Die internationale Objektstellung Deutschlands im Rahmen der amerikanischen Weltordnung
Josef Schüßlburner
(19.04.2022) Der Demokratie-Sonderweg BRD mit einer für eine liberale Demokratie des Westens exzeptionellen Parteiverbotskonzeption und einem aus dieser abgeleiteten Parteiverbotsersatzregime eines permanent wirkenden ideologie-politischen Notstands ist wesentlich auf die internationale Objektstellung der Bundesrepublik im Rahmen der Herrschaft der Weltmacht USA zurückzuführen. Von den möglichen Herrschaftsmethoden einer Weltmacht im demokratischen Zeitalter bietet sich neben hegemonierbaren internationalen Organisationen und neben Annexion (die nur unter bestimmten Bedingungen wie Marginalisierung oder Vertreibung oder gar Ausrottung der Bevölkerung des annektierten Gebiets demokratiekompatibel ausgestaltet werden kann) als modernes Herrschaftsinstrument, insbesondere wenn diese internationalen Organisationen nicht wie vorgesehen, einsetzbar sind, bei dann notwendigem Rückgriff auch das klassische internationale Machtsystem in der Nachfolge der Herrschaftsmethodik des sog. Kolonialismus die Schaffung von Einflußzonen an, die von der Hegemonialmacht in der Weise beherrscht werden, daß ein der Hegemonialmacht geneigtes Personal im beherrschten Gebiet zur Macht verholfen wird. Ideal ist für einen sich auf Demokratie berufenden Hegemon ein ihm geneigtes Personal dadurch zur Macht zu bringen, indem man in einem eroberten Gebiet, das bislang diktatorisch oder zumindest nicht ganz demokratisch regiert wurde, eine Demokratie errichtet und so Demokraten (genuiner oder auch nur ideologischer Art wie „Volksdemokraten“) die Macht verschafft und diese über oktroyierte, paktierte oder auch freie Verfassungen absichert. Liegt jedoch im hegemonisierten Gebiet bereits eine Demokratie vor, wird sich der demokratische Hegemon bei Bedarf, d.h. wenn die freie Wahl ihm feindlicher Kräfte droht, mehr durch indirekte Methoden (Geheimdiensteinsatz) Einfluß verschaffen, weil dies das Demokratieimage wahrt. Der Hegemon wird aber auch nicht davor zurückschrecken, die Demokratie durch ihm geneigte Militärdiktaturen ablösen zu lassen (wie dies durch die USA in Südamerika häufig erfolgt ist) oder auf eine im Machtinteresse des Hegemonen manipulierbare Demokratie hinwirken. Dies kann dann ideologisch damit begründet werden, daß es im Rahmen einer weltweiten (demokratischen) Werteordnung schon weniger freie Gebiete geben darf, wenn dies insgesamt der democracy also dem Hegemonen nützt, welcher democracy verkörpert.
Dementsprechend ist von einem Vertreter des amerikanischen Establishments die Frage, was deren politisch maßgebliche Richtung unter Demokratie verstehe, dahingehend beantwortet worden: „Nicht etwa Volksherrschaft, wie unbedarfte Zeitgenossen vielleicht glauben, sondern die Etablierung von politischen Parteien, die amerikahörige Führer hervorbringen. Wie es etwa in Deutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg gelungen ist“ (Nachweis im Text).
