Andere politische Kräfte werden dann nämlich versuchen, den Anliegen, mit denen die Verfassungsalternative begründet wird, im Rahmen der bestehenden Verfassung Rechnung zu tragen, wie etwa die Unabhängigkeit des Parlamentsabgeordneten, die in einem Präsidialregime besser gewährleistet ist, als in der parlamentarischen Demokratie dadurch zu verwirklichen, daß die Gründungsfreiheit für neue Parteien erhöht wird, so daß ein Abgeordneter ein realistisches Drohpotential gegen den Fraktionszwang hat.

Wird nur der politischen Linken erlaubt, alternative Verfassungsoptionen auszudrücken, dann dürfte sich die Verfassungsrealität unter dem Grundgesetz zunehmend der Situation annähern, die in der „anti-faschistischen“ DDR-Verfassung von 1949 beschrieben ist. Der weltanschaulich-politische Pluralismus kann dann in der Bundesrepublik nur dadurch gesichert werden, wenn diesen auf die demokratische Einheitsmeinung gerichteten linken Bestrebungen nachdrücklich eine die Freiheit sichernde rechte Verfassungsoption entgegengehalten wird. Der Kompromiß könnte dann sein, daß das bestehende Grundgesetz wenigstens in der einer normalen westlichen Demokratie entsprechenden Weise, d.h. unter Einschluß der Anerkennung einer Rechtspartei als legitim praktiziert wird.

Die Überlegungen zur sog. Bismarckschen Reichsverfassung schließen die verfassungspolitischen Betrachtungen ab, die mit den Darlegungen anläßlich des 60. Jahrestages des Inkrafttretens des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland begonnen wurden, siehe EF-Magazin: Geschichte Zivilreligiöse Verfassungsuntertänigkeit, dann ihre Fortsetzung fanden in Überlegungen anläßlich des 90. Jahrestages des Inkrafttretens der Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Reichsverfassung) vom 11. August 1919, siehe EF-Magazin: Die Verfassung einer freien Demokratie in Deutschland, und zu den Betrachtungen anläßlich des 60. Jahrestages des Inkrafttretens der (ersten) Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949, siehe EF-Magazin: Betrachtungen zum 60. Jahrestag des Erlasses der Verfassung der DDR, und schließlich zu den Betrachtungen zum 160. Jahrestag des Erlasses der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850 geführt haben, siehe EF-Magazin: Preussens Gloria Katéchon gegen die demokratische Despotie.

Eine rechte und liberale Verfassungsoption”

Dieser Beitrag wurde inzwischen, Stand April 2021, überarbeitet und ist nun hier einsehbar:
Verfassungsdiskussion Teil 8 – Beiträge zur Verfassungsdiskussion – 8. Eine rechte und liberale Verfassungsoption: Eine demokratisch-republikanische Version der Bismarckschen Reichsverfassung

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