Der Inlandsgeheimdienst als Akteur einer umstrittenen Geschichtspolitik

Der Inlandsgeheimdienst als Akteur einer umstrittenen Geschichtspolitik – Die Fälle der Historiker Schickel und Hoffmann

Bernd Kallina

(01.11.2021) Wie auf dieser Internetseite dargestellt, hat das Verwaltungsgericht München dem Landesamt für Verfassungsschutz des Freistaates Bayern untersagt, die Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) im bayerischen Verfassungsschutzbericht (VS-Bericht) wegen sog. „Revisionismus“ als „rechtsextremistische Organisation“ aufzuführen.

Dieses zugunsten von Wissenschaftsfreiheit und Meinungsfreiheit ergangene Gerichtsurteil gegen den christlich-sozialen Verfassungsschutzextremismus hat eine Vorgeschichte, die in einem Beitrag zu dem von Hans-Helmuth Knütter und Stefan Winckler im Jahr 2000 herausgegebenen Werk: Der Verfassungsschutz. Auf der Suche nach dem verlorenen Feind, dargestellt ist. Dieser Beitrag beleuchtet anhand der Fälle der Historiker Dr. Schickel, des Begründers der gerichtlich gegen den bayerischen Verfassungsschutz erfolgreichen Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) und Dr. Hoffmann die Anmaßung von öffentlich in Erscheinung tretenden Inlandsgeheimdiensten süddeutscher Bundesländer (Bayern und Baden-Württemberg) mit der Anschuldigungsparole „geschichts-revisionistischer Rechtsextremismus“staatsideologischeGeschichtspolitik zu betreiben. Diese geheimdienstliche Geschichtspolitik stellt dabei nichts anderes dar als die Propagierung und Durchsetzung einer amtlichen Legitimationsideologie, die zentral gegen die Wissenschaftsfreiheit gerichtet ist wie immerhin zwanzig Jahre später gerichtlich festgestellt werden sollte.

Der Historiker Dr. Schickel veröffentlichte in einer bayerischen Regionalzeitung eine historische Abhandlung über sudetendeutsch-tschechische Fragen und Dr. Hoffmann trug als Gutachter vor einem deutschen Gericht die Beurteilung eines Aufsatzes zu umstrittenen Fällen deutscher Zeitgeschichte unter dem Gesichtspunkt wissenschaftlicher Arbeitsweise (nicht zu inhaltlichen Fragen) vor, also zur Beantwortung der Frage: Ist der zu beurteilende Text eines „Leugners“ einer strafrechtlich geschützten Wahrheit formal als wissenschaftlich korrekt zu beurteilen. Die dem „Verfassungsschutz“ sicherlich unwillkommene Antwort von Hoffmann dazu war eine bejahende, was aber der Annahme amtlicher Geschichtspolitik widerspricht: Bekanntlich kann es sich bei legitimationswidrigen Erkenntnissen nur um verfassungsfeindliche „Pseudowissenschaft“ handeln.

Beide völlig unbeanstandeten Werke der Historiker erschienen kurze Zeit später ohne Einwilligung der Autoren Schickel und Hoffmann sozusagen als Raubdruck in einer als „rechtsextrem“ eingestuften, im Ausland herausgegebenen „revisionistischen“ Zeitschrift. Dies genügte für die Innenministerien von Baden-Württemberg und Bayern, die beiden Historiker, Dr. Schickel und Dr. Hofmann, in den sogenannten „Verfassungsschutzberichten“ des darauf folgenden Jahres als „rechtsextreme“ Persönlichkeiten einzustufen, die „Revisionismus im weiteren Sinne“ betreiben würden. Dabei zeigen sich schon damals die bedenklichen Folgen, wenn rechtsstaatliche Minimalstandards beim „Verfassungsschutz“ nicht gewahrt werden: Eine rechtsstaatliche Behörde wäre zur Anhörung von Personen verpflichtet, denen sie amtlich schwerwiegende ideologiepolitische Vorwürfe macht. Zwar ist der Begriff des „Revisionismus“ und erst Recht der eines „Revisionismus im weiteren Sinne“ in einem Rechtsstaat völlig irrelevant, jedoch sind in kommunistischen Diktaturen zahlreichen Personen wegen „Rechtsabweichlertum“ und „Revisionismus“ umgekommen,

so daß es sich auch bei CDU / CSU geführten Inlandsgeheimdiensten schon bewältigungspolitisch geziemen würde, rechtsstaatliche Anhörungsstandards einzuhalten, ehe sie ihr schreckliches Geheimwissen offenbaren! Dann wäre den Polizeiministerien seinerzeit deutlich geworden, daß die Aufsätze ohne Einwilligung der „beobachteten“ Bürger in einem „falschen“ Umfeld erschienen waren. Verfassungsrechtlich müßte in einer liberalen Demokratie des Westens eine Veröffentlichung selbst bei Einwilligung der Autoren allerdings irrelevant sein, da man bekanntlich seine Meinungen „frei“ verbreiten darf, aber dies sieht ja bekanntlich der „Verfassungsschutz“ (verfassungsfeindlich?) anders.  

Beim vorliegenden Text handelt es sich, wie schon angeführt, um einen Beitrag zu dem von Hans-Helmuth Knütter und Stefan Winckler herausgegebenen Werk: Der Verfassungsschutz. Auf der Suche nach dem verlorenen Feind. Die Redaktion von www.links-enttarnt.de  dankt dem Universitas-Verlag, München, für die Einwilligung zur unveränderten Online-Stellung dieses Beitrags. Das im Jahr 2000 erschienene und leider immer noch aktuelle Werk kann noch käuflich erworben werden:

Hans-Helmuth Knütter, Stefan Winckler (Hrsg.)
Der Verfassungsschutz – Auf der Suche nach dem verlorenen Feind
Universitas Verlag, 2000, gebunden, 420 Seiten, 24,90 Euro
ISBN-10 : 3800414074, ISBN-13 : 978-3800414079
Erhältlich auch hier

Dieses Werk stellt in mancher Hinsicht das Vorgängerwerk zum „Alternativen Verfassungsschutzbericht“ Was der Verfassungsschutz verschweigt. Bausteine für einen Alternativen Verfassungsschutz-Bericht dar, dessen einzelne Kapitel nebst Aktualisierungen und Ergänzungen auf dieser Internetseite nachzulesen sind.

Hinweis der Redaktion
Der Verfasser dieses Beitrags, der ehemalige Redakteur des Deutschlandfunks Bernd Kallina, hat jüngst ein Interview-Buch veröffentlicht, das sich neben anderen damit im Zusammenhang stehenden Themenkomplexen auch mit der Problematik „Verfassungsschutz“ befaßt und hier.

Bernd Kallina
Unhaltbare Zustände! – Interviews & Beiträge im deutschen Interesse
236 Seiten
ISBN: 978-3-87336-708-1
DIN A 5 Klappenbroschüre
Preis: 16,99 Euro
Gerhard Hess Verlag, GHV
Bestellungen: h.woerner@gerhard-hess-verlag.de
oder unter: www.gerhard-hess-verlag.de

Für den vorliegend dargestellten Themenkomplex besonders relevant sind dabei das Interview mit dem derzeitigen Vorsitzenden der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt, Gernot Facius, mit dem Titel „Der historischen Forschung dürfen keine Fesseln angelegt werden“ und die ergänzende Darstellung des Buchautors zum Thema „Münchner Gericht stoppt bayerische Schlapphüte – warum die ZFI nicht extremistisch ist“ mit der Behandlung des entsprechenden Verwaltungsgerichtsprozesses.

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