Von ihrem historischen Ausgangspunkt her stellt die UNO als Kern der neuen (amerikanischen) Weltordnung friedliebender, wenn nicht demokratischer Staaten ein antideutsches Kriegsbündnis dar. Dieses hatte – anders als bundesideologisch verkündet – bekanntlich nicht den Zweck, Deutschland zu befreien. Dies kommt in den Festlegungen der US-Direktive JCS 1067 vom 26.04.1945 unzweideutig zum Ausdruck; danach wird Deutschland „nicht zum Zwecke seiner Befreiung“ besetzt, sondern „um gewisse wichtige alliierte Absichten zu verwirklichen.“ Damit ist klargestellt, daß die Errichtung eines US-dominierten Besatzungsregimes nicht den Zweck hatte, die Deutschen zu befreien, sondern eben zu beherrschen, international also in eine Objektstellung zu bringen. Zunächst galt es ein Parteiverbot umzusetzen, das durch ein Lizenzierungssystem anstelle der Gründungsfreiheit von Parteien abgesichert wurde, ein System, das dann nach Aufhebung der Lizenzierung durch die besondere Parteiverbotskonzeption abgelöst werden mußte und dementsprechend unverkennbar einen illiberalen Charakter aufweist. Deswegen war hinsichtlich des Charakters der in Deutschland zu schaffender Verfassung bestimmt, daß die Demokratisierung auf die Stärkung bestimmter Parteien hinauslaufen müsse, die es besonders abzusichern gelte. Die traditionelle deutsche Parteienvielfalt wurde als Gefahr für die amerikanischen Zielsetzungen angesehen, und deshalb durch ein Lizenzierungssystem beschränkt, welches dann anschließend durch die Instrumente des Parteiverbots im Rahmen wahlrechtlicher Sperrklauseln abgelöst werden sollte. Zur Sicherstellung der von den USA gewünschten demokratiewidrigen Ungleichbehandlung wurden insbesondere die Verfassungsschutzämter vorgesehen, die in einer im Verfassungsvergleich singulären Weise auf Druck der Alliierten eine verfassungsrechtliche Stellung erhielten. Damit im Zusammenhang ist der Gesamtkomplex dessen, was als „Parteienstaat“ beschrieben und demokratietheoretisch zu Recht kritisiert worden ist, als wesentliche Hinterlassenschaft der Besatzungsherrschaft anzusehen: „Es ist für die Durchsetzung der Parteiendemokratie, für die Stabilität der Parteienherrschaft nach 1945 ein Faktor von überhaupt nicht zu unterschätzender Bedeutung, daß es in den Jahren zwischen 1945 und 1949 – abgesehen von den Besatzungsmächten – keine politische Kraft gab, die den politischen Parteien in irgendeinem Sinne eine nennenswerte Konkurrenz hätten machen können. Dieser Staat wurde nicht von einer Dynastie, nicht vom Militär, nicht von einer in den Amtssesseln sitzenden Bürokratie, sondern von Parteileuten aufgebaut: Nie haben politische Parteien eine so ungeheure Patronagemacht entfalten können wie in den Jahren zwischen 1945 und 1950“ (Nachweis im Text; dabei wird darauf hingewiesen, daß Militär doch eine maßgebliche Bedeutung hatte; es war nur nicht das eigene).
Dies ist eingebettet in die Zweckbeschreibung der NATO, soweit dieses nicht nur als Verteidigungsbündnis (Feind steht außen), sondern auch als kollektives Sicherheitssystem (Feind steht innen) funktioniert, die von ihrem ersten Generalsekretär Ismay gewitzelt wie folgt beschrieben wurde: „to keep the Russians out, to keep the Americans in, and the Germans down.“ Genau aus diesem Grunde konnte die NATO nach Auflösung ihres Gegensystems, nämlich des Warschauer Paktes, nicht aufgelöst werden, weil eben der Zweck der Beherrschung Deutschlands durch die Weltherrschaftsmacht USA noch nicht entfallen ist. Zwischenzeitlich hat man aufgrund der Fortexistenz und Ausdehnung der NATO als self-fulfilling prophecy den Feind gefunden, den es ohne NATO so wohl nicht geben würde, den man aber zur Perpetuierung des Systems braucht und auch die Verschleierung eines anderen Hauptzweckes erlaubt.
Daß sich die Bundesrepublik Deutschland weiterhin, trotz der endgültigen Beendigung des Besatzungsregimes (das in West-Berlin mit besonderem Parteiverbotssystem noch bis 1990 angedauert hatte) und dem 2+4-Vertrag, in dessen Zusammenhang auch das Fortbestehen des Partei- und Vereinigungsverbotes zugesichert wurde, in einer außenpolitischen Objektstellung befindet, ergibt sich aus einer Äußerung des seinerzeitigen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der sich auf einer Veranstaltung des Europäischen Bankkongresses am 18.11.2011 dahingehend eingelassen hat, daß Deutschland „seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen“ sei. Dies erklärt auch das Interesse der ehemaligen Siegermächte am Verbotsersatzsystem wie gerade im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung aufgrund der frühzeitigen Veröffentlichung amtlicher Dokumente nachzuweisen ist. In der damaligen Zeit waren bekanntlich Die Republikaner (REP) die gerade maßgebliche deutsche Rechtspartei, an deren Bekämpfung erkennbar ein erhebliches Interesse der westlichen Freunde, insbesondere der Hegemonialmacht bestanden hat. Dem wird dann in speziellen Vorwurfskomplexen gegen „rechts“ in sog. „Verfassungsschutzberichten“ wie „verfassungsfeindliche“ Nichtanerkennung der „deutschen Kriegsschuld“ (das dabei verletzte Verfassungsprinzip ist unklar!) Rechnung getragen.
Dementsprechend geht es beim Parteiverbots(ersatz)regime vor allem darum, die Kompatibilität von Demokratie und amerikanischer hegemonialer Interessen zu sichern, wozu das Meinungsforschungsinstitut der Alliierten Hohen Kommission, Reaction Analysis Branch, drei Kriterien für den Erfolg der Besatzungspolitik gegenüber den Deutschen, aufgestellt hat, nämlich
1. Ablehnung von Nationalismus und Rechtsextremismus
2. Anerkennung der deutschen Kriegsschuld und
3. Beteiligung der Bevölkerung am politischen Leben.
Der dritte und bezeichnender Weise zuletzt aufgeführte Punkt, der wohl „Demokratie“ meint, wenngleich von „Bevölkerung“ und nicht vom „Volk“ die Rede ist, so daß eigentlich „Soziokratie“ (Gesellschafts- bzw. Bevölkerungsherrschaft) oder (internationale) „Selbstverwaltung“ der adäquate Begriff wäre, steht dabei unter dem ideologischen Vorbehalt der beiden ersten Punkte. Damit ist der deutschen politischen „Kultur“ besatzungspolitisch vorgegeben worden, einerseits in verfassungssouveräner Selbstverwaltung Demokratie zu praktizieren, dabei aber sicherzustellen, daß dies zu keinem ideologisch falschen Wahlergebnis führt. Das deutsche Volk, oder was als „Bevölkerung“ (multikulturelle Einwanderungsgesellschaft, „Europäer“, Menschen bzw. Demokraten) langfristig an dessen Stelle treten soll, sollte veranlaßt werden, keinen „Rechtsextremismus“ zu folgen, worunter wohl der Nationalsozialismus verstanden wird, aber auch den „Nationalismus“ abzulehnen, worunter wiederum im Zweifel sogar über den nach Art. 139 GG verbotenen (deutschen) „Militarismus“ hinausgehend die gesamte geistesgeschichtliche und politische Tradition der Deutschen verstanden werden kann, zumindest wenn sie nicht auf die Ebene der (amerikanischen) politischen Kultur gebracht werden konnte und sich dabei „gegen den Westen“ wenden sollte.
Die damit wohl unstreitig zum Ausdruck gebrachte internationale Objektstellung der Deutschen erklärt wesentlich eine Demokratie, die wie folgt beschrieben ist: „Das Grundgesetz der [!] Bundesrepublik ist keine liberale, also wertneutrale Verfassung im amerikanischen Sinn, sondern eine „wertgebundene Ordnung“. Im internationalen Vergleich ist dies ein „Novum“ und „Unikum“ zugleich. Auch das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Verbotsentscheidung gegen die KPD daher, dass die deutsche Verfassung sich in diesem Punkt von klassisch liberalen Verfassungen fundamental unterscheidet und begründet diesen Unterschied mit der historischen Erfahrung des Nationalsozialismus“ (Nachweis im Text).
Die Verwirklichung einer normalen liberalen Demokratie des Westens in der Bundesrepublik Deutschland wird nur durch die Rückgewinnung des außenpolitischen Denkens herbeizuführen sein. Dieses fängt mit der Erkenntnis der außenpolitischen Macht- und Interessenlage an, der man unterworfen ist.